Lyrikpreis geht nach Sankt Augustin Die Jahreszeiten des Lebens

Sankt Augustin · Die Dichterin Ingeborg Brenne-Markner hat mit ihrem Gedicht "ohne gewicht" den Lyrikwettbewerb „postpoetry.NRW“ gewonnen. Ihre Themen kreisen um Kindheitserinnerungen.

 Leidenschaft für Lyrik: Ingeborg Brenne-Markner blättert in ihrem Wintergarten in einem Gedichtband.

Leidenschaft für Lyrik: Ingeborg Brenne-Markner blättert in ihrem Wintergarten in einem Gedichtband.

Foto: Sofia Grillo

Die Wohnung von Ingeborg Brenne-Markner verrät schon auf den ersten Blick viel über ihre Person. An den Wänden hängt ein Rahmen neben dem anderen. In vielen sind Kunstwerke ausgestellt. Eins ist eher skurril, im dunkelblauen Farbschema, ein Kopf einer alten Frau in der Mitte. Die Dichterin findet es sehr fantasievoll. Die anderen Bilder sind Aquarelle von Landschaften oder Booten.

„Manche Aquarelle sind vom Vater meines Ehemannes. Er hat sie in Kriegsgefangenschaft gemalt“, so Brenne-Markner. Wieder andere Bilder stammten von ihrer Schwägerin. An einer anderen Wand hängen Familienfotos. Diese seien wiederum von ihrem Vater gemacht worden, der Fotograf war. Die Kunst und die Familie der Autorin finden hier ganz natürlich zusammen.

„Die Liebe zum Dichten gefunden“

Dann öffnet die 67-Jährige die Tür zu ihrem Arbeitszimmer. Hier entstand auch das Gedicht „ohne gewicht“, mit dem sie jüngst zur Gewinnerin des Lyrikwettbewerbs „postpoetry.NRW“ wurde. Vor 15 Jahren ist die Lyrik für die Sankt Augustinerin zum einnehmenden Hobby geworden. Als sie noch Vollzeit in der Erwachsenenbildung arbeitete, hatte sie keine Zeit zum Schreiben. „Mit der einkehrenden Ruhe im Leben habe ich die Liebe zum Dichten gefunden“, so Brenne-Markner, die im Ruhestand ist. „Mir gefällt das kurze, dichte Schreiben, ohne etwas ausschweifend erklären zu müssen.“

Die studierte Germanistin hat schon immer gerne Lyrik gelesen, auch heute noch liest sie regelmäßig moderne Gedichtbände. Diese stehen im gut gefüllten Regal im Arbeitszimmer. Auch ihr 2013 erschienenes Buch reiht sich bei den Sammelbänden moderner Lyrik ein. Der Schreibtisch steht an einem großen Fenster, das den Blick auf die Abtei auf dem Michaelsberg in Siegburg frei gibt. Auf dem Tisch liegt ein Bildband der Künstlerin Paula Modersohn-Becker. Neben Brenne-Markners Computer steht ein gerahmtes Foto ihrer Tochter – ihre perfekte Atmosphäre zum Schreiben. „Viele denken, Gedichte sind schnell geschrieben. Das stimmt aber nicht. Es ist ein langer Prozess“, sagt Brenne-Markner.

Gedichte als Instrument der Selbsterkenntnis

Sie überarbeite ihre Werke immer wieder und müsse viel an Wörtern tüfteln „die nicht so ganz passen“. „Meine Gedichte machen sich schnell selbstständig. Ich arbeite wie in Trance und plötzlich bin ich nur noch diejenige, die aufschreibt, was sich von alleine ergibt“, erklärt die Lyrikerin ihre Arbeitsweise. Meist merke sie gar nicht, wie die Zeit dabei vergeht. „Ich schreibe, weil mir die Gedichte das Leben erklären“, so Brenne-Markner weiter. Das Dichten gebe ihr immer wieder Erkenntnisse über sich selbst. So kreisen ihre lyrischen Themen beispielsweise um Kindheitserinnerungen und die Jahreszeiten des Lebens. „Mein Umfeld und die Außenwelt inspirieren mich dabei. Ein Erlebnis oder eine Beobachtung muss einen Funken bei mir auslösen, damit ich darüber schreiben kann.“

In den vergangenen 15 Jahren hat die Autorin diverse Schreibwerkstätten besucht. „Vor allem der Kontakt zu anderen Autoren hat mir dort geholfen“, so Brenne-Markner. Vor einem Jahr schloss sie sich mit drei Kölner Autoren zur Gruppe „Schellack“ zusammen. Mit ihnen gibt sie regelmäßig Lesungen in verschiedenen Kölner Kultureinrichtungen. Auch in Bonn ist Brenne-Markner aktiv: 2015 gründete sie mit Bonner Autoren den Literaturverein „KuLi“. „Die Lyrik ist wieder am Kommen. In Köln gibt es eine große Szene und viele Wettbewerbe.“

Ihr Preis im „postpoetry.NRW“ Wettbewerb ist ihre bisher größte Auszeichnung.

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