Sicherheit der Hochhäuser Stadt Sankt Augustin prüft Brandschutz an 29 Häusern

Sankt Augustin · Ein Inferno wie in London gilt bei den Hochhäusern im Rhein-Sieg-Kreis als unwahrscheinlich. Eine Brandgefahr wird als gering angesehen. Die Behörden zeigen sich dennoch sensibel.

Der verheerende Großbrand des Hochhauses Grenfell Tower in London mit derzeit mindestens 80 Toten hat in der Region sowohl Bestürzung als auch Verunsicherung ausgelöst. Denn zunächst hatten deutsche Experten gesagt, ein solcher Brand könne in Deutschland aufgrund höherer Anforderungen an den Brandschutz nicht geschehen. Wenige Tage später musste in Wuppertal ein elfstöckiges Wohnhaus evakuiert werden, weil an diesem doch ein ähnlicher, leicht brennbarer Dämmstoff in der Fassade verbaut worden war. Zudem gab es laut Behörden diverse Brandschutzmängel. Bei den Wohntürmen im Rhein-Sieg-Kreis sind derartige Probleme bislang noch nicht bekannt, doch sind die Behörden sensibilisiert.

So hat die Stadt Sankt Augustin ihre vorhandenen Unterlagen zum Brandschutz der Hochhäuser in Niederpleis, Menden und Mülldorf geprüft. „Wir wollen nun alle Eigentümer anschreiben und um Auskunft bitten, was an der Fassade in den letzten Jahren gemacht worden ist“, sagte Stadtsprecherin Eva Stocksiefen auf Anfrage. „Dämmungen der Fassaden sind nicht genehmigungspflichtig, daher bekommen wir das nicht mit.“ Demnach werden nun 29 Häuser geprüft, mehr als eigentlich notwendig.

Grundsätzlich werden die Hochhäuser alle sechs Jahre bei einer Brandschau geprüft, wobei Fluchtwege, Brand- und Rauchmelder, Brandlasten und weitere Kriterien im Fokus stehen: „Wenn wir Kenntnis über Auffälligkeiten bekommen, würde es auch eine vorgezogene Brandschau geben.“

Kontroll- und Instandhaltungspflicht ernst nehmen

Die Wohnungsgesellschaft Vonovia, die in der Region unter anderem mehrere Hochhäuser in der Straße „Am Ruhrfeld“ in Meckenheim besitzt, hält ein Ausbreiten von Flammen über die Hausfassade, wie in London geschehen, für nahezu ausgeschlossen. „Anders als in England dürfen Fassaden von Hochhäusern in Deutschland nur mit nicht brennbaren Dämmstoffen wie Stein- oder Mineralwolle gedämmt werden“, sagte Max Niklas Gille, Pressesprecher von Vonovia, auf Anfrage.

„Ein Brand der Fassade wie in England ist somit ausgeschlossen.“ Das Unternehmen mit Sitz in Bochum versicherte, dass nur in Deutschland zugelassene Materialen verwendet würden und es seine Kontroll- und Instandhaltungspflicht sehr ernst nehme.

Historisch sei der Brandschutz für Hochhäuser, Schulen, Altenheime, Krankenhäuser und andere Sonderbauten in Deutschland besonders streng geregelt, erklärt Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg. Dazu gehören ausreichend Rettungswege, meist durch ein zweites Treppenhaus sichergestellt, und auch die Verwendung brandhemmender Materialien. Beides war beim Grenfell Tower in London nicht oder unzureichend vorhanden. Aber auch hierzulande wurden bei energetischen Gebäudesanierungen Gebäude nachträglich mit Dämmplatten eingehüllt.

Risiko: Dämmungen aus Polystyrol

Ist das ein Risiko? „Man muss unterscheiden zwischen Dämmmaterialien, die nicht brennbar sind oder als nur schwer entflammbar gelten. Mineralwollen, mineralisch aufgeschäumte Fasern oder Steinfasern brennen selbst bei höchsten Temperaturen nicht, sondern schmelzen.“ Oft werden günstigere Wärmedämmungen aus Polystyrol, also geschäumten Kunststoff, verwendet, die die Bezeichnung „schwer entflammbar“ tragen, erklärt Dirk Engstenberg.

Bei derartigen Dämmungen sei es entscheidend, wie lange und wie intensiv bei einem Feuer Hitze auf die Dämmung einwirke, ehe diese anfängt zu brennen: „Brennt zum Beispiel ein Auto oder ein Holzstapel unmittelbar neben der Fassade, können auch schwer entflammbare Materialien anfangen zu brennen. Daher sollte man leicht brennbare Stoffe nie unmittelbar am Haus lagern.“ Ein Funke von einer Silvesterrakete oder einer Zigarette sei in der Regel kein Problem, auch, weil die Dämmsysteme mit mineralischem Putz überdeckt sind, so der Feuerwehrchef.

Brandriegel eingesetzt

Gerät allerdings eine Fassade mit EPS-Dämmung, wie die Styropormäntel für Gebäude heißen, dennoch in Brand, sollen bei Hochhäusern sogenannte Brandriegel aus nichtbrennbarer Mineralwolle zwischen den Stockwerken das Überschlagen der Flammen verhindern. Bis heute ist die Praxistauglichkeit ein bei Brandschutz- und Bauexperten viel diskutiertes Thema. Denn brennendes Polystyrol wird zähflüssig bis flüssig und tropft brennend nach unten auf andere Stockwerke. Zudem entsteht ein Dochteffekt, der die Flamme künstlich in die Länge zieht und intensiviert.

Für die Feuerwehr bedeute ein solcher Fassadenbrand immer einen massiven Löscheinsatz, erklärt der Kreisbrandmeister, denn schnell seien auch andere Gebäudeteile wie Rollläden, Fenster oder Türen betroffen.

Um modernen Brandschutz in der Isolation und Dämmung an hohen Gebäuden in der Praxis zu sehen, muss Engstenberg nur sein Büro verlassen: Das Kreishaus wird seit mehreren Jahren aufwendig saniert und dabei der Brandschutz verbessert. „Bei der Dachsanierung 2012 ist die damals vorhandene Dämmung gegen eine neue Dämmung aus Mineralfasern ersetzt worden“, teilt Kreissprecherin Bettina Heinrichs-Müller auf Nachfrage mit: „In den Abhangdecken und den Trockenbau-Zwischenwänden sind alte Mineralfaser-Dämmmatten vorhanden.

In den Decken werden diese im Rahmen der Sanierung durch neue, gesundheitlich unbedenkliche Mineralfaserdämmplatten ersetzt.“ Auf einem Großteil der Etagen sei dies bereits erfolgt, so Heinrichs-Müller: „Die hier verbaute Mineralfaser ist von ihrer Grundstruktur nicht brandbeschleunigend. Sie besteht aus Glas- und Steinwolle, und diese Materialien fangen von sich aus nicht an zu brennen.“

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