Interview Rodion Borodenko vom Blau-Gelben Kreuz Rodion Borodenko aus Sankt Augustin ist zuständig für die Logistik beim Blau-Gelben Kreuz

Interview | Sankt Augustin · Rodion Borodenko hilft schon seit vielen Jahren Menschen aus der Ukraine. Der Sankt Augustiner ist 20 Kilometer entfernt von der russischen Grenze aufgewachsen. Er ist eins von sieben Gründungs-Mitgliedern des Blau-Gelben Kreuzes.

 Rodion Borodenko aus Sankt Augustin vom Blau-Gelben Kreuz.

Rodion Borodenko aus Sankt Augustin vom Blau-Gelben Kreuz.

Foto: privat

GA-Mitarbeiter Marius Ochs spricht mit ihm über die Entwicklung des Vereins seit Kriegs-Ausbruch.

Herr Borodenko, was machen Sie beim Blau-Gelben Kreuz?

Rodion Borodenko: Uns gab es schon vor dem Krieg. All unsere früheren Netzaktivitäten sind weg, weil die Website den Ansturm nicht ausgehalten hat. Wir haben Kinderprojekte gemacht – „Ferien ohne Krieg“ zum Beispiel. Da haben wir für ukrainische Kinder ein Programm aufgestellt: Phantasialand, Zoobesuche, Minigolf. Der zweite Pfeiler des Vereins war schon damals die humanitäre Hilfe. Mein Part dabei ist die Logistik. Ich halte die Kontakte mit ukrainischen Wohltätigkeitsorganisationen, Krankenhäusern und Unternehmen.

Die Logistik ist innerhalb von Tagen wesentlich anspruchsvoller geworden. Waren Sie vorbereitet auf die Situation?

Borodenko: Wir haben sofort aus der Ukraine die Hilferufe bekommen, was dort nun gebraucht wird. Wir mit unseren bis dahin sieben aktiven Mitgliedern waren natürlich überfordert. Wir wollten eigentlich Krankenhausmöbel liefern. Alles war schon da: LKW, Beistelltische, Helfer. Das mussten wir abbrechen und uns dann mit allem anderen beschäftigen.

Haben ihnen die bestehenden Netzwerke dabei geholfen?

Borodenko: Wir hatten Unterstützung von allen Seiten. Das Lager haben wir vom Hürther Bürgermeister bekommen. Am Donnerstag hat der Krieg begonnen, am Samstag bekamen wir den Schlüssel und Sonntag haben wir angefangen. Da kam dann ein Helfer, der uns geleitet hat. Er koordinierte das Lager und die humanitäre Hilfe. Ein anderer Helfer wollte nur Sachspenden vorbeibringen und hat uns dann die neue Homepage erstellt, die Hotline und Paypal eingerichtet. Dann gab es eine Frau, die unsere Spendenkampagne durch ihre Kontakte in den Medien gestartet hat. So ist aus einem kleinen Verein diese zentrale Anlaufstelle geworden – durch freiwillige Helferinnen und Helfer, die neu dazu kamen.

Gibt es Angebote des Blau-Gelben Kreuz im Rhein-Sieg Kreis?

Borodenko: Ich wohne in Sankt-Augustin und habe Kontakt mit dem Bürgermeister und der Verwaltung von Huma aufgenommen. Die wollte auch ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Eigentlich bietet es sich an: Dort kaufen die Leute eh schon ein. Aber für uns würde das zusätzlichen Personal- und Administrationsaufwand bedeuten – deshalb haben wir uns dagegen entschieden. Wer spenden will: Geldspenden helfen am meisten. Auf den Websites geben die Hilfsorganisationen bei Sachspenden immer an, was am meisten gebraucht wird.

Was sind Ihre Erfahrungen mit privaten Hilfstransporten?

Borodenko: Die Menschen haben erstmal kein Vertrauen in die Leute, die aus eigener Initiative dahin fahren. Und das zu Recht. Gestern erhielt ich einen Anruf aus Polen von einer jungen Mutter. Ihr wurde in unserem Namen ein Zimmerangebot unterbreitet. Aber wir kennen den Mann nicht. Ich habe ihr dann abgeraten, mitzufahren. Im trüben Wasser gibt es immer Beutefische.

Wie geht es Ihnen momentan?

Borodenko: Als der Krieg ausbrach, aber das Lager noch nicht da war, konnte ich gar nicht schlafen. Und irgendwann waren wir von den Medien ziemlich belagert. In dieser Zeit war meine Schwester in Gefangenschaft. Da hat mir die Arbeit sehr bei der Ablenkung geholfen. Aber das war nicht bei allen so. Kollegen und Kolleginnen liefen mit ihrem Handy herum, telefonierten – und dann stehen sie in der Ecke und weinen. Nach drei Tagen kam meine Schwester glücklicherweise wieder nach Hause und konnte in die Westukraine flüchten.

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