Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin „Das könnte ein Hotspot wie im Kreis Heinsberg werden“

Sankt Augustin · Die Zahl der Corona-Fälle in einer Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin ist auf 129 gestiegen. Ordnungsamt und Polizei haben am Montag die Umzüge der Flüchtlinge in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) fortgesetzt, am Dienstag geht die Aufteilung weiter.

 Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen verlassen die Flüchtlingsunterkunft in der Zentralen Unterbringungseinrichtung ZUE Sankt Augustin.

Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen verlassen die Flüchtlingsunterkunft in der Zentralen Unterbringungseinrichtung ZUE Sankt Augustin.

Foto: General-Anzeiger

Tag zwei war für die Ordnungskräfte wieder lang: Am Montagabend waren die Umzüge innerhalb der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes (ZUE) in Sankt Augustin noch nicht abgeschlossen, am Dienstag geht die Aufteilung der Bewohner weiter. Seit der vergangenen Woche hatten sich zahlreiche Flüchtlinge mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert.

Am Montagvormittag lag die Zahl der von der Bezirksregierung Köln bestätigten Fälle bei insgesamt 129, davon 120 bei Bewohnern, drei beim Sicherheitsdienst und sechs beim Personal des Betreuungsverbands, zu dem auch Reinigungsdienst und Catering gehören.

Verlegung der Bewohner verlief nicht ganz unproblematisch

Bereits seit Samstag hatte der Bauhof der Stadt Sankt Augustin Bauzäune errichtet, um das Gelände der ehemaligen Medienzentrale der Bundeswehr in Bereiche abzuteilen. Am Sonntag begann das, was Experten Kohortierung oder Gruppenisolierung nennen: Die infizierten Bewohner werden in einem separaten Trakt der ZUE untergebracht. Dafür mussten viele Menschen umziehen, auch von denen, die sich noch nicht angesteckt haben.

Dieses Video ist Teil einer Kooperation zwischen dem GA und dem WDR.

Manche waren offenbar nicht leicht dazu zu bringen, zügig ihre Habseligkeiten in Taschen oder Müllsäcke zu packen und das angestammte Zimmer zu räumen. „Die Verlegung der Bewohner ist nicht ganz unproblematisch. Einige müssen überzeugt werden“, bestätigte Vanessa Nolte, Sprecherin der für die Landeseinrichtung zuständigen Bezirksregierung Köln. Es sei extra professionelle Hilfe von zwei Psychologen hinzugezogen worden.

Nach Angaben von Ordnungskräften vor Ort ging es zum Teil um lösbare Probleme, wie bei einer Mutter, die mit ihrem weinenden Kind lieber in ein schon vertrautes Zimmer umziehen wollte. Andere mussten ihre Matratzen mit in den Isoliertrakt nehmen, weil dort plötzlich welche fehlten.

396 Personen inklusive Personal getestet, 129 infiziert

Die zuständige Bezirksregierung Köln gab am Morgen den aktuellen Stand der Corona-Tests bekannt. Demnach wurden insgesamt 396 Personen inklusive Personal getestet. 80 Ergebnisse liegen noch nicht vor. In der ZUE Sankt Augustin sind 489 Flüchtlinge gemeldet. Von ihnen wurden nur 312 getestet. Die anderen wohnen nicht permanent in der Unterkunft, weil sie zum Beispiel bei Freunden untergekommen sind. „Da sie sich frei bewegen können, sind viele nicht immer anwesend. Das ist in jeder Landesunterkunft der Fall und unabhängig von Corona“, sagte Nolte.

Während bei den getesteten Bewohnern fast die Hälfte der ausgewerteten Abstriche positiv war (120 sind infiziert, 130 nicht), sieht das beim Personal anders aus. Die vorläufigen Ergebnisse für den Sicherheitsdienst: Von 33 getestete Personen haben sich drei mit dem Coronavirus angesteckt. Unter den 47 getesteten Betreuern sind sechs Personen positiv.

Am vergangenen Donnerstag war der erste Corona-Fall in der Landeseinrichtung bekannt geworden. Das Kreisgesundheitsamt hatte daraufhin einen Massentest durchgeführt. Die gesamte ZUE steht seit der vergangenen Woche unter Quarantäne.

Feuerwehr, Rettungsdienst und viele Sicherheitskräfte im Einsatz

Nach Auskunft von Ali Dogan, Chef des Krisenstabs der Stadt Sankt Augustin, ging der Einsatz des Ordnungsdienstes, der die Umzüge innerhalb der Einrichtung anweist, am Montag etwas langsamer voran als zunächst geplant. Die Stadt hatte bereits am Wochenende eine Einsatzleitstelle in der Nähe der Unterkunft aufgebaut, wo auch Kräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst bereit standen. Sie konnten am Montag abbauen, während die Sicherheitskräfte weiter dafür sorgten, dass niemand die umzäunte Einrichtung unerlaubt verlässt. Die Bezirksregierung hat den Sicherheitsdienst verstärkt, der sowohl auf dem Gelände, als auch außerhalb des Zauns kontrolliert.

Der Ordnungsdienst der Stadt setzt, bei Bedarf unterstützt von Beamten der Kreispolizei, seinen Einsatz in der Unterkunft am Dienstag fort. „95 Prozent der Bewohner waren kooperativ“, zog Ali Dogan am Montagabend Bilanz. „Einzelne wollten nicht akzeptieren, dass sie positiv getestet sind.“ Bei einigen Bewohnern habe sich allgemein Frust aufgestaut. Verhielt sich eine Person aggressiv, kam die Polizei auf das Gelände und konnte in allen Fällen die Situation beruhigen. Die Anspannung, vor allem um die Mittagszeit, löste sich wieder. Abends spielten Kinder im Garten Ball.

Aus Sicht des Krisenstabschefs ist die Zusammenarbeit mit den Betreibern der Landesunterkunft gut gelaufen. „Besser hätte man es in dieser Situation nicht machen können“, sagte Dogan. Es habe sich aber gezeigt: „Eine Unterkunft dieser Größenordnung ist im Pandemiefall ein Problem.“

Am Dienstag geht der Umzug weiter

Für Dienstag wird erwartet, dass Menschen nach Sankt Augustin zurückkehren, die in der ZUE zwar gemeldet sind, sich dort aber nur ihr Taschengeld abholen. An der Pforte wird protokolliert, wer wann die Unterkunft verlassen hat – was bis zur Quarantäne jederzeit möglich war. Der Krisenstab der Stadt Sankt Augustin hat gemeinsam mit dem Kreisgesundheitsamt einen Stichtag festgelegt. Laut Dogan sind 80 Prozent der Leute, die bei Familie oder Freunden untergekommen sind, schon so lange weg, dass sie nicht als Kontaktpersonen von Infizierten eingestuft werden. Sie müssen ihre Adresse hinterlassen und dürfen dann gehen.

Landrat Sebastian Schuster berichtete am Montag im Kreisausschuss, dass die Bekämpfung der Pandemie insgesamt erfolgreich sei. Die drei große Einsätze der vergangenen Tage seien gut gelaufen, aber mit unterschiedlichem Ergebnis. Während der Massentest in der Fleischindustrie keine Corona-Fälle brachte, schnellten die Zahlen in Sankt Augustin in die Höhe. „Das könnte ein Hotspot wie im Kreis Heinsberg werden“, so Schuster.

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