Interview mit Pater Martin Neuhauser "Die Mission ist überall"

SANKT AUGUSTIN · Seit 2007 ist Pater Martin Neuhauser Rektor der Steyler Missionare in Sankt Augustin. Am 23. Juli wird der Theologe sein Amt übergeben. Über sein Leben, die Kirche, die Zukunft der Steyler Missionare und das Haus in Sankt Augustin sprach Michael Lehnberg mit ihm.

 Pater Martin Neuhauser auf einer Reise in Sambia.

Pater Martin Neuhauser auf einer Reise in Sambia.

Foto: Steyler Missionare

Pater Neuhauser, Sie machen jetzt Schluss als Rektor. Was kommt denn danach?
Pater Martin Neuhauser: Ich werde mein Amt am 23. Juli übergeben an Pater Martin Üffing, der jetzt schon Vize-Rektor ist. Dann ziehe ich zum 1. September um nach Tirschenreuth in die Oberpfalz. Da haben wir ein 80 Jahre altes Haus mit vier Brüdern. Diese Seelsorgestelle werde ich leiten. Das ist dann eine ruhigere Arbeit, die zum Alter passt. Dort bin ich auch schon sieben Jahre gewesen, bevor ich hier Rektor wurde.

Was hat Sie als junger Mann damals dazu bewogen, in den Steyler-Missionsorden einzutreten?
Neuhauser: Mit etwa 17 Jahren kam in mir der Wunsch auf, Missionar zu werden. Ich habe dann meine Lehre zum Bürokaufmann abgebrochen und das Abitur nachgeholt. Dann habe ich in der Diözese München zwei Jahre studiert und bin bei den Steylern eingetreten, weil ich dachte, hier meine Wünsche am besten verwirklichen zu können, und es ist mein Weg. Auch wenn ich nicht, wie ich dachte, mein Leben lang in der Mission verbracht habe. Der Weg ist dann eben die Steyler Mission geworden. Ich könnte mir heute nichts anderes vorstellen.

Was bedeutet Gott für Sie?
Neuhauser: Gott ist die Grunddimension meines Lebens. Auf die Frage, woher ich komme und wohin ich gehe, habe ich keine andere Antwort als Gott. Dazwischen liegt das Leben, und das leitet Gott. Er gibt mir immer Kraft.

Wie wichtig ist die Mission heute noch?
Neuhauser: Sie hat sich gewandelt, bleibt aber wichtig. Früher war die Mission auf die Dritte Welt ausgerichtet, von Europa aus. Heute sind viele Kirchen dort entstanden, und wir müssen mehr auf Europa schauen, das sich selber stark verändert hat durch die Pluralität der Kulturen und Religionen. Deshalb müssen wir uns schon fragen: Wo ist unsere Mission heute eigentlich noch? Sie ist überall, unabhängig von geografischer Festlegung. Wir wollen mit Menschen anderer Kulturen und anderen Glaubens und den säkularisierten Menschen in den Dialog treten. Wir haben als Christen in der globalisierten Welt eine Botschaft mitzuteilen. Und die lautet: Frieden, Gerechtigkeit und das Reich Gottes im umfassenden Sinne. Es geht um das Heil des Menschen, ein großes Feld der Mission.

Die Steyler sind auch in China präsent. Wie stellt sich die Situation für die Christen heute in dem kommunistischen Land dar?Neuhauser: Die Anzahl der Katholiken und Protestanten in China steigt stetig, trotz der Repressionen durch den Staat. Es haben sich dort auch kirchliche Berufe entwickelt, und es gibt dort Priester und Ordensleute. Viele Laien sind in China sehr aktiv. Wir als Steyler haben dort inoffiziell auch Zuwachs zu verzeichnen, auch wenn wir dort öffentlich nicht so agieren können. 17 Theologen aus China studieren derzeit bei uns.

Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Wird eigentlich genug getan für die armen und hungernden Menschen und Kinder in dieser Welt?
Neuhauser: Generell tun wir noch zu wenig oder nicht das Richtige. Wichtig ist, dass wir mit den hilfsbedürftigen Menschen zusammen eine lebbare Welt herbeiführen, in der sie selbstbestimmt leben können. Zu den persönlichen und staatlichen Hilfen gehören für mich auch ethische Prinzipien des Wirtschaftens und Handelns. Vieles geht durch Korruption verloren. Die besondere Bedeutung der Kirche liegt eben darin, den Menschen zu vermitteln, Nächstenliebe und Gottes Liebe praktisch in ihr Leben zu übertragen.

Immer mehr Menschen wenden sich aber von der Institution Kirche ab. Verliert der Glaube nicht an Bedeutung?
Neuhauser: Es scheint so zu sein. Ich würde aber lieber sagen, der Glaube und der Ausdruck des Glaubens haben sich verändert. Man will nicht mehr so sehr funktionierendes Glied in Institutionen sein, sondern den Glauben aus den Erfahrungen des Lebens heraus gestalten. An Bedeutung hat er nicht verloren. Die Menschen wollen weg von einem Pflichtenkatalog und hin zu einer heilenden Wirksamkeit der christlichen Botschaft. Die Gesellschaft hat sich verändert, und da muss die Kirche fragen: "Was kann ich zur Heilung anbieten?"

Ist ein Gott zugewandtes Leben in einem Orden noch zeitgemäß?
Neuhauser: Wenn man die neue Zeit heute sieht, würde ich sagen: nein. Manchmal gibt es aber Lebensweisen, die nicht in die Zeit passen, aber dennoch zeitgemäß werden. In der Kirche gibt es auch neue Ansätze, was das Ordensleben angeht, die kommen vor allem von jungen Leuten. Neuer Wein muss auch in neue Schläuche, so wie es Jesus gesagt hat.

Wie empfinden Sie den neuen Papst Franziskus?
Neuhauser: Ich finde ihn sympathisch. Er ist hoffnungsvoll für die Kirche. Mit seiner entkrampften Art und seinen warmen Worten bewirkt er, die Gräben in der Kirche zu überwinden, so dass die Kirche wieder selbstbewusst auf die Welt zugehen kann.

Was dürfen Sie eigentlich als Ordensbruder besitzen?
Neuhauser: Nichts. Alles, was wir erwerben, geht in die Gemeinschaft des Ordens. Vom Orden bekommen wir alles, was wir zum Leben brauchen. Ausnahme ist eine Erbschaft aus der Verwandtschaft. Ich kann zwar nicht sagen, ich bau' mir von dem Geld mal eben ein Haus. Aber ich darf eigenständig entscheiden, wo das Geld eingesetzt werden soll. Unser Gehalt geht in den großen Topf der Ordensgemeinschaft.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?
Neuhauser: Weiterhin eine erfüllende Arbeit in der Seelsorge mit Menschen bei weniger Stress und mehr Zeit zum Lesen. Ich fühle mich noch nicht auf dem Altenteil.

Wo sehen Sie die Steyler in 20 Jahren?
Neuhauser: Eine Tendenz ist ziemlich klar. Wir werden international noch breiter aufgestellt sein. Derzeit haben wir 6000 Mitbrüder aus 70 Nationen in aller Welt. Auch in Deutschland werden wir internationaler. Seelsorge und Wissenschaft werden unsere Pfeiler in der Zukunft sein. Wir haben viele Schulen und Internate gehabt. Aber das können wir nicht mehr tragen.

Wie steht es um das Haus in Sankt Augustin? Besteht die Gefahr, dass es mittelfristig geschlossen werden muss?
Neuhauser: Wir machen uns schon Sorgen für die Zukunft, weil wir schon länger keinen Nachwuchs aus Deutschland haben. Wir haben aber dennoch viele Studierende aus der ganzen Welt hier. An der Hochschule hängt die Zukunft unseres Hauses in Sankt Augustin. Der Forschung und Ausbildung in der Auseinandersetzung mit der modernen Welt wollen wir intellektuell und theologisch gerecht werden. Wenn uns das gelingt und die Finanzen es möglich machen, haben wir eine Zukunft in Sankt Augustin.

Zur Person

Pater Martin Neuhauser war sechs Jahre lang Rektor der Steyler Missionare in Sankt Augustin. Der heute 70-Jährige, geboren 1943 in Garching, brach im Alter von 17 Jahren seine Lehre zum Bürokaufmann ab, um sein Abitur nachzuholen und Missionar zu werden. 1964 trat er in den Steyler-Orden ein.

1967 wurde er zum Priester geweiht. Zunächst ging er fünf Jahre nach Neuguinea, danach war er sechs Jahre Ausbildungsleiter in Sankt Augustin, ehe er nach München ging, wo er bis 1999 im Steyler-Bildungshaus die Erwachsenenbildung koordinierte. 18 Jahre hat er insgesamt in Sankt Augustin verbracht.

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