Unterbringung in Sankt Augustin Engpass beim Personal der Flüchtlingseinrichtung gemeldet

Rhein-Sieg-Kreis · In der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge zeichnet sich offenbar ein Personalengpass ab. Der Betrieb könne ohne die aktuell als Kontaktperson in Quarantäne geschickten Mitarbeiter nicht aufrecht erhalten werden, heißt es vom Gesundheitsamt.

 Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen verlassen die  Zentrale Unterbringungseinrichtung in Sankt Augustin.

Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen verlassen die  Zentrale Unterbringungseinrichtung in Sankt Augustin.

Foto: dpa/Oliver Berg

In der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge in Sankt Augustin zeichnet sich offenbar ein Personalengpass ab. Dem Kreisgesundheitsamt liegen nach eigenen Angaben mündliche Anfragen vor, Mitarbeitern der ZUE Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, damit sie nach den Corona-Fällen weiter arbeiten können, obwohl sie als enge Kontaktpersonen (KP1) gelten. Die Kreistagsfraktion Die Linke hatte diese Pläne kritisiert und eine Zahl von 25 betroffenen Mitarbeitern genannt.

In der Telefon-Pressekonferenz des Rhein-Sieg-Kreises zur Corona-Pandemie vom Mittwoch ging Kreisgesundheitsamtsleiter Rainer Meilicke nicht näher auf die Personalsituation in der ZUE ein, wo 152 Bewohner und 13 Mitarbeiter mit dem neuen Coronavirus infiziert sind. Nach GA-Informationen machte das Gesundheitsamt aber auf den „relevanten Personalmangel“ aufmerksam, der ihm gemeldet worden sei. Der Betrieb könne ohne die aktuell als Kontaktperson in Quarantäne geschickten Mitarbeiter nicht aufrecht erhalten werden. Die Sonderregelungen für Personal kritischer Infrastruktur sind für fünf der genannten 25 Mitarbeiter nicht möglich, weil sie Sars-CoV-2 positiv getestet sind. Zwei weitere Mitarbeiter zeigen mittlerweile Krankheitssymptome. Damit sind sie Verdachtspersonen und dürfen ebenfalls nicht arbeiten.

Das interne Schreiben zeigt, dass das Kreisgesundheitsamt deutlich auf die erforderlichen Hygiene- und Schutzmaßnahmen in der Unterkunft hinweist. Es zeigt aber auch, dass die Lage insgesamt unübersichtlich ist, auch weil nicht alle 489 Flüchtlinge, die in der Landesunterkunft gemeldet sind, dort auch tatsächlich wohnen. So weist das Kreisgesundheitsamt darauf hin, dass das weitere Management und eventuelle Testungen der Bewohner, die nach Schleiden und Bonn umgezogen sind, nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Rhein-Sieg-Kreises liegen. Der Betreiber der Unterkunft müsse weitere Maßnahmen veranlassen.

Die Sicherheitsmaßnahmen an der ZUE Sankt Augustin sollen nach Angaben aus der Kreis-PK verstärkt werden. Ziel sei, die Einhaltung der Quarantäne zu sichern. Leider sei die Verständigung mit den Bewohnern sehr schwierig, so Gesundheitsamtsleiter Meilicke. Deshalb  liege auch die Kontaktverfolgung inzwischen in den Händen eines Sprachendienstes.

Unterdessen werden die Stimmen lauter, die eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten fordern. „Es ist einfach nicht zu verantworten, in dieser Pandemie-Zeit so viele Menschen auf so engem Raum unterzubringen. Ich verstehe, dass sie Angst haben und fühle mit ihnen“, sagte Superintendentin Almut van Niekerk. Die Theologin steht dem Evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein und seiner Diakonie vor. „Am meisten ärgert mich aber gerade, dass in den sogenannten Sozialen Medien Stimmung gegen die Geflüchteten gemacht wird. Dabei sind sie doch die Betroffenen“, so die Superintendentin. Mittelfristig gelte es, das System einer zentralen Unterbringung zu verändern.

Die FDP Sankt Augustin hatte bereits am Dienstag eine Verkleinerung der Sammelunterkünfte gefordert. Auch die Linke in NRW und im Kreis fordert „dezentrale Unterbringung statt Massenunterkünften“. Auf Landesebene äußerten sich Pro Asyl und der Flüchtlingsrat NRW ähnlich.

Unterdessen hat eine Studie der Universität Bielefeld bestätigt, dass in einer Flüchtlingsunterkunft das Risiko einer Ansteckung im Schnitt etwa so hoch ist wie auf einem Kreuzfahrtschiff. Das Virus könne sich rasch ausbreiten, wenn es einmal durch Bewohner oder Personal in die Unterkunft gelangt sei, sagte Studienleiter Kayvan Bozorgmehr der Deutschen Presse-Agentur. „Man muss unbedingt gewährleisten, dass die Unterbringung der Flüchtlinge coronaschutzkonform ist“, so Bozorgmehr. Aus Infektionsschutzsicht heiße das: Einzelzimmer und keine weitere gemeinschaftliche Nutzung von Küche, Dusche und WC durch mehrere Familien gleichzeitig.

Honnefer Jugendherberge wird zur Flüchtlingsunterkunft

Die Bezirksregierung Köln hat am Dienstag angekündigt, eine Unterkunft für Bewohner der ZUE anzumieten, die nicht infiziert sind. Wo diese ist, steht noch nicht fest. Das Land NRW hat nach Mitteilung der Bezirksregierung die Bad Honnefer Jugendherberge angemietet, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Bewohner der ZUE Sankt Augustin werden aber nicht dorthin umziehen. In der Jugendherberge sollen ab Ende Mai vor allem Familien und Menschen aus Risikogruppen untergebracht werden.

Mit Ausnahme der Situation in Sankt Augustin beschrieb Landrat Sebastian Schuster die Corona-Lage im Kreis am Mittwoch als überschaubar und moderat. Dass es gelungen sei, die Zahl der Neuinfektionen so niedrig zu halten, sei vor allem der Einsicht und Disziplin der Menschen zu verdanken, hob er hervor. Das Kreisgesundheitsamt hat ein Großprojekt bereits gestartet: Die präventiven Tests bei Bewohnern und Mitarbeitern von Altenheimen und beim Personal von Pflegediensten haben begonnen. Bis Ende der kommenden Woche würden insgesamt 10.000 Menschen auf das Coronavirus getestet, so Meilicke.

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