Biometrie-Evaluationszentrum in Sankt Augustin Das erreicht die Forschung gegen Kriminelle

Sankt Augustin · Kriminelle nutzen immer bessere Technik, um die Auslese biometrischer Daten zu überlisten. Die Forschung im neuen Biometrie-Evaluationszentrum der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik will das verhindern.

 BSI-Präsident Arne Schönbohm zögert nicht und schlüpft in eine professionell erstellte 3D-Maske von Projektleiter Ralph Breithaupt.

BSI-Präsident Arne Schönbohm zögert nicht und schlüpft in eine professionell erstellte 3D-Maske von Projektleiter Ralph Breithaupt.

Foto: Thomas Heinemann

Personalausweise, Reisepässe, Smartphones, Laptops, manchmal sogar Türsteuerungen oder  Autos nutzen biometrische Daten wie Gesichtsmerkmale oder Fingerabdrücke. Damit soll vor Zugriffen von Unbefugten geschützt werden. Letztere sind aber kreativ und mittlerweile auch hochprofessionell ausgestattet, um biometrische Sicherheitssysteme zu überlisten.

Damit die Systeme noch sicherer und zuverlässiger werden, haben das Institut für Sicherheitsforschung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in den vergangenen drei Jahren ein Biometrie-Evaluationszentrum aufgebaut, kurz BZE. Zur Eröffnung am Mittwoch kam BSI-Präsident Arne Schönbohm persönlich nach Sankt Augustin.

Bei der Führung schlüpfte er kurzerhand in die Rolle von BSI-Projektleiter Ralph Breithaupt: Mit Hilfe von 3D-Druckern und Maskenbildern auf Hollywood-Niveau hatten die Forscher von Hochschule und BSI eine detailgetreue Maske des Projektleiters erstellt, die sich der BSI-Präsident über den Kopf stülpte. Kleinste Bartstoppel sind auf der Maske ebenso zu finden wie Hautunreinheiten, filigrane Gefäße und sogar eine kleine Wunde des morgendlichen Rasierens.

Die Maske wurde bisher immer enttarnt

„Bislang haben unsere Systeme es immer geschafft, die Maske zu enttarnen“, erklärte Hochschul-Projektleiter Norbert Jung: „Aber es wird ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel bleiben.“ Kriminelle versuchten mit immer neuen Methoden und enormen Aufwand, mit gefälschten Masken, veränderten Passfotos und gestohlenen Fingerabdrücken die biometrischen Schutzsysteme von Sicherheitsbereichen, an Grenzen oder Flughäfen zu überlisten. „Biometrie ist eine Erfolgsgeschichte“, erinnerte BSI-Präsident Arne Schönbohm an die Technik, die nicht nur in nahezu jedem Smartphone genutzt werde, sondern auch hoheitlich bei Passdokumenten zum Einsatz komme: „Je attraktiver und verbreiteter die Technik ist, desto interessanter ist sie für Angreifer.“

Weil Kriminelle, Sicherheitsbehörden und Forscher stets im Wettrennen um die beste Technologie sind, wurde ein Teil eines Hochschulgebäudes nach höchsten Sicherheitsstandards umgebaut. Erst danach konnte zum Beispiel eine automatisierte Zugangskontrolle der Bundespolizei, wie sie an Flughäfen derzeit eingesetzt wird, im Biometrie Evaluationszentrum nachgebaut werden. Wird der biometrische Reisepass aufgelegt, sollen die Systeme sicher und ohne Fehlalarme erkennen, ob das darauf gespeicherte biometrische Bild mit der Person in der Schleuse tatsächlich übereinstimmt.

Nur die Wiedererkennung wird erforscht

„Wir forschen an der sicheren Authentifizierung, aber nicht daran, unbekannte Personen anhand eines Fotos zu identifizieren“, stellte BSI-Projektleiter Ralph Breithaupt klar: „Mit Ausnahme der Polizei und Interpol gibt es bei uns in Deutschland keine derartigen Gesichtserkennungsdatenbanken. In anderen Ländern ist das zum Teil anders. Da erkennt eine Kamera, wer wann und wo über eine rote Ampel läuft.“ Ein Baustein der Überprüfung ist die  Echtheit des erfassten Gesichtes. Dazu kommen Sensoren für einen ganz bestimmten Lichtanteil zum Einsatz, wie Tobias Scheer vom Forschungsteam zeigte. Die bereits vor 15 Jahren an der Hochschule entwickelte Technik zur Hauterkennung war einst für den Arbeitsschutz geplant, so Scheer: „Ab 1000 Nanometer Wellenlänge können wir Haut ganz sicher von anderen Materialien wie Masken unterscheiden und jede Hautfarbe und jeder Hauttyp sieht in dieser Wellenlänge gleich aus.“

Noch mehr Sicherheitsmerkmale als ein Gesicht biete der Fingerabdruck, zeigte Hochschul-Projektleiter Norbert Jung. Dass der Chaoscomputerclub vor ein paar Jahren biometrische Sicherheitssysteme und insbesondere Fingerabdrücke als „Sicherheitsplacebo“ bezeichnete und seinerzeit die Fingerabdrücke hochrangiger Minister veröffentlichte, sei heute für Sicherheitskontrollen überholt, so Jung. „Allerdings hat die organisierte Kriminalität aufgerüstet und arbeitet mit 3D-Druckern, die vier Mal feiner drucken als ein menschliches Haar dick ist.“

Das Biometrie Evaluationszentrum forscht deshalb an Fingerabdruckscannern, die nicht nur dreidimensional die obersten Hautschichten durchleuchten und dabei auch die Anzahl und Anordnung der Schweißdrüsen in der Haut erfassen. Ein Scan dauert rund zehn Sekunden und erzeugt bis zu acht Gigabyte Daten, in etwa so viel wie ein 90-minütiger Spielfilm auf DVD. Anschließend rechnet der Computer rund 1,6 Sekunden, um den Abdruck zu überprüfen. „Es gibt einzelne Berichte, in denen Kriminelle nicht nur ein Luxusauto mit Fingerabdruckschloss gestohlen haben, sondern leider auch den Finger des Besitzers. Mit Lebenszeichensensoren schützt die Technik auch vor diesem Fälschungsversuch.“

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