Unterricht in 800 Metern Segelfliegen über dem Rhein-Sieg-Kreis

SANKT AUGUSTIN · In unserer Serie begleiten wir den Segelfluglehrer Stephan Altrogge auf dem Flugplatz in Hangelar. Der 37-Jährige ist Fluglehrer beim Luftsportverein (LSV) Bonn Rhein-Sieg und unterrichtet an sonnigen Wochenenden ehrenamtlich Hobbypiloten.

 Bereit zum Abheben: Dieter Schmitz (vorne) und Fluglehrer Stephan Altrogge (hinten)

Bereit zum Abheben: Dieter Schmitz (vorne) und Fluglehrer Stephan Altrogge (hinten)

Foto: Franziska (FM) Bähr

Zwei Personen sind nötig, um den Doppelsitzer, der vor allem für Schulungszwecke genutzt wird, in Startposition zu bringen. Auf der Startbahn angekommen, wird ein langes Stahlseil am großen Segelflugzeug befestigt. Dieses 1000 Meter lange Seil ist auf der anderen Seite der Bahn mit der Winde verbunden, die das Flugzeug später auf fast 100 Kilometer die Stunde beschleunigen und wie einen Lenkdrachen in den Himmel ziehen wird. Routiniert überprüft Stephan Altrogge das Flugzeug. Wie oft er die Handgriffe bereits gemacht hat, kann er heute gar nicht mehr sagen. Der 37-Jährige ist Fluglehrer beim Luftsportverein (LSV) Bonn Rhein-Sieg und unterrichtet an sonnigen Wochenenden ehrenamtlich Hobbypiloten.

Die Einweisung

„Eigentlich sollte ja der Schüler auf den vorderen Sitz und der Lehrer nach hinten, aber wir machen heute mal eine Ausnahme“, sagt Altrogge, während er mir den Fallschirm reicht. Eigentlich ist das Segelfliegen eine sichere Sportart. Größere Unfälle oder gar Tote hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben, was auch auf die sich stetig verbessernde Technik im Cockpit zurückzuführen ist.

Dennoch gehören eine kurze Sicherheitseinweisung und ein Fallschirm zu jedem Flug dazu. „Sollte irgendein Problem überraschend auftreten, sage ich dir Bescheid. Dann drückst du an den beiden roten Hebeln das Fenster weg und stößt dich ab. Der Fallschirm öffnet dann ganz automatisch“, erklärt Altrogge. Er selbst musste das Flugzeug noch nie mit dem Fallschirm verlassen, obwohl er seinen ersten Flug mit einem Segelflugzeug bereits mit 18 Jahren absolvierte. Früh stand für ihn fest, dass er seine Pilotenausbildung bei der Bundeswehr machen wollte. Daher nahm er während seines Abiturs erste Segelflugstunden.

Neben einer Sicherheitseinweisung und dem obligatorischen Fallschirm bekommt jeder Anfänger bei seinem ersten Flug auch eine Tüte mit, falls einem beim rasanten Start oder dem vielen Kreisen in der Luft übel wird. Ein kurzer Anruf bei den Betreibern der Winde, dann strafft sich das Seil und das kleine Flugzeug schießt in die Luft.

Das umweltfreundlichste Flugzeug der Welt

Ruhig und geduldig erklärt Altrogge jedes Geräusch und jeden Vorgang: „Heute herrscht ziemlicher Wind. Ich lenke jetzt früh nach rechts, damit das Seil, das gleich mit einem kleinen Fallschirm zurück zum Boden fällt, nicht auf einer anderen Startbahn landet“. Kaum befindet sich das Flugzeug in waagrechter Position, muss der Fluglehrer nach dem nächsten Aufwind suchen, schließlich hält sich ein Segelflugzeug ohne einen einzigen Tropfen Benzin in der Luft.

Altrogge kennt den Rhein-Sieg-Kreis gut, von oben aus Luft noch besser. Er weiß, an welchen Stellen sich häufig Thermik findet und steuert zielgerichtet darauf zu. Als er tatsächlich Aufwind findet, kreist er stetig um die gleiche Stelle und gewinnt so an Höhe – bis auf 800 Meter kommen wir an diesem Tag. Während des Fluges nimmt sich der gelernte Pilot und studierte Pädagoge viel Zeit, um alles zu erklären. So kündigt er jede kleine Kurve an und zeigt, warum er sich manchmal an Vögeln orientiert, um Aufwinde zu finden.

Zu dem Schülerkreis des 37-Jährigen gehören alle Altersklassen. Ab 14 Jahren darf jeder mit dem Segelflugschein beginnen, nach oben hin sind – nach ärztlicher Untersuchung – keine Grenzen gesetzt.

Der Segelflugschein

Während in den Sommermonaten geflogen wird, müssen die Schüler im Winter zum theoretischen Unterricht. Wer regelmäßig am praktischen und theoretischen Unterricht teilnimmt, kann seinen Segelflugschein in nur einem Jahr machen. Stephan Altrogge ist beinahe jedes Wochenende auf dem Flugplatz, erteilt Flugaufträge, bestimmte Übungen, die in der Luft ausgeführt werden sollen, an die erfahrenen Schüler, die bereits alleine fliegen dürfen, sitzt bei unerfahrenen Schülern dabei und beobachtet seine Schützlinge auch vom Boden aus.

Fliegen ist seine große Leidenschaft. Zwölf Jahre arbeitete er bei der Bundeswehr, bevor er zurück an die Uni ging. Heute studiert er an der Bonner Universität Latein und Geschichte auf Lehramt, während er am Wochenende ehrenamtlich Flugstunden gibt. Nach einer Dreiviertelstunde in der Luft und einigen unglaublich schönen Blicken auf den Kreis landen wir wieder sicher. Auch wenn ich die Tüte nicht gebraucht habe, bin ich froh wieder am Boden zu sein. Für Stephan Altrogge geht es direkt wieder weiter. Nach dem Verteilen einiger Flugaufträge setzt er sich zum nächsten Schüler in den Doppelsitzer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort