Natalie Amiri ist „Zu Gast auf dem Sofa“ Journalistin liest in Sankt Augustin aus ihrem Buch über Afghanistan

Sankt Augustin · Die Journalistin und TV-Moderatorin Natalie Amiri hat ein Buch über Afghanistan geschrieben. 100 Tage nach der Machtübernahme reiste sie durchs Land und lässt vom Sprecher der Taliban bis zur Kiosk-Verkäuferin viele Stimmen ausführlich zu Wort kommen. Am Donnerstag, 7. April, liest sie daraus in Sankt Augustin.

 Die Journalistin und TV-Moderatorin Natalie Amiri kommt nach Sankt Augustin.

Die Journalistin und TV-Moderatorin Natalie Amiri kommt nach Sankt Augustin.

Foto: Johannes Moths

„In Afghanistan gibt es im Moment nichts: keine Redefreiheit, keine Demokratie, keine Menschenrechte, keinen Respekt, kein Leben.“ So zitiert die Journalistin Natalie Amiri eine afghanische Frauenrechtsaktivistin in ihrem neuen Buch „Afghanistan – Unbesiegte Verlierer“. Amiri macht sich auf die Suche nach den drängenden Fragen hinter dieser Aussage. Wie geht es den Menschen im Land, die nicht fliehen konnten oder wollten? Wie konnte es so weit kommen? Wie wird es jetzt weitergehen?

100 Tage nach der Machtübernahme der Taliban reiste Amiri durch das Land am Hindukusch. Vor, nach und während der Reise führte sie etliche Interviews. Ihre Gesprächspartnerinnen und -partner kommen im Buch ausführlich zu Wort: Afghanische Frauenrechtsaktivistinnen und der Sprecher der Taliban, Bauern aus der Provinz und Bundestagsabgeordnete. Ihre Aussagen werden gegenübergestellt, eingeordnet, analysiert.

„Als Seraj sprach, bekam ich immer wieder Gänsehaut.“

Oft bringt sich Amiri aber auch selbst mit ein. In einem Kapitel erzählt sie von einem Interview mit der afghanischen Frauenrechtsaktivistin Mahbouba Seraj. Sie blieb im Land und verhandelt mit den Taliban über die Rechte der Frauen, trotz großer Gefahr für das eigene Leben. Da schreibt Amiri: „Ich habe schon sehr viele Interviews geführt. Als Seraj sprach, bekam ich immer wieder Gänsehaut. Am Schluss liefen nicht nur mir Tränen übers Gesicht, sondern auch meinem Producer.“ Der Producer, so erklärt Amiri, ist für eine Journalistin die wichtigste Person vor Ort: Übersetzer, Ortskundiger, absolute Vertrauensperson. Auch er überlegt, mit seiner Ehefrau und Tochter das Land zu verlassen.

Amiri lotet diese Spannungen zwischen Bleiben und Gehen, Kampf und gefühlter Niederlage, Hoffnung und Verzweiflung durch die Erzählungen ihrer Protagonisten aus. So zeichnet sie ein Portrait über viele verschiedene, oftmals widersprüchliche Stimmungen in der afghanischen Gesellschaft. Gleichzeitig reflektiert sie ihre eigenen Gefühle und die Arbeitsweise als Journalistin, ohne sich zu stark in den Vordergrund zu stellen.

Amiri widmet das Buch den Frauen in Afghanistan

Ihre Rolle als mitfühlende Reisende, verzweifelte Helferin und beobachtende Chronistin wird in einem Kapitel besonders deutlich. Als klar wurde, dass die Hauptstadt Kabul an die Taliban fallen würde, versuchte Amiri, 70 schutzbedürftigen Menschen aus dem Land zu bringen. Ihre Liste gab sie an das deutsche Innenministerium. Doch keine der 70 Personen wurde von der Bundeswehr ausgeflogen. In Form von Chatprotokollen entspinnt sich ein Polit-Thriller des Behördenversagens während der chaotischen und schrecklichen Tage am Kabuler Flughafen im August 2021. Im Kapitel danach wird der Fluchtversuch einer afghanischen Frau geschildert, die auf ihrer Liste gestanden hatte. Immer wieder betont Amiri die schwierige Situation der Frauen im Land. Ihnen widmet sie auch das Buch. Neben den Einzelschicksalen erfährt man im Buch auch viel über politische, ökonomische und gesellschaftliche Hintergründe zum Fall Afghanistans.

Die Mischung aus empathischen Erzählungen und harten Fakten stellt Natalie Amiri am Donnerstag, 7. April, in Sankt Augustin vor. Dann ist sie „Zu Gast auf dem Sofa“ bei der Hochschul- und Kreisbibliothek, einer Lesungsreihe, die vom General-Anzeiger mitveranstaltet wird. Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr im Audimax (Hörsaal 1 und 2) am Campus Sankt Augustin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Grantham-Allee 20. Der Eintritt kostet zehn, ermäßigt sechs Euro. Es gilt 3G und Maskenpflicht. Die Lesung wird auch per Live-Stream übertragen. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich per E-Mail an bibliothek@h-brs.de an die Bibliothek wenden.

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