GA-Serie 40 Jahre Sankt Augustin Kultur hält Sankt Augustin zusammen

Sankt Augustin · Götz George, Hannah Schygulla und Will Quadflieg waren auf den Bühnen in Sankt Augustin zu Gast. Auch wenn der Kultur-Etat eher kleiner wird: Der Bedarf der Bürger an Theater oder Kleinkunst ist nach wie vor groß.

Straßen, Kitas und Schulen – all das muss stimmen, damit aus einer gerade neu geordneten Gemeinde eine Stadt werden kann. Aber das ist es nicht allein. „Wir mussten für die acht Gemeinden eine Identität mit ihrer neuen Stadt schaffen“, erinnert sich Bert Stroß, der auch schon 1977 in der Sankt Augustiner Stadtverwaltung arbeitete und 1992 Chef des Kulturamtes wurde. Für diese Identität sollte vor 40 Jahren ein ansprechendes kulturelles Konzept entwickelt werden. Mit der Stadtwerdung seien die Möglichkeiten groß gewesen, etwas zu tun. Und so entstanden die Musikschule, das Stadtarchiv sowie die Stadtbibliothek – und ein Kulturprogramm, das sich bis heute nicht zu verstecken braucht.

Den Grundstein dafür hätten Jürgen Schmidt, Günter Holland, Annette Gandesbergen und Christel Masemann gelegt, erinnert sich Stroß an seine Vorgänger. Schon 1970 habe man in der Mendener Aula eine erste Veranstaltungsreihe etabliert. „Das war immer ein ganz großes Event, zu dem die Menschen in feinster Abendkleidung kamen“, sagt Stroß. Die 1970er Jahre seien die Hoch-Zeit des so genannten Tournee-Theaters gewesen. Alles, was Rang und Namen hatte, gastierte auch in Sankt Augustin, und das ist eigentlich bis heute so geblieben.

Ob Will Quadflieg, Elisabeth Flickenschild, Hannah Schygulla oder Götz George – sie alle waren da, und viele von ihnen sind gerne wiedergekommen. Viele Städte seien in einer ähnlichen Situation gewesen, Kultur ohne eine eigene Veranstaltungshalle etablieren zu müssen, so Stroß. In den Sälen wurde Klassik neben Boulevard präsentiert und von den Sankt Augustinern sehr gut angenommen.

1972 wurde der Theatersaal des Rhein-Sieg-Gymnasiums eingeweiht, natürlich vor dem Hintergrund, mit der Kultur die acht Ortsteile enger zusammenzuführen. Die städtische Musikschule bestand schon seit 1971 und die Stadtbibliothek kam 1973 hinzu.

Etat kleiner, Bedarf gleich groß

Auch wenn der Kultur-Etat – in diesem Jahr sind es 127.500 Euro – eher kleiner wird: Der Bedarf an Theater oder Kleinkunst sei nach wie vor da, sagt der heutige Leiter des Fachbereichs Kultur, Torsten Ehlert. Man habe kleinere Änderungen durchgeführt wie zum Beispiel die Wahlmöglichkeiten in festen Abos. „Bis heute liegen die Zuschauerzahlen in Sankt Augustin mit über 700 Abonnements weit über dem Landesdurchschnitt“, so Ehlert.

1989 sei mit dem Haus Menden ohnehin eine Spielstätte als Glücksfall hinzugekommen, erinnert sich Stroß. Bis dahin seien in dem historischen Gebäude der Tanzsaal und die Kegelbahn der Gaststätte Helikum untergebracht gewesen. „Es gab die Überlegung, dort ein Heimatmuseum zu etablieren. Wir sind froh, dass es eine Spielstätte für Kabarett, Kleinkunst und Comedy geworden ist“, freut sich Stroß. Es sei der ideale Saal auch für musikalisch-literarische Veranstaltungen. „Einen derart schönen Ort sucht man selbst in Großstädten lange“, ist Ehlert überzeugt.

Kerstin Haase: Eine Frau für alle Fälle

Dass auch die prominenten Künstler immer wieder gerne nach Sankt Augustin zurückkehren, könnte auch an Kulturamtsmitarbeiterin Kerstin Haase liegen. Sie ist seit 18 Jahren für die Rundumbetreuung der Künstler zuständig und kann das eine oder andere aus dem Nähkästchen plaudern. So war sie Chauffeurin für Senta Berger, die am Samstagabend in Sankt Augustin verpflichtet war, am Sonntagmorgen jedoch in Hamburg zu einer Matinee musste. Flüge gab es nicht, Haase sprang ein und hatte eine „ausgesprochen unterhaltsame Fahrt“ zum Hotel Atlantik. „Ich habe dann noch Udo Lindenberg kurz begrüßt und musste ab sofort bei Senta Berger nicht mehr lange werben, wenn wir sie wieder verpflichten wollten“, meint Haase schmunzelnd.

Die drei sind sich einig: „Je bekannter und etablierter die Künstler sind, desto netter und unkomplizierter ist der Umgang mit ihnen.“ So sei es für Friedrich von Thun kein Problem gewesen, seine Lesung vor einem Bühnenbild der Ballettschule zu präsentieren, erinnert sich Stroß, der das alles auch auf die gute Atmosphäre im Kulturteam zurückführt. Das bestätigt Haase. „Wenn Sie in Hamburg anrufen und die Künstler in die Weltstadt mit Herz nach Sankt Augustin einladen, dann haben die schon Spaß“, meint sie schmunzelnd.

Auch Hartnäckigkeit scheint zu den Eigenschaften des Augustiner Kulturteams zu gehören. Es habe zehn Jahre gedauert, bevor Esther Ofarim nach Sankt Augustin gekommen sei. „Ich saß im Publikum und habe geweint“, meint Haase, „denn ich wusste: Der Stroß sitzt jetzt auch mit roten Bäckchen da und strahlt.“ Das tat er auch, wie er bestätigt. Für Torsten Ehlert gibt dass Hoffnung, seinen Traumkandidaten Matthias Brandt nach Sankt Augustin zu holen. „Leider drehen die bekannten Schauspieler ununterbrochen, und in den kurzen drehfreien Zeiten stehen natürlich alle Schlange.“

Abo-Reihe startet

Die Planungen für die Kultursaison 2018/19 sind schon abgeschlossen, und das Team freut sich jetzt auf den Theaterstart der diesjährigen Abo-Reihe, über die rund 60 Prozent der Karten verkauft werden. Auch in der aktuellen Saison sind natürlich bekannte Namen unter den Protagonisten Tom Gerhardt, Jochen Busse, Bernd Stelter und Michaela May.

Daneben gibt es die Weltmusikreihe im Kloster oder die Sommerabende im Klostergarten, Kinderaufführungen, Veranstaltungen im Sankt Augustiner Mai und die Werkstattkonzerte in der Kunsthalle in Hangelar. Dass sich auf dem neu gestalteten Markt eine neue Open-Air-Kultur entwickeln könnte, sehen die Verantwortlichen durchaus. „Es wäre auf jeden Fall einen Versuch wert“, sagt Ehlert. „Zum Nulltarif ist das aber nicht zu haben.“

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