Sozialarbeiterin berichtet im Jugendhilfeausschuss Erziehungshilfe für 401 Kinder in Sankt Augustin

Sankt Augustin · Insgesamt nehmen die Fälle, in denen Kinder und Jugendliche auf staatliche Hilfe zur Erziehung angewiesen sind, zu. Die gute Nachricht: Diese Hilfe kommt an.

 Kindern eine gute Entwicklung zu ermöglichen, ist Ziel staatlicher Hilfe zur Erziehung. Hier schaukelt ein Mädchen vor einem Hochhaus.

Kindern eine gute Entwicklung zu ermöglichen, ist Ziel staatlicher Hilfe zur Erziehung. Hier schaukelt ein Mädchen vor einem Hochhaus.

Foto: picture alliance / Rolf Vennenbe

Die Praxisberichte von Edelgard Eßer, Fachdienstleiterin Soziale Dienste, und ihrem Team vom Bezirkssozialdienst sorgten im Sankt Augustiner Jugendhilfeausschuss für Unbehagen.

Eine Familie, deren Eltern mit dem eigenen Leben überfordert sind, zu viel Alkohol, Drogen, drohende Obdachlosigkeit, Gewalt, sechs Kinder, von denen drei selbst viel früh Eltern werden und aus dem Elternhaus fliehen, drei weitere Kinder, die nicht beschulbar sind, dazu eine völlig vermüllte Wohnung – was wie das fantasievoll erdachte Drehbuch des Nachmittagsfernsehens der Privatsender klingt, ist für die Kinder einer Familie aus Sankt Augustin grausame Realität. Eine Realität, der die heute 16-jährige Hannah (Name geändert) mit eigener Kraft nie hätte entfliehen können.

Die Praxisberichte von Edelgard Eßer, Fachdienstleiterin Soziale Dienste, und ihrem Team vom Bezirkssozialdienst sorgten im Jugendhilfeausschuss am Dienstagabend für Unbehagen. Aufgabe des Bezirkssozialdienstes im städtischen Jugendamt ist es, Hilfen zur Erziehung zu geben, einzuleiten, zu steuern oder zu begleiten. Eine Arbeit, die sehr individuell, zeit- und kostenaufwendig ist, erklärte Eßer: „Die passgenaue Hilfe ist wichtig, weil der Bedarf in Familien ganz unterschiedlich ist.“ Es sei schwierig, Eltern von der Notwendigkeit der Hilfen zu überzeugen. Doch die Mitwirkung der Eltern sei für den Erfolg der Erziehungshilfen umso wichtiger, berichtete die Fachdienstleiterin aus der Praxis.

Mit „Hilfe“ sei nicht unbedingt eine Heimunterbringung gemeint, betonte die Fachdienstleiterin: Ambulante Angebote wie soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand, sozialpädagogische Familienhilfen, aber auch teilstationäre Angebote wie Tagesgruppen zählen zu einem ganzen Bündel an Möglichkeiten mit dem Ziel, Kindern eine gute und sichere Entwicklung zu ermöglichen. Tatsächlich seien in einigen Fällen die stationäre Vollzeitpflege in Pflegefamilien, Inobhutnahmen oder gemeinsame Eltern-Kind-Wohngruppen notwendig. Insgesamt seien die Zahlen steigend, berichtet Eßer: Zum Stichtag 7. Juni waren 401 Kinder und Jugendliche auf staatliche Hilfe zur Erziehung angewiesen, davon 181 Kinder ambulant und 220 Kinder stationär.

Dass die Hilfe ankommt, das zeigten die Berichte der beiden Mitarbeiterinnen aus dem Team des Bezirkssozialdienstes, die zum Schutz ihrer Arbeit unerkannt bleiben möchten.

Sie berichteten etwa vom Fall einer drogenabhängigen zweifachen Mutter, die dank Hilfe der Stadt immer wieder stabilisiert wurde, um schließlich einen Entzug zu wagen und heute selbst zu erkennen, wenn sie und die Familie Hilfe benötigen. Und auch Hannah, das Mädchen aus einer besonders schwierigen Familie, sei auf gutem Weg, berichtete die Sozialarbeiterin: Die heute 16-Jährige, die selbst an der letzten Förderschule der Region abgewiesen wurde, kam zum Schutz vor der erdrückenden Not der Familie in ein spezielles Projekt mit einer Schule und einer Pflegefamilie in Irland.

Das war inklusive aller Flüge nicht nur günstiger als vergleichbare Angebote hierzulande, sondern durch die Entfernung der Insel sehr hilfreich, berichtete die Sozialarbeiterin: „Sie hat früher alles getan, um nicht in die Schule zu müssen, weil sie als Ausfallbürge der Eltern die jüngeren Geschwister mitversorgen musste. Aus dieser Situation musste sie raus. Bei einem Projekt in Deutschland wäre sie wieder nach Hause gefahren, um die Geschwister zu versorgen. Oder der Vater hätte sie aufgesucht und mitgenommen.“

Die Sozialarbeiterin flog selbst mehrmals nach Irland, um Hannah bei der Maßnahme zu unterstützen. Mit Erfolg: „Hannah hat eine tolle Entwicklung gemacht. Sie hat die Kurve gekriegt und macht nun ihren Abschluss, will hier weiterlernen und eine Ausbildung machen.“

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