40 Jahre Kreisfrauenhaus Rhein-Sieg-Kreis setzt bei Frauenhaus auf offenes Konzept

Sankt Augustin · Sichtbar und trotzdem sicher: Vor 40 Jahren wurde im Rhein-Sieg-Kreis das erste Frauenhaus eröffnet. Mit dem Umzug in ein neues Domizil folgt das Sozialamt des Kreises in Sankt Augustin einem niederländischen Konzept.

 bei der Schlüsselübergabe zum neuen Frauenhaus: Stephanie Barth vom Sozialamt, Praktikantin Lara Raskova, die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen Anna-Lena Weber und Angela Helmich, Landrat Sebastian Schuster, Sozialamt-Leiter Stephan Liermann (v.l.n.r.).

bei der Schlüsselübergabe zum neuen Frauenhaus: Stephanie Barth vom Sozialamt, Praktikantin Lara Raskova, die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen Anna-Lena Weber und Angela Helmich, Landrat Sebastian Schuster, Sozialamt-Leiter Stephan Liermann (v.l.n.r.).

Foto: Rhein-Sieg-Kreis

Es ist ein Ort, an dem Frauen und Kinder, die physisch wie psychisch Gewalt erleben mussten, Schutz finden – und das seit 40 Jahren: Am 1. Mai 1981 eröffnete der Rhein-Sieg-Kreis in Sankt Augustin das erste Frauenhaus der Region. Damals bot es Platz für zwei bis vier Frauen mit ihren Kindern in Not. Inzwischen steht die Einrichtung deutlich mehr Betroffenen zur Seite. Und mit dem Umzug in ein neues Domizil in Birlinghoven setzt der Kreis fortan auch auf ein neues, offenes Konzept.

Damit hat das Frauenhaus nun eine bekannte Adresse, sein Standort ist nicht länger geheim. „Wir möchten den Frauen und ihren Kindern von vornherein mehr Normalität vermitteln, ihnen dabei helfen, ihr Leben frei und selbstbestimmt zu organisieren“, erklärt Stephan Liermann, Leiter des Kreissozialamtes, den neuen Ansatz. Dazu gehöre es etwa, dass die Kinder in der Schule sagen könnten, wo sie wohnen. „Sie haben alle vorherigen sozialen Kontakte hinter sich lassen müssen“, so Liermann. Daher sei es wichtig, dass sie neue Freunde finden und diese auch zu sich einladen könnten.

Idee aus den Niederlanden

Die Idee, ein Schutzhaus für Frauen und Kinder nach außen sichtbar zu machen und dabei aber trotzdem Sicherheit zu bieten, kommt laut Liermann aus den Niederlanden. Das vom Oranjehuis in Alkmaar entwickelte Konzept sei vor ein paar Jahren nach Deutschland geschwappt und dort etwa von einer Einrichtung in Espelkamp aufgegriffen worden. „Als wir nach einer neuen Örtlichkeit suchen mussten, kam der Gedanke auf, dass wir uns dem neuen Ansatz anschließen“, sagt Liermann. In der Vorbereitung habe es einen regen Austausch mit den Kolleginnen in Espelkamp gegeben. „Je mehr wir uns mit dem Gedanken befasst haben, umso mehr hat er uns überzeugt“, sagt er.

„Wir schützen die Frauen und ihre Kinder nicht allein durch die Geheimhaltung der Adresse“, stellt Liermann klar. Die Tatsache, wo ein Frauenhaus stehe, sei nicht entscheidend. „Welche Frau in welchem Frauenhaus lebt, bleibt weiterhin geheim“, sagt er. Der Kreis setzt auf eine enge Kooperation mit der Polizei, die auch in die Ausarbeitung eines Sicherheitskonzeptes involviert war. Das sieht unter anderem verstärkte Streifen vor. „Ein stabiler Zaun und ein Kamerasystem sollen eine schnelle Alarmierung garantieren“, so Liermann. Zudem setzt die Einrichtung auf eine aufmerksame Nachbarschaft.

„Wir sind guten Mutes, dass das Konzept aufgeht“, sagt Liermann. Wie berichtet, ist die erste Frau vor knapp zwei Wochen mit ihrem Sohn eingezogen. Bis alle Zimmer belegt werden können, wird es noch ein wenig dauern. „Es laufen noch letzte Arbeiten“, erklärt Liermann. „Es ist wichtig, dass die Frauen in diesem geschützten Bereich unter sich bleiben und nicht Fremden begegnen“, sagt der Kreissozialamtsleiter. Gleichwohl sei angedacht, dass künftig Beratungen des Jugendamtes sowie Angebote in Kooperation mit Institutionen im neuen Haus stattfinden.

Weichen wurden schon 1978 gestellt

In den vergangenen 40 Jahren haben viele Frauen und ihre Kinder über die Einrichtung des Kreises den Weg in ein neues, gewaltfreies Leben gefunden. Laut Kreis haben drei Generationen von Sozialarbeitenden ihnen in extrem belastenden Situationen beigestanden. 1976 wurden in Berlin und Köln die ersten Frauenhäuser gegründet. In der Folge stellten laut Kreis ab 1978 Kommunalpolitikerinnen und -politiker im Kreis die Weichen für ein Frauenhaus. Der Kreistag beschloss am 19. März 1980, „der Jugendschutzstelle für Mädchen in Sankt Augustin eine Einrichtung für in besondere Notsituationen geratene Frauen einschließlich deren Kinder anzugliedern“.

Ein Jahr später eröffnete der Kreis sein Frauenhaus. Ein Angebot, das von Anfang an genutzt – und 1993 um die Einrichtung des Vereins Frauen helfen Frauen in Troisdorf ergänzt wurde. Doch mit ihren bislang zusammen 41 Plätzen deckten beide Frauenhäuser gerade die Hälfte der vom Europarat für den Kreis empfohlenen Schutzplätze für Frauen und Kinder ab. Der Kreis hat sein Platzangebot mit dem neuen Haus vergrößern können. Und auch in Troisdorf steht ein Umzug in ein neues, größeres Domizil bevor: mit Platz für zwölf Frauen und 18 Kinder – und ebenfalls mit offenem Konzept.

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