Sankt Augustin muss Betreuung anders organisieren Neue Pläne für Kinder mit Handicap

SANKT AUGUSTIN · Nach dem neuen Kinderbildungsgesetz, Paragraf 8, gibt es faktisch keine integrativen Kindergärten mehr. In allen Kitas sollen Kinder mit Handicap aufgenommen werden. Jedes Kind soll den Kindergarten besuchen können, in dem es die Eltern anmelden möchten. Hört sich gut an, ist aber in der Praxis schwierig umzusetzen.

 Bewegungstherapie: Rihana (von links), Pascal und Kira (hinten) mit ihrer Therapeutin Annette Weilhammer-Liese im Familienzentrum Sternschnuppe.

Bewegungstherapie: Rihana (von links), Pascal und Kira (hinten) mit ihrer Therapeutin Annette Weilhammer-Liese im Familienzentrum Sternschnuppe.

Foto: Michael Lehnberg

Wenn dann noch der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sein Fördersystem umstellen, integrative Gruppen mit fest angestellten Therapeuten abschaffen und dafür eine Kindpauschale in Höhe von 5000 Euro pro Jahr einführen will, wird es richtig problematisch. Das führe zu massiven Nachteilen, befürchten die bisherigen integrativen Kitas.

Die Stadt Sankt Augustin hat nun darauf reagiert und will ab dem Kindergartenjahr 2015/16 Plätze für förderbedürftige Kinder bündeln. Jeweils fünf Kinder sollen in dafür geeigneten Kitas betreut werden. Das beschloss der Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am Mittwoch. "Wir wollen natürlich, dass das die Kitas sind, die bisher auch schon inklusiv gearbeitet haben", sagte Sandra Clauß, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend, Schule.

Diese sogenannte Bündelung bezieht sich nicht auf alle förderbedürftigen Kinder, sondern auf 60 Prozent. 40 Prozent des prognostizierten Bedarfes an inklusiven Plätzen bleiben der Einzelinklusion vorbehalten. Will heißen: Diese einzelnen Plätze müssen in der Kindertagespflege oder in den für die Bündelung nicht vorgesehenen Kitas geschaffen werden.

"Der LVR plant leider nicht das Beste für die Kinder mit Förderbedarf, aber wir schaffen es mit der Bündelung wenigstens, qualifiziertes Personal vorzuhalten", sagte Clauß. Die Stadt wolle aber auch Einzelinklusion möglich machen, weil das eher dem Wunsch der Eltern auf eine Kita in Wohnortnähe entgegenkomme. Allerdings fehle es den Kitas mit Einzelinklusion vielfach an entsprechendem Fachwissen. Auch sei Personal für eine kurzfristige Förderung kaum befristet zu finden.

Der Bedarf für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf liegt in Sankt Augustin im Kitajahr 2015/16 bei 87 Plätzen. 75 entfallen auf die Ü3-Kinder, zwölf auf Kinder unter drei Jahren. 50 Betreuungsplätze sollen der Bündelung vorbehalten bleiben. 37 Plätze müssen dann noch geschaffen werden. Allerdings fehlen für die Bündelungen noch Gruppen, was Überbelegungen notwendig macht. Allerdings sind neue Kitas geplant, so jeweils eine in Menden, in Buisdorf und in Niederpleis. Überdies sollen künftig auch in der Kindertagespflege Plätze für Kinder mit Behinderungen angeboten werden.

Das Konzept mildert die zu erwartenden Probleme zwar ein wenig ab. Dennoch ist vor allem den bisherigen integrativen Kitas damit wenig geholfen, sollte der LVR sein neues Fördersystem 2016 einführen. "Das nimmt uns jegliche Flexibilität", sagt Annette Wagner. Die Leiterin des Familienzentrums Sternschnuppe in Mülldorf hatte dem Ausschuss die Konsequenzen der geplanten neuen LVR-Regelung erläutert.

"Da fehlt der ständige Austausch und die Nähe, wenn die Therapeuten von außen kommen und nach Rezept bezahlt werden." Dadurch habe man auch einen deutlich höheren bürokratischen Aufwand. "Kleine Hilfestellungen sind auch nicht mehr möglich", so Wagner. Und dass Therapeuten einspringen, wenn Pädagogen mal ausfallen, sei auch nicht mehr möglich. "Überdies geht der ganzheitliche Blick verloren", kritisiert Wagner.

"Auf Kosten der Kinder geht das alles", meint CDU-Fraktionschef Georg Schell. Denis Waldästl (SPD) sprach von einem "Kürzungsprogramm auf dem Feld der Inklusion". Die geplante Änderung führe zu einem Qualitätsabbau in den Kindertagesstätten.

Der Ausschuss stimmte dem SPD-Antrag zu, den LVR aufzufordern, seine Pläne zurückzunehmen. Zudem wird die Verwaltung gebeten, dem Stadtrat in der nächsten Sitzung eine entsprechende Resolution vorzulegen.

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