Albert-Einstein-Gymnasium Die "Lernfabrik" in Sankt Augustin feiert Geburtstag

SANKT AUGUSTIN · Der Namensgeber hätte zum 40. Geburtstag des Albert-Einstein-Gymnasiums vermutlich gesagt: "Alles ist relativ." Für die eine Schule ist die 40 nix, für das Sankt Augustiner AEG hat die Zahl etwas Großes: Hier wird eine Schule 40, die, als sie eröffnet wurde, das Neueste vom Neuen war. Vor allem dem Aussehen nach. Der Besuch im AEG aus Anlass des Geburtstages ist in diesem Fall ein zutiefst subjektiver: Eine ehemalige Schülerin hat ihn unternommen.

 AEG-Impressionen: Lehrer Christoph Schlug im kunstvollen Treppenhaus.

AEG-Impressionen: Lehrer Christoph Schlug im kunstvollen Treppenhaus.

Foto: Tina Stommel

Ich nähere mich quasi von hinten. Nützt natürlich nichts. Die Erinnerung kriegt mich in jedem Fall, die Frage ist nur, welches Gestern mich als erstes erwischt. Es ist, beim Einbiegen in die Alte Marktstraße, der Geschmack von sauren Gurken. "Kiosk Grunewald" steht auf dem abbruch-überreifen Häuschen, eine "Hörzu"-Reklame und zwei Bier-Schilder versprechen zu viel: Hier gibt es außer Unkraut nichts mehr zu holen.

Im Kiosk Grunewald haben wir unser saures Süßzeug gekauft, zwischen Deutschstunde und Chemiestunde, oder am liebsten während Chemie. 27 Jahre ist das Abi her. Seitdem habe ich es trotz im selben Ortsteil wohnender Eltern irgendwie geschafft, nie mehr hierhin zu kommen.

Sport-Eingang. Die Erinnerung liefert den Geruch von Nylontaschen mit nassen Sachen drin. Schul-Vorhof. Die ersten von unzähligen Graffitis, so typisch für das AEG. Naturwissenschaftlicher Trakt. Da stehen sie, die Abkürzungen, die ich alle drei nicht geliebt habe: das grüne "BIO" (für Biologie), das rote "PHY" (Physik), das blaue "CHE" (Chemie). Davor ein Mädchen mit einer Frage: "Warum fotografieren Sie das?" Gegenfrage der Ex-Schülerin an die Noch-Schülerin: "Wie findest du die Schule?" - "Naja... geht so. Wie eine Fabrik."

"Wie ein Raumschiff." Das fällt Karl Clasen ein, wenn er ans AEG denkt. Karl gehörte zum allerersten Abitur-Jahrgang am AEG. Das war 1980. Karl ist 51 und treuer als ich. Er ist zu einigen Ehemaligen-Treffen gegangen, hat sogar nochmal bei Volleyballturnieren in der Schule mitgespielt, und sein jüngster Sohn ist jetzt Schüler am AEG. Die Fabrik, das Raumschiff - die Röhren sind schuld an diesem Vergleich. In Blau schlängeln sie sich innen und außen durch die Etagen, öffnen schlangengleich ihre Luftdüsenmäuler. Dazwischen schuppen sich gelbe Rechtecke zur Verbesserung der Akustik die Decken entlang, kleine orangene Lampen dazwischen.

Farbenlehre nach AEG-Manier: Blau für die Luft, orange für die Elektrik, gelb für .. äh ... "die Sonne", schreibt Franziska Bischof in ihrer Arbeit "Architektur des Schulzentrums Niederpleis" für den Leistungskurs Kunst. Die AEG-Schülerin widmete der Baukunst ihrer Schule - Baukosten insgesamt: 50 Millionen D-Mark - 2004 ganze 20 Seiten. Sie fand den Zeitgeist der 70er Jahre in der Röhrenkunst des AEG gespiegelt, nahm das optische Bloßlegen von Technik zu Recht als Zeichen einer Zeit, in der das unter dem Zeitgeist-Lieblingswort Transparenz firmierte. "Damals", sagt Karl, "war das hochmodern. Das hatte man so noch nicht gesehen."

Er kam 1973 vom Rhein-Sieg-Gymnasium, dem RSG, aufs brandneue AEG. Gebaut, um der Masse an Schülern im Einzugsgebiet Sankt Augustins Herr zu werden - das RSG platzte aus allen Nähten, und die geburtenstarken Jahrgänge sollten erst noch kommen. "Wir haben mit fünfter, sechster und siebter Klasse gleichzeitig begonnen, um vom RSG Schüler übernehmen zu können", sagt Christoph Lorenz. Das "Wir" stimmt nicht ganz: Lorenz kam sieben Jahre später als Biologie- und Chemielehrer. Jetzt hat der 61-Jährige die Schulleitung inne.

