Friedhof in Niederpleis Tendenz zu immer mehr Urnengräbern

RHEIN-SIEG-KREIS · Wenn die Bäume ihre Kleider abstreifen und die Temperaturen sinken, bleibt den Menschen unweigerlich mehr Zeit für Muße. Ihre Gedanken kreisen stärker als sonst um die Lieben, die nicht mehr unter ihnen weilen.

 Ein Ort der Ruhe: Der Friedhof an Sankt Martinus in Sankt Augustin Niederpleis.

Ein Ort der Ruhe: Der Friedhof an Sankt Martinus in Sankt Augustin Niederpleis.

Foto: Holger Arndt

Mit Allerheiligen, Allerseelen oder Totensonntag schenkt der November ihnen Tage, an denen sie ihrer ganz besonders erinnern. Viele zieht es dann auf den Friedhof als einen Ort des Gedenkens - und dieser ist derzeit im Wandel.

"Die Bestattungskultur hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert", sagt Andrea Müller, der als Leiterin des Siegburger Standesamtes auch die Verwaltung der vier Friedhöfe obliegt. Inzwischen habe die Stadt mehr Urnen- als Erdbestattungen. In der Nachbarkommune Sankt Augustin ist das nicht anders: "Wir haben eine sehr deutliche Tendenz hin zu Urnengräbern", sagt Stadtsprecherin Eva Stocksiefen mit Blick auf die sieben Friedhöfe. Und auf den zwölf Hennefer Begräbnisstätten ist jede zweite Beerdigung eine Urnenbestattung, so Stadtsprecherin Mira Steffan.

Eine Entwicklung, die bundesweit zu beobachten ist, wie Alexander Helbach von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur in Königswinter, erklärt. "Etwa 60 Prozent der Deutschen werden eingeäschert", sagt Helbach. Vor 20 Jahren habe die Zahl nicht einmal ein Drittel dessen erreicht. Die Gründe sind schnell ausgemacht: "Eine Urnenbestattung ist deutlich günstiger", sagt Eva Stocksiefen. Und sie bedeute weniger Arbeit für die Hinterbliebenen, die oft gar nicht mehr in der Nähe wohnen. "Die Bestattungskultur ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung", ergänzt Andreas Helbach.

"Die Menschen brauchen einen Ort, an dem sie trauern können, daher ist es wichtig, diese Kultur zu erhalten", sagt Andrea Müller. Die Stadt Siegburg ist der Entwicklung vor drei Jahren mit einer Änderung ihrer Friedhofssatzung begegnet. Seither gibt es auf dem Nordfriedhof und auf dem Waldfriedhof in Kaldauen einen Friedhain, auf dem Urnen anonym beigesetzt werden.

Die Namen der Toten sind auf Plaketten an einem Pfahl zu lesen. Im Mai 2012 wurde auf dem Nordfriedhof der "Michaelsgarten" eingesegnet. Das ist ein Gräberfeld, das von der Michaelsgarten GbR, einem Zusammenschluss aus Bestattern, Friedhofs- und Landschaftsgärtnern, betreut und gepflegt wird. Ein Konzept, das trägt. Die insgesamt 200 Grabstätten für Urnen- wie für Erdbestattungen sind belegt, so dass der Michaelsgarten inzwischen auch um den Rosengarten erweitert wurde.

Dem Wunsch nach alternativen Bestattungsformen trägt Hennef seit Januar 2012 mit dem Ruhewald in Geistingen Rechnung. Die Urnen werden dort rund um Bäume bestattet. Emailleplaketten verraten auf einer Stele die Namen der Beigesetzten. "Wir haben hier pro Jahr bis zu 50 Beerdigungen", sagt Mira Steffan. Anonyme Bestattungen seien auf dem Friedhof an der Steinstraße möglich.

In Sankt Augustin mache man sich Gedanken, erklärt Eva Stocksiefen. "Wir wollen versuchen, dem Wunsch nach unterschiedlichen Bestattungsarten gerecht zu werden." Vereinzelt gibt es schon besondere Formen. In Niederpleis etwa hält die Stadt ein Feld vor, auf dem die Asche der Toten ausgestreut wird. In Menden ist ein Areal angelegt, auf dem nach den Regeln des Islams bestattet werden kann. Und in Mülldorf finden wie in Hennef an der Steinstraße und auf dem Nordfriedhof in Siegburg, Sternenkinder - das sind Fehl- und Totgeburten - ihre letzte Ruhe.

Andrea Müller bietet in Siegburg regelmäßig Führungen an: "Wir möchten Leben auf den Friedhof bringen und über die vielen Möglichkeiten der Bestattung informieren." Und sie wollen außergewöhnliche Grabstätten zeigen. Was deren Gestaltung betrifft, sei man sehr liberal, so Müller: "Es darf nur nicht anstößig sein."

Die Stimmung auf den meist parkähnlichen Anlagen ist nicht nur im Herbst eine besondere. "Es ist ein Ort der Ruhe und Besinnung", findet auch Eva Stocksiefen. Ein Ort, der zum Verweilen, zur inneren Einkehr und zur Muße lädt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort