Mehrere Jahre Haft Teppichhändler zockten Senioren ab

Sankt Augustin/Bonn · Am Ende zeigten sie sich reuig und geläutert, aber zwischen 2018 und 2020 betrogen die Angeklagten vor allem ältere Menschen um insgesamt 230.000 Euro. Das Bonner Landgericht verurteilte nun vier von ihnen.

 Betrügerischer Teppichhandel wurde vor dem Bonner Landgericht verhandelt. (Symbolfoto)

Betrügerischer Teppichhandel wurde vor dem Bonner Landgericht verhandelt. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Oliver Berg

Am Ende des Prozesses waren die Teppichhändler auf der Anklagebank so geläutert und reuig, dass beim Schuldspruch ein wenig aus dem Blick geriet, was sie den Opfern – fast alle ältere, vertrauensselige Menschen – angetan hatten. Das Bonner Landgericht hat jetzt vier der fünf Angeklagten – einer konnte wegen Erkrankung nicht anreisen – wegen schweren Betrugs und Hehlerei in sieben Fällen zu milden Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt.

Demnach hat das Familienoberhaupt (72) aus dem Rhein-Erft-Kreis nur ein Jahr Haft mit Bewährung bekommen; einer seiner beiden Söhne (32) sowie der Frankfurter Fahrer der Familie (47) wurden mit anderthalb sowie knapp zwei Jahren Haft belegt: Einzig der ältere Sohn (36), Initiator der Beutezüge, muss mit zwei Jahren und drei Monaten in Haft, die er sicher im offenen Vollzug absitzen wird.

Entscheidend für die milde Verurteilung war neben den frühen Geständnissen, so ihr Vorsitzender Jens Rausch, dass die Angeklagten, alle aus der Volksgruppe der Sinti und Roma, nicht im klassischen Sinn eine Bande, sondern eine Gruppierung seien, die „durch Verwandtschaft, Kultur, Sitten und Bräuche verbunden ist“. Die Mitglieder, die oft keine Schule besucht haben, hätten sich seit Generationen als fliegende Händler, Teppichverkäufer oder als Schausteller durchgeschlagen. Als die Angeklagten wegen hoher Schulden – auch wegen Glücksspiels und Alkoholexzessen – ihre Familien nicht mehr ernähren konnten, gingen sie bundesweit auf kriminelle Tour.

Vor allem Teppichsammler betrogen

Von April 2018 bis März 2020 nahmen sie vor allem betagte Menschen ins Visier, die sich auf das Sammeln exklusiver Teppiche spezialisiert hatten: Diese „Kunden“ seien laut Urteil besonders anfällig dafür gewesen, wenn die Teppichhändler ihnen Rabatte für das Reinigen ihrer Knüpfware anboten, und später auch für die verführerischen Offerten, ihre Teppiche in Kommission zu nehmen, um sie angeblich an vermögende Interessenten zu verkaufen oder bei einer Auktion zu versteigern.

Ihre Teppiche sahen die Geschädigten fast alle nicht wieder; auch nicht die Darlehen, die sie vertrauensselig gewährten. So war ihnen unter anderem vorgegaukelt worden, dass ein schwerkranker Bruder eine Operation brauche. Der Schaden insgesamt beträgt rund 230.000 Euro.

Die Adressen ihrer Opfer stammten aus Kundenkarteien von Teppichhäusern, die unter der Hand kursierten. Diese hätten sie, so das Urteil, systematisch ausbaldowert. Darunter war ein Ehepaar aus Sankt Augustin, das die Ermittlungen im Mai 2019 ins Rollen gebracht hatte. Weitere Geschädigte hatten sich bald aus dem gesamten Bundesgebiet – unter anderem Rhein-Erft-Kreis, Westerwald, südliches Rheinland-Pfalz oder Hessen – gemeldet. Im Oktober 2020 kam es zu einer Razzia, durch die den Tätern das Handwerk gelegt wurde.

Seitdem soll sich das Leben der Großfamilie „auf den Kopf gestellt“ haben. Dem „sündigen und gelangweilten Schmarotzerdasein“ hätten sie entsagt, wie sie im Prozess beteuerten. Die Brüder berichteten, dass sie erstmals mit „anständigen“ Jobs Geld verdienten und dass sie sich in christlichen Gemeinden um Obdachlose kümmerten; so auch ihr Vater, der sich in einem Verein für mittellose Sinti und Roma engagiert.

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