Geschichte in Sankt Augustin Staatsakt und Konzertreise

SANKT AUGUSTIN · Als der Mülldorfer Bestatter Helmut Kröger den Leichnam von Béla Bartók überführte.

 Mit allen Ehren wurde die Kolonne bei der Überführung in Ungarn empfangen. FOTO/REPRO: HEINEMANN

Mit allen Ehren wurde die Kolonne bei der Überführung in Ungarn empfangen. FOTO/REPRO: HEINEMANN

Foto: privat

Als im März 1988 das Telefon klingelte und eine Stimme fragte: „Können wir im Juni einen Leichenwagen mieten?“, fragte Bestatter Helmut Kröger nicht zu unrecht zurück: „Warum wissen Sie jetzt schon, dass im Juni jemand stirbt?“ Gestorben war die Person allerdings bereits am 26. September 1946 in New York, und dieser „jemand“ war der ungarische Komponist und Pianist Béla Bartók. 1940 aus Ungarn kommend, war er vor dem Faschismus quer durch Europa in die Staaten geflohen.

Als er den Anruf annahm war Helmut Kröger wohl nicht klar, dass er wenige Wochen später internationale Bestattergeschichte schreiben würde. Eine Geschichte, die er am kommenden Freitag um 15 Uhr zum Tag der Archive im Foyer des Rathauses in einem bebilderten Vortrag erzählen wird. Lange hatte die Regierung Ungarns versucht, ihren musikalischen Nationalhelden nach dessen Tod zurück ins Heimatland zu holen. Dagegen hatte sich die Familie Bartóks lange Jahre gewehrt.

Erst als sich in 1988 Ungarn politisches Tauwetter im Zuge der Perestroika im Nachbarland Sowjetunion einstellte, stimmte die Familie Bartóks der Überführung zu, weiß Helmut Kröger heute zu berichten: „Normalerweise ist das alles einfach. Der Leichnam wird exhumiert, identifiziert, überführt und beigesetzt. Heute überführt man bei großen Entfernungen mit dem Flugzeug. Aber so etwas, was die Familie forderte, gab es noch nie: Er sollte auf dem selben Weg überführt werden, mit dem er damals emigriert ist.“

Von Southampton weiter nach Cherbourg

Von New York ging es per Kreuzfahrtschiff Queen Elisabeth II nach Southampton in England, von dort weiter nach Cherbourg an der französischen Atlantikküste. Hier sollte der Sarg des Komponisten in Empfang genommen und per Auto nach Budapest gebracht werden. Auf der Suche nach einem geeigneten Bestatter wandte sich die Familie zunächst an das größte französische Unternehmen aus Paris, an die nicht minder professionelle, staatliche Wiener Bestattung und, das überraschte alle, an das kleine Unternehmen Kröger aus Mülldorf.

„Damals war die ungarische Botschaft noch in Bonn, und wir standen in den Gelben Seiten unter „internationaler Überführungsdienst“, sagt Kröger, der den Zuschlag erhielt. Und das sei garantiert kein Zufall gewesen: „Die Wiener hatten damals schwere amerikanische Bestattungsfahrzeuge, die Franzosen fuhren Peugeot. Wir hatten einen, wenn auch nicht mehr ganz neuen, Mercedes-Benz 280 S. Das machte zu damaligen Zeiten in Ungarn mächtig was her. Wir hatten den Stern vorne dran, und ich bin zu hundert Prozent überzeugt, dass das Ausschlag gebend war.“

Die Überführung vom französischen Cherbourgh nach Budapest, rund 2000 Kilometer, wurde zu einem Abenteuer, das Helmut Kröger mit bewegenden Szenen als „Konzertreise“ in Erinnerung blieb: Nach der Übernahme am 30. Juni 1988, wo eine ganze Kulturwoche zu Ehren des Komponisten ausgerufen war, sollten sich acht Tage voller Konzerte und bewegender Begegnungen anschließen.

Mit mehreren Fahrzeugen, Reportern und Polizeieskorte fuhr die Kolonne mit Polizeischutz durch Europa, durchquerte Paris in acht Minuten und wurde in Ungarn wie ein Staatsgast mit allen Ehren empfangen.

Von der Überführung des Leichnams Béla Bartók berichtet Helmut Kröger am Freitag, 4. März, ab 15 Uhr, mit Fotos und Videos im Stadtarchiv, Markt 1, Sankt Augustin.

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