Gottfried Salz Ein mutiger Pfarrer

SANKT AUGUSTIN · Er ist ein mutiger Mann. Einer, der nicht kuscht. Und ein resoluter dazu. Er weiß die Würde seines Amtes einzusetzen gegenüber den Nationalsozialisten, und er schafft es, dass die Nazis 1938 den Bau der Kirche in Mülldorf noch genehmigen.

 Pfarrer Gottfried Salz (links) bei der Grundsteinlegung der Mülldorfer Pfarrkirche im Jahr 1938. Von 1936 bis 1950 wirkte Salz als Geistlicher in Mülldorf. Repro: Holger Arndt

Pfarrer Gottfried Salz (links) bei der Grundsteinlegung der Mülldorfer Pfarrkirche im Jahr 1938. Von 1936 bis 1950 wirkte Salz als Geistlicher in Mülldorf. Repro: Holger Arndt

Es ist der letzte Kirchenbau im Dritten Reich und das Verdienst von Pfarrer Gottfried Salz, der von 1936 bis 1950 in Mülldorf als Geistlicher wirkte. Er ist es auch, dem zu verdanken ist, dass in den letzten Kriegstagen nicht Schlimmeres geschieht in seinem Dorf. Heute, am 21. März 1945, vor 70 Jahren ziehen die Amerikaner in Mülldorf ein. Und es fällt kein Schuss.

Damals gibt es noch eine deutsche Stellung. Eine Abteilung Soldaten, denen noch ein funktionstüchtiger Panzer geblieben ist, mit dem die Amerikaner aufgehalten werden sollen. Im Mülldorfer Rathaus besprechen die deutschen Soldaten am frühen Morgen die Lage, um wenig später den Panzer auf der Bonner Straße in Stellung zu bringen.

Pfarrer Salz hat indes genug vom sinnlosen Krieg und Töten. Er nimmt Kontakt zu den Soldaten auf, und mit seiner überzeugenden Art muss er den Panzerkommandanten davon abgehalten haben, die "Amis zu empfangen".

Was genau sich ereignet hat an diesem Tag und was Pfarrer Salz zu den Soldaten gesagt hat, ist nicht schriftlich überliefert. Er soll aber ziemlich deutlich damit gedroht haben, dafür zu sorgen, dass die Mülldorfer Volkssturmleute ihre Gewehre gegen die deutschen Soldaten richten würden, wenn sie nicht abzögen.

Das zeigt wohl Wirkung, denn sie ziehen in Richtung Hennef ab. Wenig später marschieren die Amerikaner in Mülldorf ein. Ohne einen Schuss abzufeuern, besetzen sie Mülldorf und gehen an der Sieg in Stellung. Nur von Siegburger Seite sind Schüsse zu hören, ein einzelnes deutsches Maschinengewehr feuert nach Mülldorf herüber.

In den Tagen zuvor hatte die Pfarrkirche zweimal unter schwerem Beschuss gelegen - etwa in der Nacht zum 12. März. "Kaum war das Abendbrot genommen, da heulte es unheimlich heran und kam nieder im Steilfeuer", beschreibt Pfarrer Salz das Geschehen in der Chronik der Pfarrei St. Mariae Heimsuchung Siegburg-Mülldorf.

Häuser an der Bonner Straße werden zerstört, in den Pfarrgarten schlagen neun Granaten ein. "Die ganze Nacht ging das Feuer weiter", so Pfarrer Salz. Er hat mit seiner Schwester und fünf Flüchtlingen, die er beherbergt, im Keller des Lindenhofes Schutz gesucht. "Am anderen Morgen waren Freude und Erstaunen gleich groß", schreibt Pfarrer Salz.

Die Gärten zwischen Pfarrhaus, Schule und Kirche sind zwar gründlich umgepflügt, aber die Kirche steht nahezu unversehrt da, ein paar Splittereinschläge ausgenommen. "Kein Volltreffer war in das Heiligtum gedrungen", so der Pfarrer in seiner Chronik.

Den zweiten Beschuss muss das Gotteshaus kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner über sich ergehen lassen. Einige Tage nach Ostern wird von einer deutschen Batterie von Siegburg aus auf die Kirche geschossen.

"Volksturmmännern bei der Batterie hatte... man gesagt; das Feuer sei eine Wiedervergeltung gegen den Pastor, der mit der weißen Fahne den Amerikanern entgegengegangen sei und der auch habe läuten lassen", steht es in des Pfarrers Chronik. Die Kirche bleibt bis auf einen Treffer ins Dach unbeschädigt.

Am nächsten Tag lässt Pfarrer Salz die Glocken läuten - "zum ersten Mal wieder zum Hl. Meßopfer", was lange Zeit verboten war. Laut Pfarrer Salz weckt das Läuten in Siegburg Wehmut und "Erwartung des baldigen Endes dieses Schreckens. Die Leute standen auf den Straßen und weinten."

Drei Wochen steht das damals zum Amt Menden gehörende Dorf in vorderster Frontlinie, weil die Amerikaner nicht weiter vorrücken. Auch das Steyler Kloster steht unter Beschuss und wird schwer beschädigt. Aber Pfarrer Salz bewahrt Kloster und Kirche vor der endgültigen Zerstörung.

Getreu dem Befehl Hitlers, nur "verbrannte Erde zu hinterlassen", wollen deutsche Pioniere das Kloster in die Luft sprengen. Der Pastor aber schafft es, sie davon abzubringen. Dann ist Friede. "Und doch kein Friede", schreibt Pfarrer Salz in seiner Chronik. "Die Luft erzittert noch immer von den großen Sprengungen, meist auf dem ehemaligen Flugplatzgelände."

Doch die Menschen stehen zusammen, helfen einander in einer schwierigen Zeit ohne Währung und Geld. So decken freiwillige Helfer das Dach der Mülldorfer Pfarrkirche wieder ein. Mehr als zehntausend Ziegel müssen dafür gelegt werden. Einen großen Teil davon stellt der ortsansässige Bauunternehmer Grönewald zur Verfügung. Gegen mäßige Vergütung habe man die Ziegel seiner Ziegeleischuppen verwenden dürfen, so Pfarrer Salz.

Fünf Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner in Mülldorf ziehen sich die Kämpfe insgesamt hin. Ganze Dörfer, etwa Eitorf und Uckerath, werden noch in Schutt und Asche gelegt. Am 13. April 1945 sind die Gefechte im Sieg-Kreis dann zu Ende.

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