Mehrausgaben Kosten für Jugendhilfe in Sankt Augustin steigen drastisch

SANKT AUGUSTIN · Es ist ein typisches und trauriges Beispiel. Eine psychisch kranke alleinerziehende Mutter lebt in Sankt Augustin mit vier Kindern unter sechs Jahren in einem Haushalt. Immer wieder erreichen Polizei und Jugendamt Meldungen, die auf eine Vernachlässigung der Kinder hindeuten.

 Die Betreuung beispielsweise vernachlässigter Kinder kostet Sankt Augustin immer mehr Geld im Jahr.

Die Betreuung beispielsweise vernachlässigter Kinder kostet Sankt Augustin immer mehr Geld im Jahr.

Foto: dpa

Das Gericht macht der Mutter zur Auflage, die Hilfe des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen. Zwei Fachkräfte werden damit betraut, sich um die Familie zu kümmern - und das jeweils acht Stunden die Woche. Für die Kommune ist das ein hoher Kostenfaktor. Mit etwa 60 Euro wird eine Betreuungsstunde veranschlagt.

Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von zwei Jahren in so einem Fall kommen 92.000 Euro für diese ambulante Hilfe zusammen. Oder da ist der Fall eines sechseinhalb Jahre alten Kindes, dass aus der Familie genommen werden musste, weil die Eltern mit der Erziehung überfordert waren.

So stark, dass das Kind unter multiplen, gravierenden Störungen im Sozialverhalten leidet und das städtische Jugendhilfe-Team große Schwierigkeiten hatte, überhaupt einen Heimplatz zu finden. Ein einziger Träger mit einem hochintensiven heilpädagogisch-psychotherapeutischen Angebot erklärte sich bereit, das Kind aufzunehmen. Allein durch diesen Einzelfall muss die Stadt im Jahr nun 150.000 Euro zusätzlich aufbringen.

Der Grund für diese Entwicklung: Oft ist das erzieherische Potenzial der hilfebedürftigen Eltern nicht vorhanden, um selbst langfristig für Stabilität in der Familie zu sorgen. In immer mehr Fällen reicht die ambulante Hilfe nicht mehr aus. Weil es zudem immer weniger Pflegefamilien gibt, müssen viele Kinder in Heimen betreut werden.

Bei den stationären Hilfen verzeichnet das Sankt Augustiner Jugendamt allein für das vergangene Jahr einen Zuwachs von insgesamt 23 Fällen. Für einen Fall legt die Stadt Durchschnittskosten in Höhe von 4500 Euro monatlich zugrunde. Das bedeutet bei 23 Fällen 103 500 Euro, mithin Mehrkosten von 1,242 Millionen Euro im Jahr.

Es sind kalte, erschreckende Zahlen, die hinter traurigen Schicksalen stehen. Aber es ist Geld, das ausgegeben werden muss, um vernachlässigten Kindern noch Chancen zu eröffnen, ihr Leben doch irgendwie zu meistern. Höchst bedenklich dabei ist, dass die Fallzahlen und die Betreuungskosten - sei es bei der ambulanten Hilfe oder für die Unterbringung in Pflegefamilien und Heimen - landesweit kontinuierlich steigen. Nicht nur, weil es mehr Fälle gibt, sondern vor allem, weil die Betreuung intensiver wird.

Waren bei den ambulanten Hilfen 199 noch 49 Fälle in Sankt Augustin verzeichnet, sind es 2012 mit 124 mehr als doppelt so viel. Bei den stationären Hilfen - dazu zählen auch Pflegefamilien - stieg die Zahl in diesem Zeitraum von 108 auf 201 Fälle. Bei letzteren Fällen handelt es sich in einer Vielzahl der Fällen um Kindeswohlgefährdungen. Insgesamt waren im Jahr 2012 325 Kinder und Jugendliche in der Obhut des Sankt Augustiner Jugendamtes, 41 mehr als noch im Jahr davor.

Der Leitgedanke bei den Hilfen zur Erziehung ist, dass ambulante Hilfen Vorrang vor stationären Hilfen haben. Jedoch können damit keine Kosten gespart werden, weil in vielen ambulanten Fällen die Stundenkontingente sehr hoch geworden sind. Deshalb müssen Fälle auch an externe Träger übertragen werden, was zu Mehrkosten führt.

Laut Jugendamt wird sich die Situation in den kommenden Jahren auch nicht verbessern. Allerdings unternimmt die Stadt Anstrengungen, auf der Basis eines neuen Konzeptes die Zahl der Abbrüche von Pflegeverhältnissen zu verringern und mehr Pflegefamilien zu bekommen, um die Zahl der Heimunterbringungen zu reduzieren. "Das kann allerdings keine kurzfristigen Effekte erzielen", so das Jugendamt.

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