Industrieruine in Sankt Augustin Diese Pläne gibt es für das alte Pleistalwerk
Sankt Augustin · Die ehemalige "Zeche Plato" in Birlinghoven ist ein Standort mit Potenzial und soll zum Umweltbildungszentrum werden. In der Industrieruine haben Graffiti-Sprayer ihre Handschriften hinterlassen.
Fast kaum noch zu erkennen steht die stillgelegte Fabrik hinter Bäumen und Sträuchern. Im Inneren fallen die Löcher auf dem Boden und in der Decke ins Auge. Eine Birke und andere Pflanzen wachsen zwischen den Steinen des Gebäudes. Vor neuen und alten Graffiti liegen leere Sprühdosen von ungebetenen Besuchern, die sich trotz Warnung vor der Einsturzgefahr auf das Gelände begeben haben. Außer der Entstehung der Graffiti hat sich seit 1971 nicht viel auf dem Areal des alten Pleistalwerks in Birlinghoven getan.
Verschiedene Pläne für das Grundstück waren immer wieder mal im Gespräch. „Eine ICE-Trasse, eine Müllverbrennungslage, ein Thermalbad“, zählt Heinrich Geerling, Enkel des Firmengründers Heinrich Stratz, einige Ideen auf. Die Realität sieht anders aus. Das ehemalige Fabrikgebäude ist trotz aller Ideen eine Ruine geblieben. Die Natur hat sich ihr Terrain mittlerweile zurückgeholt. Das fünf Hektar große Grundstück ist zweigeteilt. Der Kölner Kameramann und Filmemacher Rolf Brüning ersteigerte 2008 die einstige Fabrik und Architekt Geerling das Gründerhaus, das er seitdem vermietet.
Als „Zeche Plato“ entstand das Pleistalwerk 1841. In der Ziegelei arbeiteten zu den besten Zeiten fast 250 Mitarbeiter an der Produktion von feuerfesten Steinen, Ziegeln und Tonröhren. 1902 zerstörte ein Feuer das Ofenhaus, daraufhin entstand ein dreigeschossiger Backsteinbau. Startz und seine Frau erwarben 1926 die Anlage, die sie nach dem nahe gelegenen Pleistal benannten. Startz baute ein neues Ofenhaus, in dem er Klinkersteine produzieren ließ. 1930 folgte die Umstellung auf die Produktion von Steinzeugröhren. Wegen der zunehmenden Nutzung von Rohren aus Polyvinylchlorid waren die Röhren aus Steinzeug nicht mehr gefragt, und so wurde die Produktion 1971 eingestellt. „Seitdem liegt die Anlage im Dornröschenschlaf, was durchaus auch seine Reize hat“, sagt Geerling.
Um das Gelände aus der Tiefschlafphase zu wecken, gründete sich 2011 der Verein Umweltbildungszentrum Pleistalwerk. Die rund 50 Mitglieder setzen sich für eine nachhaltige, naturorientierte und ökologische Stadtentwicklung ein und planen auf dem ehemaligen Industriegelände ein Umweltbildungszentrum. Dort sollen Umweltprojekte realisiert und auch der Naturpark Siebengebirge eingebunden werden. Geerling ist im Vorstand des Vereins, denn ihm liegt viel an dem Areal, auf dem er als Kind mit seinen Geschwistern und Freunden Fußball gespielt hat. „Man kann mit der Atmosphäre arbeiten und muss das Gebäude nicht abreißen.“ Gleichwohl besteht bereits eine Abrissgenehmigung. Geerling hingegen könnte sich etwa einen Klassenraum zwischen den bereits bestehenden Graffitiwänden vorstellen. „Die ersten Förderbeiträge sind genehmigt und die Organisation abgeschlossen“, so der Architekt, der in Königswinter wohnt. Der Verein müsste jedoch das Gelände kaufen und viel Geld investieren. Doch Geerling hat verschiedene Ideen, um seine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen . „Es muss ein Profil für das Grundstück entwickelt werden.“ Er überlegt auch, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten. Der Anlage gibt er noch zehn Jahre, dann wird die Natur sie sich vollkommen zurückgeholt geholt haben, und mit dem Blick zum Fabrikdach sagt er: „Noch ein Jahr, dann kommt alles runter.“
Der Verein Umweltbildungszentrum Pleistalwerk möchte auch die junge Generation ansprechen. Im vergangenen Jahr haben sich Schüler der Sankt Augustiner Schulen mit unterschiedlichen Themen der nachhaltigen Entwicklung beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Projekte „Junge Bühne für nachhaltige Entwicklung“ stellten sie vor Kurzem auf dem Karl-Gatzweiler-Platz vor dem Rathaus aus. „Umweltbildung machen war das Ziel“, so Geerling. Beim Kinder- und Familienfest in Birlinghoven am Sonntag, 25. August, wird der Verein mit einem Stand präsent sein. Dass die bisherigen Pläne für die Ruine mit Potenzial noch nicht realisiert worden sind, bezeichnet Geerling als „Fluch“ oder „Prophezeiung.“ Noch glaubt er an das Projekt und wirbt um Mitglieder. Er schaut auch mit dem Blick des Architekten auf die Ruine und sieht den Reiz des Geländes. „In der Architektur bezeichnet man es als Verfallsromantik“, sagt er und verlässt das einsturzgefährdete Gebäude und das Areal durch das hohe Gestrüpp.