Wohnen in Menden Eklat um Informationspolitik der Stadt Sankt Augustin

Sankt Augustin · Die Debatte um den Verkauf des Wohnquartiers auf einem ehemaligem Gärtnereigelände in Sankt Augustin-Menden ist im Stadtrat zum Eklat geraten. SPD und FDP haben in einer Akteneinsicht herausgefunden, dass die Verwaltung offenbar vorsätzlich falsch informiert hat.

 Über den Verkauf des früheren Gärtnereigeländes in Menden debattiert die Sankt Augustiner Politik.

Über den Verkauf des früheren Gärtnereigeländes in Menden debattiert die Sankt Augustiner Politik.

Foto: Holger Arndt

Wer hat in der Spitze der Stadtverwaltung angeordnet, der Presse und dem Stadtrat offenbar vorsätzlich unwahre Informationen über den Zeitpunkt des Verkaufs des ehemaligen Gärtnereigeländes in Menden mitzuteilen? Drei Mal stellte die SPD-Fraktion am Mittwochabend im Sankt Augustiner Stadtrat diese Frage. Jedes Mal blieben Bürgermeister Max Leitterstorf und seine beiden Co-Dezernenten eine Antwort schuldig.

Erst nach GA-Recherchen war der Politik bekannt geworden, dass der Projektentwickler Wohnkompanie NRW das 2,1 Hektar große Areal der ehemaligen Gärtnerei Werner an das Essener Wohnungsunternehmen Vivawest verkauft hat. Dort sollen rund 200 Wohneinheiten entstehen, allerdings mit unterschiedlichen Eigentümern. Über die im Raume stehenden gravierenden Veränderungen auf dem Areal hatte das Technische Dezernat weder den Bürgermeister noch den zuständigen Ausschuss für Umwelt und Stadtentwicklung informiert.

Als der GA wissen wollte, seit wann genau die Verwaltung vom Verkauf wusste, hatte Stadtsprecherin Carolin Trost am vergangenen Freitag mitgeteilt: „Vivawest hat in dieser Woche Kontakt mit der Verwaltung aufgenommen. Ein erstes Gespräch fand am 26.10.21 zwischen Vivawest, dem bisherigen Vorhabenträger und der Verwaltung statt.“ Am Samstag dann waren die Presseanfrage mitsamt der städtischen Beantwortung zur Information an alle Ratsmitglieder versendet worden. Diese Antwort stimmte so nicht und war offenbar auf Anweisung eines hochrangigen städtischen Mitarbeiters ins Unwahre verändert worden. Das haben SPD und FDP nach gemeinsamer Akteneinsicht vor der Ratssitzung herausgefunden.

Für SPD-Fraktionschef Marc Knülle ist es ein „nie dagewesener Vorgang“. So habe das Technische Dezernat nicht nur bereits deutlich früher von einem eventuellen Verkauf gewusst, wie Knülle in einer Auflistung aller Ereignisse ab 1. Oktober schilderte. Aus der Akteneinsicht gehe hervor, dass die ausdrückliche Anweisung gegeben worden sei, einen bereits erstellten Entwurf für eine ausführliche und wahrheitsgemäße Beantwortung der GA-Anfrage abzuändern und aus „der richtigen Information eine unrichtige Information zu machen. Das ist ein Umgang mit der Öffentlichkeit – das finde ich skandalös.“

Scharfe Kritik an Kommunikation

Weil Informationen ausblieben und später auch falsche Informationen an den Rat geschickt worden waren, sah auch FDP-Fraktionschefin Stefanie Jung „die Gepflogenheiten der Kommunikation zwischen Verwaltung und Politik auf das Gröbste missachtet.“ Bereits bei früheren Bauprojekten hatte die FDP die Nicht-Kommunikation scharf kritisiert, erinnerte Jung: „Es zieht sich wie ein roter Faden durch fast jedes Projekt des zuständigen Dezernates, dass die Informationsrechte des Rates unterminiert werden.“

Der Einschätzung der Grünen, dass die Kommunikation „nicht gut gelaufen“ sei, schloss sich auch die CDU-Fraktion an und erinnerte an die Festsetzungen im städtebaulichen Vertrag, die eine Vielfalt der Eigentümerstruktur ausdrücklich vorsahen. Ob sich der neue Eigentümer daran halten wolle, sei unklar, warnte Marc Knülle für die SPD: „Der neue Investor sichert sich insoweit ab, als dass der Verkäufer alle Schadensersatzanforderungen oder Strafen aus dem städtebaulichen Vertrag zu tragen hat – also eine Gesellschaft, die für das Projekt gegründet wurde und alle Immobilien abgegeben hat, und wo ich mich frage, inwieweit die in Zukunft noch solvent sein wird.“

Dass Bürgermeister Max Leitterstorf nach lebhafter Debatte „drei Ziele“ für die weitere Entwicklung des Areals definierte, also die heterogene Eigentümerstruktur, die Priorisierung des Kindergartenbaus und eine Unterstützung der Stadtwerke, irritierte die SPD: Genau diese Ziele hätten Bürger und Politik vor Jahren vereinbart und im städtebaulichen Vertrag verankern lassen.

Investor soll Absichten vorstellen

Einigkeit herrschte darüber, dass die inhaltliche Debatte und die Beantwortung vieler neuer Fragen über die Zukunft des Wohnviertels im zuständigen Ausschuss für Umwelt und Stadtentwicklung am 17. November fortgesetzt werden soll. Dann soll auch der Investor, der nach GA-Informationen bereits zur Ratssitzung erst ein- und dann wieder ausgeladen worden war, die Gelegenheit erhalten, seine Absichten vorzustellen.

Ob die Stadt fristgerecht bis zum 8. Januar 2022 von ihrem Vorkaufsrecht für Teilflächen Gebrauch machen will, soll noch geprüft werden. Offen ist auch, inwieweit die Stadtwerke weiter Teil des Projektes sein könnten, nachdem der neue Eigentümer selbst Energieversorger und Energieerzeuger ist. Nach Recherchen von SPD und FDP würde ein Ausstieg des städtischen Energieversorgers aus dem „energetischen Leuchtturmprojekt“ einen „erheblichen Schaden“ in sechsstelliger Höhe verursachen.

Während sich Bürgermeister Max Leitterstorf das Thema der Kommunikation „zu Herzen nehmen“ will und die Kritik „deutlich mitgenommen“ hat, erinnerte der kritisierte Technische Beigeordnete Rainer Gleß an die Bedeutung des Vorkaufsrechts: „Wir haben noch keinen neuen Eigentümer. Es ist ein Kaufvertrag geschlossen worden, aber der ist noch nicht rechtskräftig.“

Gleß bestätigte, bereits am 1. Oktober im Gespräch zwischen Eigentümer und Projektentwickler vom Verkauf erfahren zu haben. Vor einer Information an die Politik habe er „Zahlen und Daten" sammeln wollen, um diese umfangreich vorbereiten zu können. Die SPD kritisierte, dass Gleß das Gespräch am 1. Oktober ohne weiteren Vertreter der Stadt durchgeführt habe, wie es in eine Dienstanweisung zur Korruptionsbekämpfung vorsehe. Dazu Gleß: „Ich habe den Termin allein geführt und mir steht das Recht zu, zu entscheiden, ob ich den Termin allein führe.“ Die SPD beauftragte die Verwaltung, dies überprüfen zu lassen.

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