Seit 100 Jahren in Sankt Augustin Die Botschaft der Steyler Missionare ist heute hochaktuell

SANKT AUGUSTIN · Seit 100 Jahren sind die Steyler Missionare in Sankt Augustin zu Hause. 1913 wurde der rostfreie Stahl erfunden und das Ozonloch entdeckt, die USA führten die Einkommensteuer ein, in einer New Yorker Zeitung, die es längst nicht mehr gibt, erschien das erste Kreuzworträtsel der Welt, kam der spätere Bundeskanzler Willy Brandt zur Welt, und Anna Albrecht, die Mutter der beiden späteren Aldi-Gründer, eröffnete ihren ersten Tante-Emma-Laden.

 Landwirt Joaquim bei der Bananenernte im brasilianischen Amazonasgebiet.

Landwirt Joaquim bei der Bananenernte im brasilianischen Amazonasgebiet.

Foto: Steyler Mission

100 Jahre sind zwar eine lange Zeit. Doch die zentrale Botschaft der Steyler Missionare seit Anbeginn, die "Bewahrung der Schöpfung", ist heute, im Zeitalter des Klimawandels und der rücksichtslosen Plünderung des Planeten in der Dritten Welt im Zeitalter der Globalisierung, vielleicht so aktuell wie noch nie.

Die in Sankt Augustin angesiedelte Missionsprokur betreut die deutschsprachigen Missionare des Ordens in aller Welt. Zum Beispiel auch Bruder Ludwig Kaut. Der lebt und wirkt im brasilianischen Rurópolis mitten im Amazonasgebiet. Beharrlich stemmt sich der Steyler Missionar, wo immer er es vermag, gegen die Vernichtungsmaschinerie in der fast 5,7 Millionen Quadratkilometer umfassenden grünen Lunge dieser Erde und ermutigt die Menschen, sich mit ihm gegen das Artensterben, gegen Brandrodungen, gegen die mächtige Holz-Mafia zu stemmen. Damit macht sich der Ordensbruder der Steyler nicht nur Freunde. Unter den Politikern und Konzernbossen Brasiliens gilt er als Unruhestifter par excellence.

Aber das schert Ludwig Kaut nicht weiter. Ihn interessiert die Bewahrung der Schöpfung: "Es gehört zu unserer Pflicht, uns aktiv für den Umweltschutz einzusetzen. Im Buch Genesis steht, dass wir verantwortlich sind für die Welt, die Gott uns gegeben hat. Kirche ist Leben, nicht Tod. Wir müssen uns gegen alles einsetzen, was Tod produziert."

Der aus Ostbelgien nahe der deutschen Grenze stammende deutschsprachige Steyler Missionar vertritt eine glasklare Meinung, was die Natur betrifft: "Gott vergibt immer, der Mensch vergibt selten. Aber die Natur vergibt nie. Im Gegenteil: Sie rächt sich. Und das kriegen wir zu spüren."

Einer seiner ökologisch bekehrten Schützlinge ist der brasilianische Landwirt Joaquim. 100 Hektar umfasst sein Landgut vier Grad südlich des Äquators. Nur mit der Machete kämpft sich der Bauer mühsam und schweißtreibend und manchmal tagelang durch die dichte Vegetation, um den so freigeräumten Boden als Anbaufläche nutzen zu können, etwa für Mais oder Bohnen. Ja, er könnte sich die Arbeit bedeutend leichter machen. Er könnte Feuer legen und entspannt dabei zusehen, wie die Flammen die Arbeit erledigen. In den großen Monokulturen am Amazonas macht das fast jeder so. Kilometerweite Buschfeuer gehören hier zum alltäglichen Anblick.

"Aber da mache ich nicht mit", sagt der Mann mit dem Strohhut und dem grauen Vollbart und kappt erneut mit scharfer Klinge ein paar Farne. "Wenn man brandrodet, kann man den Boden anschließend maximal drei Mal bepflanzen. Danach ist er ausgelaugt, sämtliche Nährstoffe sind weg." Joaquim aber will sein Gut nachhaltig und im Einklang mit der Natur bewirtschaften. Er will den Tieren nicht ihren Lebensraum rauben und dem Boden die Gelegenheit geben, sich selbstständig zu regenerieren.

Der Lohn für seine Mühe fällt sofort ins Auge: üppige Bananenstauden, dicht behangene Mangobäume, Kakaofrüchte wie aus dem Bilderbuch. Das alles umgeben von einer exotischen Geräuschkulisse, die den Artenreichtum der tierischen Bewohner der Amazonasregion erahnen lässt.

Bruder Ludwig Kaut fährt den Bauern regelmäßig besuchen: "Joaquim gehört zu den Leuten, die sich darüber im Klaren sind, dass wir mit dieser Welt nicht machen dürfen, was wir wollen."

Die Amazonas-Region

Der Amazonas in Südamerika ist der mit großem Abstand wasserreichste Fluss der Erde. Er führt mehr Wasser als die nächsten sieben größten Flüsse der Welt.

Auf seinem 6448 Kilometer langen Weg von den Anden bis in den Atlantik münden in den Amazonas rund 10.000 Nebenflüsse.

Das 5,7 Millionen Quadratkilometer umfassende brasilianische Regenwaldgebiet ist nicht nur die grüne Lunge des Planeten, sondern auch dessen größte Apotheke: Die mehr als 170.000 beheimateten Pflanzenarten haben längst das Interesse der internationalen Pharma-Industrie geweckt. Obwohl das Amazonasgebiet 68 Prozent des brasilianischen Gesamtterritoriums ausmacht, leben dort nur 6,5 Prozent aller Brasilianer. Die Bundesrepublik würde 16 Mal in die brasilianische Amazonas-Region hineinpassen.

Entlang des Flussufers sind die meisten der 200 indigenen Völker Brasiliens zu Hause. Heute leben und arbeiten 35 Steyler Brüder und Patres am Amazonas und setzen sich für eine gerechtere Gesellschaft sowie für einen respektvollen Umgang mit der Natur ein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort