Bonn International Die sizilianische Art, zu sein

Serie | Sankt Augustin · Mit dem Hangelarer Eisdielenbesitzer Alfredo Liotta reisen wir in Gedanken in seine Heimat am Fuße des Ätnas. Er lädt uns ein zu einem Tag in Sizilien.

 Alfredo Liotta aus der sizialianischen Region Catania serviert seinen Gästen ein Stück italienisches Lebensgefühl.

Alfredo Liotta aus der sizialianischen Region Catania serviert seinen Gästen ein Stück italienisches Lebensgefühl.

Foto: Sofia Grillo

Heute holt uns kein Wecker aus dem Schlaf, sondern die Sonne. Sie scheint nämlich schon am Morgen derart stark, dass wir bei 30 bis 40 Grad Hitze nicht mehr auf dem Bettlaken schwitzen wollen. Wir stehen also auf und finden unsere Erfrischung bereits am Frühstückstisch: Statt Brötchen, Wurst und Käse gibt es Granita im Brioche-Brötchen. In Gedanken schwelgen wir in einem Morgen, wie ihn Alfredo Liotta, der die Eisdiele Taormina in Hangelar betreibt, jetzt in seiner Heimat Sizilien verbringen würde.

Er nimmt uns mit auf eine Phantasiereise und verbringt mit uns einen Sommertag im südlichsten Italien. Granita ist ein Sorbet-Eis, das Liotta am liebsten mit Pistazien-Geschmack in dem weichen und süßen Brioche-Brötchen zum Frühstück verspeist. Er ist am Fuße des Ätna in der sizilianischen Region Catania aufgewachsen. Hier wachsen aufgrund der fruchtbaren Erde, die der Vulkan seinen Bewohnern schenkt, Mandeln und Pistazien in Hülle und Fülle.

Und auch wenn es das Granita-Eis in allen fruchtigen wie nussigen Varianten in der Kleinstadt Adrano gibt, so ist der Pistazien-Geschmack der traditionellste. Das Eis und das süße Brötchen kommen am Morgen in laut hupenden Ape-Wägelchen direkt vor die Haustüren der Einheimischen. Man kann den Heißhunger auf das kühle Frühstück aber auch direkt mit einem ersten Spaziergang zur nächsten Café-Bar verbinden.

Espresso- das schwarz-braune Blut in sizilianischen Adern

Ein Espresso muss nämlich auf jeden Fall sein am Morgen sowie eigentlich zu jeder Tageszeit auch – es ist das schwarz-braune Blut, das durch die Adern der Italiener fließt. Von Adrano aus sind es rund 20 Minuten Fahrt bis in die Stadt Catania. Doch da ist es im Sommer tagsüber einfach zu heiß. Wir setzen uns mit Alfredo Liotta nun auf eine Vespa, genießen den Fahrtwind und den für Sizilien typischen Benzin-Geruch von knatternden Motorrollern und fahren an den Strand. „Ich verbringe da meist den ganzen Tag. Ich brauche nur die Wellen zu hören und sie waschen schon den Kopf frei von Sorgen. Das Meer schenkt mir Ruhe und Entspannung und die genieße ich“, erzählt der 46-Jährige.

1997 ist er nach Deutschland gekommen und wohnt mit seiner Familie in Rheinbach. Als Jugendlicher in Sizilien, erzählt er, habe er das ganze Jahr über gearbeitet, aber im Sommer nahm er sich zwei Monate frei. Dann schlug er sich am Strand ein Zelt auf und verbrachte mit Luftmatratze und Gaskocher hier Tage und Nächte – ganz simpel, so mag er es am liebsten.

Entspannen am Strand, das heißt sich abkühlen in den wilden Wellen, sich dann unter einen Sonnenschirm legen und im Stimmengewirr der Familien dösen. Nun holt uns aber wieder das Bedürfnis nach Kaffee aus unserem Dämmerzustand und wir gehen zu einer Bude, die den Strand mit lauter Musik beschallt. Alfredo Liotta bestellt sich einen kalten Kaffee mit Mandelmilch.

Denn auch das ist in der fruchtbaren Gegend um den Ätna Tradition. Wir haben Mittag und der Magen knurrt. „In Sizilien isst man nicht wie hier in Deutschland nebenbei oder auf dem Weg zum nächsten Termin. Nein, dafür nimmt man sich Zeit und genießt es mit allen Sinnen“, sagt Liotta. Da wir am Strand und nicht in der Nähe der Familie sind, setzen wir uns mit Liotta in ein kleines Lokal und bestellen Fisch. „Den gibt es haufenweise, frisch gefangen und zubereitet“, sagt der Sizilianer. Im Kreise der Familie wird das gemeinsame Essen genauso, wenn nicht noch üppiger zelebriert wie in unserem Lokal am Strand.

Setzen wir uns in Gedanken an den Tisch von Alfredos Mutter mit seinen fünf Geschwistern. Fünf bis sechs Gänge werden hier nach und nach aufgetischt. Und weil Aldredo Liotta seinen Lebensalltag inzwischen in Deutschland verbringt, häuft ihm die Mutter immer mehr und mehr auf den Teller und sagt: „Iss, iss, das hast du doch so lange nicht mehr essen können.“ Das führt zwangsläufig dazu, dass Alfredo Liotta nach einer Reise in die Heimat einige Kilos mehr nach Deutschland bringt.

Nach dem Essen trifft man sich in der Stadt

Doch nach dem Familienessen ist es noch lange nicht vorbei mit der Geselligkeit. Wenn die Dunkelheit anbricht und die Hitze langsam sanfter wird, schwärmt die ganze Stadt aus in die Straßen. Jeder macht sich schick – die Jugend geht in Diskos, ältere Leute gehen gern auf Gesellschaftstänze. Die übrigen, die nicht in Tanzlaune sind, setzen sich in Restaurants und Bars, trinken Wein, essen wieder gemeinsam, reden, scherzen, lachen, diskutieren – alle brabbeln auf einmal, jeder möchte den anderen übertönen, eigentlich versteht man gar nichts mehr, aber jeder versteht sich. Hier wird das Miteinander gefeiert. „Das Leben, das ist nicht nur Arbeit. Leben bedeutet Genuss, Familie, Freunde, Bekannte“, sagt Liotta.

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