Lieferservice, Videos und Buchtipps So reagiert die Bücherstube in Sankt Augustin auf die Corona-Krise

Sankt Augustin. · Karl-Heinz Matheis ist der Geschäftsführer der Bücherstube. Er freut sich, die Kunden wieder persönlich begrüßen zu können und erzählt, wie er sich auf die Wiedereröffnung vorbereitet hat und welche Zusatzangebote es aktuell gibt.

 Die Anzahl der Einkaufskörbchen bestimmt die Anzahl der Kunden, die in den Laden dürfen, damit die Abstände eingehalten werden können.

Die Anzahl der Einkaufskörbchen bestimmt die Anzahl der Kunden, die in den Laden dürfen, damit die Abstände eingehalten werden können.

Foto: Foto: Martina Welt

Die Tür zum Bücherladen am Niederpleiser Einzelhandelsstandort stand am vergangenen Montag weit offen, die Büchertische vor der Tür luden zum Schmökern ein und an der Kasse bildeten sich sogar immer wieder kleinere Warteschlangen – natürlich in gebührendem Abstand. Für den Geschäftsführer Karl-Heinz Matheis eine beruhigender Anblick. Er verkauft seit 1972 Bücher, zunächst in Köln und seit 1977 in Sankt Augustin.

An diesem Montagmorgen hatte er mit weniger Kunden gerechnet. „Ich hätte eher gedacht, dass nur wenige Leute kommen, aber bisher waren mindestens so viele Kunden im Laden wie vor der Corona-Krise auch“, so der Buchhändler. „Wie schön, dass Sie wieder offen haben“, freut sich eine Kundin und winkt beim Hinausgehen.

Mundschutz, Spuckschutz und Desinfektionsmittel

Matheis ist vorbereitet für die außergewöhnliche Situation: Mit Mundschutz für die Mitarbeiter, Desinfektionsmittel auch für die Kunden, einem Spuckschutz an der Kasse sowie Klebebändern und Schildern, die die Kunden daran erinnern sollen, den Abstand zu wahren. Wenn die zehn Einkaufskörbchen an der Tür alle in Beschlag genommen wurden, darf niemand mehr den Laden betreten.

Die vergangenen Wochen waren hingegen eher merkwürdig für die fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Bücherstube. „Nach der Schließung dachte ich eigentlich, dass jetzt alle in Kurzarbeit gehen müssen, bis wir wieder geöffnet haben“, dem sei jedoch nicht so gewesen. Schon nach drei oder vier Tagen holte Matheis seine Mitarbeiter wieder in den Laden, denn die zwei Wochen vor Ostern waren „heftig“, sagt er. „Wir hatten vor Ostern Umsätze wie immer, nur unter erschwerten Bedingungen“, fasst der Geschäftsführer zusammen. Es wurde viel mit den Kunden telefoniert und Mails bearbeitet.

Besonders viel zu tun hatte in dieser Zeit der Fahrer, der die bestellten Bücher zu den Kunden transportierte. Auf Facebook gab es kleine Videos und Buchtipps, die ebenfalls auf positive Resonanz stießen.
Dennoch bilanziert Matheis, dass er für den Monat April schon mit einem Umsatzrückgang von rund 30 Prozent zurechtkommen muss. „Den werden wir nicht aufholen aber überstehen“, sagt er. Möglich ist das durch den Griff auf Rücklagen und die Soforthilfe des Bundes, die schon nach einer Woche ausgezahlt wurde, lobt der Buchhändler. Interessant für die Mitarbeiter war ebenfalls, dass die Menschen vor allem bekannte Bücher orderten, die schon seit zehn oder 20 Jahren auf dem Markt sind. „Das sind möglicherweise Bücher, an die sich die Menschen noch erinnern, die ihnen besonders gefallen haben und die sie deshalb nochmal lesen oder verschenken möchten“, sagt Matheis. Neben dem erweiterten Lieferservice wurde im Bücherladen auch das Schaufenster einige Male umdekoriert. „Es ist durchaus passiert, dass die Leute vor dem Laden standen und klopften“, sagt Matheis. „Wir haben dann auf unser Handy gezeigt und ihnen damit angedeutet, dass sie uns anrufen sollen“, beschreibt er kuriose Situationen in Corona-Zeiten, denn Bücherverkäufe an der Tür seien in den vergangenen Wochen nicht möglich gewesen.

Die meisten Leute wollen in den schwierigen Zeiten eher etwas Besinnliches lesen, lustige Literatur sei weniger gefragt gewesen. „Viele Sachbücher, die sich mit Themen beschäftigen, was man vielleicht auch nach Corana generell anders machen könnte, habe er mehrfach verkauft. So wurde zum Beispiel Peter Sloterdijk mit dem Buch „Du musst dein Leben ändern“ einige Male verkauft. Matheis selbst ist schon länger dabei, etwas zu ändern. „Ich möchte lieber einmal weniger im Jahr in Urlaub fahren und mich dafür mehr mit den Menschen befassen“, beschreibt er es. Zu seinen aktuellen Lieblingsbüchern gehört „Das Evangelium der Aale“. „Es ist der besinnliche Versuch, das Geheimnis der Aale zu ergründen“, sagt Matheis. Schließlich seien daran schon Sokrates und Freud gescheitert.

Unklarheit bei Ticketrückgabe

Für die Zukunft wünscht sich Matheis, dass die Kultur nicht durch Corona „vollkommen abschmiert.“ Es wäre eine Tragödie, wenn es die vielen kleinen Theater und selbstständigen Künstler nicht mehr geben würde. Ebenfalls gestrichen sind Lesungen aller Art in der Buchhandlung oder der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg. Als schwierig bezeichnet er die Situation im Ticket-Shop der Buchhandlung. Viele Kunden möchten ihre Tickets stornieren und das Geld zurückbekommen, aber die Veranstalter warten auf eine politische Regelung wie die Ausgabe von Gutscheinen. „Wir können da leider nichts machen“, sagt Matheis.

Dass Abstand halten auch zum Dauerzustand werden könnte, das verdrängt der Buchhändler noch. Schon jetzt sei es schwierig, bei Kunden, deren Lebensgeschichte man kenne und die immer zu einem Schwätzchen bereit seien, die Distanz zu waren. Zum Welttag des Buches hätte es Besuche in den Schulen gegeben. Jetzt werden die Lehrer die Bücher wohl für ihre Schule abholen.

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