Barrierefreiheit in Sankt Augustin Mit dem E-Rolli durch Sankt Augustin

Sankt Augustin · Rebecca Behringer ist jeden Tag mit ihrem Rollstuhl in der Stadt unterwegs. Für den General-Anzeiger macht sie einen Test, wie behindertenfreundlich die Stadt ist.

 Im Stadtzentrum: Rebecca Behringer hat es auf die Marktplatte in Sankt Augustin geschafft

Im Stadtzentrum: Rebecca Behringer hat es auf die Marktplatte in Sankt Augustin geschafft

Foto: Hannah Würbel

Mit sieben Stundenkilometer fährt Rebecca Behringer über den Bürgersteig an der großen Kreuzung zwischen Hennefer und Bonner Straße in Sankt Augustin. Sie kennt den Weg. Dank ihres Elektro-Rollstuhls kann sie sich seit ein paar Jahren selbstständig fortbewegen und ist nicht mehr auf Begleitung angewiesen. „Das war eine große Erleichterung für mich“, erzählt sie. Jetzt ruft sie nur noch einmal „Tschüss“ und ist schon durch die Haustür ihres Wohnheims gefahren. Heute zeigt sie, an welchen Ecken sie ohne Probleme zurechtkommt und wo es für Menschen mit Handicap schwieriger ist, am Straßenverkehr teilzunehmen.

Die 35-Jährige rollt zunächst die Uhlandstraße in Sankt Augustin-Ort entlang. Am Ende des Weges kreuzt sich die Straße mit dem Radweg der Bonner Straße. Vorsichtig tastet sie sich an die Ecke heran, an der ein Mauerpfeiler steht. Die Sicht ist stark eingeschränkt. Erst im letzten Augenblick sieht sie hier herannahende Radfahrer. „Diese Situationen erlebe ich häufig“, berichtet sie. „Wenn man die Straße überqueren will, steht man oft bereits darauf.“ Um eine Kollision zu vermeiden, muss sie sich hier vorbeugen und sehr langsam vorfahren, bis sie den Weg überblicken kann. Fehlende Sicht ist grundsätzlich ein Problem. Will sie im Hit-Markt (Alte Heerstraße) einkaufen gehen, fährt sie meistens einen Umweg. „Sonst muss ich hinter parkenden Autos entlangfahren. Das mache ich ungern, aus Sorge, dass mich ein Autofahrer einmal übersieht.“

Einkaufen ohne große Probleme

An der Sankt Augustiner Kreuzung angekommen, drückt sie den Knopf an der Ampel. Hier ist genug Platz für den Rollstuhl, und geduldig wartet sie, bis die Ampel auf grün schaltet. Die Wege sind gut geteert und sie gleitet federleicht über den Asphalt. Doch die Ruhe währt nicht lange. Auf dem Fuß- und Radweg zwischen Kinderkrankenhaus und Frida-Kahlo-Schule warten gravierende Bodenwellen auf sie. Durch darunterliegende Wurzeln ist der Weg beschädigt und uneben. Mit dem E-Rollstuhl meistert Behringer diese Hindernisse in langsamem Tempo. Alle zwei Wochen nehme sie diesen Weg, um am E-Hockeytraining in der Schule teilzunehmen und habe sich bereits an die Unebenheiten gewöhnt. Mit dem Hockeyteam der Schule nimmt sie sogar an Turnieren in ganz Deutschland teil. Mit einem extra Sportprogramm kann ihr Rollstuhl auf bis zu zwölf Stundenkilometer beschleunigen und schnell wenden und bremsen.

Lange hatte sie auf die Bestätigung durch ihre Krankenkasse gewartet, dann kam der Brief. „Ich habe spät abends noch meine Mutter angerufen, um ihr davon zu berichten“, erzählt sie mit strahlenden Augen. Für Menschen, die ohne elektrische Hilfe hier entlang fahren müssen, seien die Bodenwellen sehr beschwerlich, betont die junge Frau. Und nicht nur hier sind diese Hindernisse zu finden, auch auf dem Fußweg entlang der Hennefer Straße und der Hauptstraße.

Sie dreht um, will durch das Stadtzentrum fahren. Eine kleine Runde zeigt, hier sind die Wege sehr eben und gut zu befahren. Im neu gebauten Huma kann Behringer ohne große Probleme einkaufen und auch um Hilfe bitten. Auch die renovierte Straßenbahnhaltestelle stellt kein Hindernis dar. Das Straßenbahnfahren ist für sie generell einfacher geworden. Am Anfang seien einmal die Hinterräder des Rollstuhls im Spalt zwischen Bahn und Bahnsteig hängen geblieben. Das habe ihr einen Schrecken eingejagt. „Ich weiß aber jetzt, dass ich viel Gas geben muss, um gut in die Bahn zu kommen“, so Behringer. Bus fährt sie allerdings ungern. Sie erlebte bereits, dass der Busfahrer zunächst nicht ausstieg, um ihr zu helfen, und ihr dann auch noch „quer kam“. Diese oder ähnliche Situationen ärgern sie.

Jeden Tag viel unterwegs

Behringer ist immer viel unterwegs. Montags bis freitags arbeitet sie in der Elektromontage in Troisdorf, trainiert Hockey und hat natürlich auch Verpflichtungen in ihrer Wohngemeinschaft. Auf dem Rückweg dorthin fährt sie noch einmal am Bankautomaten vorbei. Dank des höhenverstellbaren Sitzes ihres Rollstuhls kann sie auch hier gut die Tasten und Knöpfe des Automaten bedienen. Ohne diese Hilfe reicht sie aber kaum an die Bildschirmtasten. „Ich glaube, ohne Hilfe könnte ich den Automaten nicht bedienen.“

Doch obwohl ihr der E-Rolli vieles ermöglicht, kommt sie manchmal trotzdem an ihre Grenzen. Ob beim Bäcker oder beim Arzt, überall hindern sie Treppenstufen daran, ein Gebäude zu betreten. Manchmal wäre dies sogar nach einer Renovierung der Fall, bedauert die 35-Jährige. Manchmal muss sie Umwege nehmen, weil Absenkungen mancher Bordsteine fehlen, wie an der Ecke zwischen Boelckestraße und Uhlandstraße. Gibt es Absenkungen, orientiert sie sich an Gullis oder Grashalmen, um den am besten geeigneten Winkel zu finden. Sie kennt ihre Wege und weiß, wie sie sie am besten fahren kann. Doch muss sie einmal eine andere Strecke nehmen, stellt sich ihr nach wie vor so manch ein Hindernis in den Weg.

Schäden, Hindernisse im Straßenverkehr oder Beschwerden können unter 022 41/24 35 89 oder per Mail an beschwerden-ideen@sankt-augustin.de gemeldet werden.

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