GA-Serie "Mein Verein" Niederpleiser Schützen kämpfen für ein besseres Image

Sankt Augustin · „Schießsport hat nichts mit Ballern zu tun“: Die Sankt-Antonius-Schützenbruderschaft Niederpleis versucht der Spagat zwischen Tradition und Moderne.

 Konzentration am Schießstand: (von links) Werner Klihm, Dorothee Bittner, Manfred Bittner und Nadine Reichelt.

Konzentration am Schießstand: (von links) Werner Klihm, Dorothee Bittner, Manfred Bittner und Nadine Reichelt.

Foto: Martina Welt

Die Atmosphäre am Schießstand im Niederpleiser Schützenhaus ist still und konzentriert. Am Pult sitzt der zukünftige Schützenkaiser Werner Klihm. Sorgfältig bereiten die Schützen ihr Sportgerät vor. Die Sicherungen werden entfernt. Hinter der gut schallisolierten Glasscheibe hört man in unregelmäßigen Abständen ein leises Ploppen, welches aus den Luftdruckgewehren der Protagonisten kommt.

Es ist Mittwochabend, die Schützen trainieren. Einige von ihnen sind fast jede Woche unterwegs zu Wettkämpfen. Für Nadine Reichelt (23) steht ein Höhepunkt bevor, nämlich die deutschen Meisterschaften, für die sie sich seit 2012 bisher jedes Jahr qualifiziert hat. Ihre beste Platzierung war ein achter Rang mit der Luftpistole. Nadine Reichelt ist im Moment die Vorzeigeschützin bei den Sankt- Antonius-Schützen in Niederpleis. „Nadine ist die erste Schützin, die auch internationale Wettkämpfe bestreitet“, sagt Dorothee Bittner, stellvertretende Geschäftsführerin des Traditionsvereins.

So sehr die Schützen ihr historisches Brauchtum schätzen und pflegen: Sie setzen auch auf Veränderung und Modernisierung. Zum Jahresbeginn wurde die elektronische Trefferanlage in Betrieb genommen und wird seither rege von den rund 70 aktiven Schützen genutzt, sagt der Brudermeister und Vorsitzende Manfred Bittner (72).

Er würde sich wünschen, dass der Ruf der Schützen ein anderer wäre, denn für ihn waren Waffen fast sein gesamtes Leben lang seine Leidenschaft. „Im Schützenverein sind die Pistolen und Gewehre unsere Sportgeräte“, sagt Bittner, der bei der GSG 9 in Hangelar als Waffenspezialist gearbeitet hat. 1972 kam der gebürtige Nordenhamer ins Rheinland.

Ein Mitarbeiter nahm ihn 1973 mit in den Schützenverein und dort blieb Bittner in zahlreichen Funktionen bis heute. Nach einem Jahr schon wurde er Schießmeister, war 15 Jahre Schatzmeister, wurde Ausbilder bei den historischen Schützen, er war Leiter des Bundeslehrstabes, Dozent für die Sachkundelehrgänge im Bezirk Bonn sowie Bezirksschießmeister und Diözesanschießmeister. 2016 wurde Bittner von der Ritterschaft des heiligen Sebastianus in Europa zum Ritter geschlagen.

Für ihn ist die Kombination aus Tradition und moderner Technik, aus sozialem Engagement und sportlicher Aktivität das Fesselnde, das ihn an diesen Verein bindet. Er setzt sich dafür ein, dass die Traditionen zwar weitergegeben und gelebt werden. „Sie müssen sich jedoch an die moderne Zeit anpassen“, sagt Bittner, und das geschehe in Niederpleis, wo neben vielen Schützenfesten auch beste Bedingungen für Sportschützen herrschen.

Durch ihn fand auch seine Ehefrau Dorothee mit 62 Jahren den Weg zum Schießstand. Zunächst war es vor allem das Vereinsleben, welches die einstige Chefsekretärin bei T-Systems faszinierte. Bei einem sogenannten Wertpreisschießen vor vier Jahren versuchte sich zum ersten Mal mit dem Luftgewehr. „Ich war gar nicht mal so schlecht, bin dann zum Training hin und wurde sogar Vereinsmeisterin“, sagt sie. Inzwischen ist die einstige Skeptikerin, wenn es um Waffen aller Art ging, ambitioniert. „Mich fasziniert die Kombination von Körperbeherrschung und Konzentration“, nur ein kleiner Fehler und das Ergebnis ist katastrophal. Dorothee Bittner wird am Samstag, 1. September, zum dritten Mal an Bundesmeisterschaften teilnehmen.

Das Image der Schützenvereine verschlechterte sich schlagartig nach dem Amoklauf in Winnenden im Jahr 2009, bei dem der Sohn eines Sportschützen 15 Menschen und sich selbst tötete. „Der Schießsport ist ein sauberer Sport. Neulinge werden umfassend ausgebildet und so an das Sportgerät herangeführt“, versucht der Brudermeister gegen das schlechte Image der Schützen anzukämpfen. Der einstige Bundespolizei-Beamte bedauert es sehr, dass die Hobbykurse im Schulzentrum wegen des Widerstandes aus dem Lehrerkollegium nicht mehr durchgeführt werden können. „Wir hatten bis zu 25 Kinder und Jugendliche in den Kursen, und in vielen Fällen hat sich der Schießsport sehr positiv auf die Konzentrationsfähigkeit und damit auch auf die schulischen Leistungen der Schüler ausgewirkt“, erinnert sich Werner Klihm an die Kurse, die er initiiert hatte.

Bittner betont: „Unser höchstes Gebot ist die Sicherheit.“ Jede Waffe werde jederzeit so behandelt, als sei sie geladen, erläutert er die Vorschriften. Aus einem Spielgerät müsse ein Sportgerät werden. Bittner ist sich sicher: „Wenn Kinder und Jugendliche vernünftig an die Waffen herangeführt werden, gehen sie auch sehr verantwortungsbewusst damit um. Werner Klihm, der seit 24 Jahren Mitglied im Schützenverein ist, ergänzt: „Schießsport hat nichts mit Ballern oder Krieg spielen zu tun.“ Für ihn sind Speer, Hammer oder Diskus genauso Waffen, wie eine Kleinkaliber-Pistole.

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