Vortrag in Sankt Augustin So funktioniert Deutschland

SANKT AUGUSTIN · Der Islam- und Politikwissenschaftler Marwan Abou Taam erklärt Migranten in Sankt Augustin die Spielregeln der Demokratie.

Die Flüchtlingssituation ist das beherrschende Thema in vielen Kommunen.

Die Flüchtlingssituation ist das beherrschende Thema in vielen Kommunen.

Foto: dpa

Was erwartet Flüchtlinge bei uns? Für welche Werte stehen wir? Womit werden die Neubürger konfrontiert? Was ist öffentlich, was privat erlaubt? Diese und viele weitere Fragen beantwortete der Terrorismusexperte des Landeskriminalamtes, Marwan Abou Taam, mit seinem in arabischer Sprache gehaltenen Vortrag unter dem Titel „So funktioniert Deutschland?!“, den er bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der „Aktion Neue Nachbarn“, Sankt Augustin, hielt.

Seiner Meinung nach bedarf es grundlegender Kenntnisse, damit Integration gelingen kann. Dazu sei vor allem die „Förderung gesellschaftlicher Interaktivität“ erforderlich. Wichtig sei es, den Dialog und gleichzeitig die politische Bildung zu stärken.

Rund 50 Zuhörer aus den Flüchtlingsunterkünften der Stadt, überwiegend Syrer, aber auch Iraker und Libanesen, waren in das Pfarrheim Sankt Mariae Heimsuchung gekommen. Taam, gebürtiger Libanese und mit seinen Eltern während des Bürgerkriegs aus seiner Heimat geflohen, zeigte den Flüchtlingen die für sie unbekannten Strukturen unserer föderalen Demokratie auf und was es heißt, hier zu leben. Unter den Stichworten Individualrechte und Selbstentfaltung erläuterte er, „was hier geht und was nicht“, aber auch was „unverhandelbar“ ist. Er nannte beispielsweise die Gleichberechtigung von Frau und Mann oder die Religionsfreiheit. Die sei zwar garantiert, bedeute aber nicht, anderen Menschen seine Religion aufzwingen zu können. Hier gelte wie in allen Bereichen der pluralistischen Gesellschaft, dass man „Widersprüche ertragen“ müsse und Toleranz gefordert sei.

„Man muss hinnehmen, dass andere anders leben, auch wenn man selbst nicht so leben möchte“, betonte Taam. Das Recht gelte umgekehrt ebenso. Bei aller Verschiedenheit sei es im Interesse einer erfolgreichen Integration wichtig, dass man miteinander auskomme und die gleichen Werte akzeptiere. In diesem Zusammenhang kritisierte er einige türkische Vereine, bei denen die eigene Kulturpflege mehr Gewicht habe, als Strukturen zur Integration zu schaffen. Erstaunlich war, dass auch viele der Flüchtlinge über diese Erfahrung berichteten. Obwohl sie erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben, haben sie nach eigener Aussage bei Besuchen von Gebetshäusern den Eindruck gewonnen, dass die türkischen Mitbürger lieber unter sich blieben, statt den Kontakt zu Mitbürgern zu suchen. Taam warnte davor, Parallelgesellschaften entstehen zu lassen, wie es sie bereits gebe. Neuankömmlinge dürften nicht in die gleiche Situation kommen.

Christina Wortmann von der „Aktion Neue Nachbarn“, auf deren Initiative die Veranstaltung durchgeführt wurde, sieht es ebenfalls als unerlässlich für die Integration an, dass man einander kennen und verstehen lernt und sich austauscht. Der Wunsch, Teil der Gesellschaft zu werden, war bei den Flüchtlingen zu spüren. Es wurden unter anderem Fragen zu Sprachkursen gestellt, zu Kontakten mit der deutschen Bevölkerung, zu Bildungsmöglichkeiten und zu Voraussetzungen, eine in ihren Ländern begonnene Schulausbildung oder ein Universitätsstudium abschließen zu können.

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