GA-Serie: Was steckt eigentlich hinter...? Die Sonnenuhr im Sankt Augustiner Schatten

Sankt Augustin · Monument steht vor Vandalismus geschützt in einem Käfig aus Stahl und Plexiglas nahe des Schlosses im Birlinghovener Wald. Das Original der verwitterten Replik ist im Rathaus ausgestellt.

 Ein Käfig mitten im Wald: Die Replik der Birlinghovener Sonnenuhr ist wegen der schmutzigen Plexiglasscheiben schlecht zu sehen.

Ein Käfig mitten im Wald: Die Replik der Birlinghovener Sonnenuhr ist wegen der schmutzigen Plexiglasscheiben schlecht zu sehen.

Foto: Michael Lehnberg

Es ist ein sonniger Morgen mitten im Birlinghovener Wald, wenn auch nur ein paar Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach hindurch scheinen. Der Platz wirkt ein wenig unaufgeräumt. Eine in die Jahre gekommene Bank ohne Lehne steht am Rand. Irgendwer hat einen Bücherschrank aufgestellt, aus dem man sich Bücher nehmen oder den man mit Büchern füllen kann. Ansonsten Schatten dort, wo die Sonne eigentlich scheinen sollte, um die Uhrzeit anzuzeigen. „Eine Sonnenuhr im Schatten“, sagt der Walker, der gerade vorbeikommt und lacht. Da steht sie hinter einem Schutz aus Stahlstreben und Plexiglas – die Birlinghovener Sonnenuhr. „Die ist leider kaum zu sehen“, sagt der Walker mit Blick auf das schon ziemlich verwitterte Ausstellungsstück und geht weiter.

Tatsächlich verhindert der Schmutz auf den Scheiben den klaren Blick auf die Sonnenuhr, die auf einem Sockel aufgestellt ist. Was hat es mit der Sonnenuhr auf sich, so mitten im Wald? Und wieso umgibt sie ein achteckiger Käfig? Letzteres ist schnell beantwortet. Der Käfig soll die Sonnenuhr vor Vandalismus schützen.

Im Jahr 2001 hat die Stadt Sankt Augustin die Sonnenuhr mit dem Schutz umgeben. Das besondere Stück hingegen ist „nur“ die Replik eines Originals, das auch auf dem Platz im Wald gestanden hat und seit 1998 im Foyer des Sankt Augustiner Rathauses zu sehen ist. Das Original war stark verwittert und musste restauriert werden. Bildhauermeister Anton Schmitz aus Bonn erhielt damals den Auftrag von der Stadt, in dem auch enthalten war, eine Replik anzufertigen. Rund 33 000 Mark musste die Stadt dafür aufbringen. Eigentlich sollte die Sonnenuhr in das Grundstück des ehemaligen noch bewohnten Forsthauses nebenan integriert werden – mit einem Torbogen und einer Umzäunung. Doch der Plan scheiterte an den zu hohen Kosten.

Perspektivwechsel: Wer auf dem Platz der Sonnenuhr steht und seinen Blick Richtung Westen richtet, der sieht entlang einer Wegschneise das Schloss Birlinghoven, das an diesem Tag in der Sonne strahlt. Ein Ort, mit dem ein Teil der Geschichte der Birlinghovener Sonnenuhr eng verbunden ist.

Sonnenuhren sind seit der Antike in Gebrauch und waren noch am Beginn des 19. Jahrhunderts meistens gemeint, wenn von Uhren gesprochen wurde. Erste gut belegte archäologische Funde von Sonnenuhren stammen aus dem alten Ägypten des 13. Jahrhunderts vor Christus. Die Sonnenuhr wurde seit der Renaissance Objekt der Kunst und der Mathematik. Für herrschaftliche Terrassen und Parks entstanden zum Beispiel üppige sogenannte Vielflächen-Sonnenuhren. Die Sonnenuhr im Birlinghovener Wald ist eine solche, mit außergewöhnlichen Extras.

Angefertigt worden ist die Uhr nach Schätzung von Experten in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Ihr Ursprungsstandort war vermutlich die Sternwarte des Benediktinerstiftes Kremsmünster in Oberösterreich. Darauf deutet die Neigung der zahlreichen Zeiger hin.

Über den aus verschiedenen geometrischen Formen gebildeten Rot-Sandsteinblock sind etwa 70 Zifferblätter mit entsprechenden Messingkanten und -spitzen zu finden – als so genannte Schattenwerfer. Auf einer aufgesetzten Kugel befinden sich eingeritzte Stundenlinien für die Schlagschattengrenzen mehrerer Schattenwerfer sowie sogenannte Durchdringungskurven, die als Datumslinien dienen. Es ist ein hochkomplexes Gebilde, das nicht viel gemeinsam hat mit den herkömmlichen Sonnenuhren, wo der linienförmige Schatten eines Stabes als Zeiger dient und sich der Stabschatten während des Tages auf dem mit Tagesstunden skalierten Zifferblatt dreht.

Ein Prinzip, das ist in vielfältiger Weise verbaut worden. Eine Vielfalt, die im Laufe der Geschichte der Sonnenuhren in erster Linie auf unterschiedlichen Formen und Ausrichtungen des Zifferblatts beruht. Häufigste Variante ist die Vertikalsonnenuhr mit ebenem Zifferblatt, oft an einer Gebäudewand.

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts beschränkte sich der Nutzen von Sonnenuhren auf die Anzeige der Mittagsstunde, die zum Justieren der noch zu ungenauen mechanischen Uhren benötigt wurde. Heute stellen sie häufig nur noch Schmuck an Gebäuden, in Gärten und in Parks dar.

Für den Park war auch die Birlinghovener Sonnenuhr gedacht. Sie kam mit dem ehemaligen Schlossherr, Geheimrat Louis Hagen, um 1920 nach Birlinghoven. Hagen hatte das außergewöhnliche Stück im Kunsthandel über das Kölner Schnütgen-Museum erworben. Wer immer sie auch davor in ihrem Besitz hatte, ist nicht bekannt. Nach seinem Tod 1932 wurde das Sonnen-Monument, wie es auch genannt wird, eingelagert und später wieder aufgestellt, so wie es heute zu sehen ist, nur nicht als Replik und ohne den Schutzkäfig aus Plexiglas und Stahl. Aber mit einer kleinen Hinweistafel, die seit 2002 auf einem Pult danebensteht.

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