Und in dieser Funktion führt er jetzt die Journalistin in das, was "Archiv" heißt und eine papierne Rumpelkammer ist. Das ist dem Mann mit dem verhaltenen Lächeln ein bisschen peinlich. Die Ex-Schülerin gönnt sich einen kurzen Moment der Schüler-Schadenfreude (ja, ja, wir sollen immer ordentlich sein, und im Reich der Erwachsenen sieht es aus wie Kraut und Rüben), dann erinnert sie sich, dass sie selbst erwachsen ist und sucht mit Lorenz nach irgendetwas, das dokumentarischen Informationswert besitzt. Ein Sonderheftchen zum Zehnjährigen findet sich.

Karl Pelzer obliegt es darin als amtierendem Direktor, den Geburtstagsgruß zu formulieren. Er erinnert sich an einen Anfang, geprägt vom "äußerst dünnen Angebot an voll ausgebildeten Lehrern im ganzen Land". An Eltern, die als ehemalige Lehrer einsprangen, um einen ordnungsgemäßen Unterricht zu gewährleisten. Und Pelzer blickt nach vorn auf den "hoffentlich bald erfolgenden Bau der großen Sportanlage".

"Zwei Handballfelder aneinander! Plus Schwimmbad davor! Das fand ich irre!", sagt Karl. Vom Pausenraum, der im AEG "Schulstraße" heißt, kann man hineingucken in die Sporthalle. Wenn Basketball anstand, habe ich das gehasst - da oben hinter Glas die Schemen von anderen Schülern zu sehen, vielleicht schrecklicherweise auch von dem aktuellen Schwarm, der womöglich gerade gesehen hatte, wie ich Meter am Korb vorbei geworfen hatte. Soviel zum Thema Transparenz.

Karl liebte den Sport am AEG. Ich liebte die Kunst. Die Flur-Kunst vor allem. Von Schülern auf die weiß gekalkten Wände gemalt. Mein Lieblingsbild, die Straße mit der flammenden Sonne an ihrem Ende, ist noch da. Viele neue Bilder kamen dazu. Auch die Kunst erzählt Schulgeschichten. Manga und Werbung sind Ideengeber der jüngsten Werke. Pink Floyd und politisches Bewegtsein haben sie in meiner Zeit inspiriert. Im Pausenraum ist ein alter Schwarzweiß-Schriftzug an der Wand: "Nie ... Krieg" ist noch zu lesen - dass Wörtchen "wieder" dazwischen ist verdeckt von Spinden. Keiner scheint es zu vermissen.

40 Jahre AEG. Das große Ehemaligenfest am 13. Juli organisiert ein Ex-Schüler und jetzt Lehrer am AEG: Christoph Schlug (28). "Wir haben hier an der Schule einen sehr guten Teamgeist im Kollegium", sagt Schlug. "Ich habe mir gewünscht, hier Lehrer zu sein."

Zurück aus der Gestern- in die Jetzt-Welt. Ich lasse die "Lernfabrik" hinter mir - mit ihren Bäumchen drumherum, denen Künstler und AEG-Kunstlehrer Willi Krings passenderweise Röhrenkleider verpasst hat. Während meines Besuchs ist Franz Kurschilgen in irgendeinem Unterrichtsraum zugange gewesen. Mein Ex-Spanischlehrer, der die von der Architektur gewollte Transparenz und Offenheit einfach als Mensch mitbrachte. Einmal machte die halbe Klasse blau und studierte statt Spanisch die Milchbrötchen im Schulcafé. Da stand plötzlich Kurschilgen vor uns. Setzte sich freundlich zu uns Blaumachern - und unterrichtete den Rest der Stunde im Café. Ich habe ihm nicht "Hallo" gesagt. Vergessen werde ich ihn nicht.

Das Geburtstagsfest:

  • Donnerstag, 11. Juli: Schüler-Musical "My Fair Lady" (19 Uhr).
  • Freitag, 12. Juli: Feierstunde mit geladenen Gästen im Pädagogischen Zentrum der Schule (14 Uhr), Präsentation der Jubiläumsprojektwoche "Albert Einstein begeistert" (16-19 Uhr); Schüler-Musical "My Fair Lady" in der Aula (19 Uhr).
  • Samstag, 13. Juli: Ehemaligenfest im Pädagogischen Zentrum (19 Uhr).

Anmeldungen für das Ehemaligenfest und weitere Infos unter www.albert-einstein-gymnasium.de.

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