Sankt Augustins Bürgermeister in der Kritik Millionenzahlung ohne Prüfung

Sankt Augustin · Der Bau der Flüchtlingsunterkunft „Am Schützenweg“ in Niederpleis entwickelt sich zum Skandalprojekt für die Stadt Sankt Augustin. Das geht aus dem Sachstandsbericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) zur „Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen“ hervor.

 Massive Fehler bei der Statik und ein fehlendes Brandschutzkonzept hat ein Sachverständiger bei der Flüchtlingsunterkunft „Am Schützenweg'“ in Sankt Augustin festgestellt. Sogar ein Abriss droht.

Massive Fehler bei der Statik und ein fehlendes Brandschutzkonzept hat ein Sachverständiger bei der Flüchtlingsunterkunft „Am Schützenweg'“ in Sankt Augustin festgestellt. Sogar ein Abriss droht.

Foto: Holger Arndt

Darin wird auch Bürgermeister Klaus Schumacher wegen der Vergabe und Abrechnung von Bauaufträgen heftig kritisiert. So schreibt RPA-Leiter Peter Fey unter anderem: „Am 1. April erwirkte die Stabstelle 4/20 (Fachbereich Wohnen, Anm. d. Red.) eine Freigabe der Zahlungen durch den Bürgermeister.

Am 5. April und 6. April wurden die Abschlagsrechnungen von jeweils 232 050 Euro (Gesamt 464 100 Euro) ohne Mitzeichnung und trotz Bedenken der örtlichen Rechnungsprüfung an die Fa. Aipox AG ausgezahlt.“

Das RPA präsentiert den Bericht, der dem General-Anzeiger vorliegt, in zwei Wochen im nicht-öffentlichen Teil des Rechnungsprüfungsausschusses. Selbst verwaltungsintern sprechen Mitarbeiter von einem Skandal und befürchten im schlimmsten Fall einen Abriss des Rohbaus. Schumacher hat seinen Urlaub abgebrochen, laut Stadt sagte er am Donnerstag „umfassende Aufklärung“ zu.

Der Bürgermeister wird dann auch erklären müssen, warum der Fachbereich Wohnen laut RPA-Bericht seit „Oktober 2015 33 Vergaben mit einem Gesamtvolumen von rund 1,25 Millionen Euro entgegen der städtischen Vergabeordnung und der Rechnungsprüfungsordnung ohne Beteiligung der zentralen Vergabestelle sowie der örtlichen Rechnungsprüfung erteilt“ hat. Schumacher lässt die Vergabepraxis laut Mitteilung nun von einem unabhängigen Dritten prüfen. Die Stadt teilte am Donnerstag dazu mit, dass „aufgrund der hohen Arbeitsbelastung“ die Vergabevermerke und die Beteiligung des RPA häufig erst anschließend erfolgten.

Wie berichtet, ruht der Bau „Am Schützenweg“ wegen Baumängeln. Ursprünglich sollten dort bis Jahresende in einer Notunterkunft des Landes 350 Flüchtlinge untergebracht werden. Im RPA-Bericht schreibt der eingesetzte Sachverständige: „Es sind massive Abweichungen zur Statik und zum Brandschutz erkennbar. Ein Brandschutzkonzept wurde darüber hinaus nicht vorgelegt.“ Zudem geht das RPA davon aus, dass der Stadt durch die Baumängel ein Schaden in nicht absehbarer Höhe entstanden ist, der aus Sicht des RPA vermeidbar gewesen wäre.

Anders als sonst üblich hatte in diesem Fall nicht das Gebäudemanagement die Hoheit über den Bau. Wegen fehlender Kapazitäten übernahm der Fachbereich Wohnen in Verantwortung von Sozialdezernent Marcus Lübken das Projekt.

Das RPA schreibt: „Wenn die Baumaßnahme, wie auch sonst üblich, durch einen Projektleiter des technischen Dezernates oder durch ein externes Planungsbüro als Erfüllungsgehilfen des Bauherrn betreut worden wäre, hätten die Mängel frühzeitiger erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.“ Und: Eine fachtechnische Prüfung fehle gänzlich, die Stadt gehe ein sehr hohes Risiko.

Vor allem vier gravierende Versäumnisse fasst der Bericht zusammen. Erstens: Das RPA sowie die Vergabestelle sind nicht im erforderlichen Maße einbezogen worden. Zweitens: Ein ordnungsgemäßes Verfahren und die rechtssichere Abwicklung wurden noch nicht gewährleistet. Drittens: Das Vieraugen-Prinzip ist nicht im erforderlichen Maß sichergestellt worden. Und viertens: Ein internes Kontroll- und Steuerungssystem ist nicht vorhanden.

Schumacher teilte am Donnerstag mit, dass er Steuerungsinstrumente schaffen wolle, damit die Verwaltung nicht wie im Vorjahr unvorbereitet von der Unterbringung von Flüchtlingen getroffen werde. Das RPA weist darauf hin, dass der Rat dieses Früherkennungssystem schon am 9. Dezember verabschiedet habe, der Verwaltungsvorstand – bestehend aus Schumacher und den Beigeordneten Rainer Gleß und Lübken – es aber erst am 10. Mai auf den Weg gebracht habe. „Fast ein halbes Jahr später“, schreibt Fey.

Und: Die Stadt rechnet laut RPA nicht im möglichen zeitnahen Rahmen – also monatlich – ab. So habe die Stadt etwa für 2015 die erste Rechnung erst am 26. Februar 2016 vorgelegt.

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