GA-Serie "Eine Stunde mit..." Unterwegs mit Müllwerkern in Sankt Augustin

SANKT AUGUSTIN · Stimmengewirr, vereinzelte Rufe - ein Anflug von Hektik, von Aufbruch liegt in der Luft, und das um halb sieben am Morgen dieses verregneten Tages. "Wenn du lieber ausschläfst oder dir zu fein dafür bist, bei Wind und Wetter rauszufahren, kannst du diesen Job vergessen", sagt der Mann in Orange, der vor dem großen grauen Gebäude in einem Troisdorfer Gewerbegebiet steht, das den Betriebshof der AbfallLogistik Rhein-Sieg GmbH (ARS) beherbergt.

Roberto Ponente, genannt Robbi, ist 32 Jahre alt und arbeitet als Müllwerker für die ARS, eine Tochtergesellschaft der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH (RSAG). Jeden Morgen geht Ponente mit seinem Teampartner Thorsten Müller (31) auf Tour, so auch heute. Bevor es losgeht, müssen die beiden aber erst mal den Papierkram erledigen.

Um viertel vor sieben haben die Männer ihre Unterlagen für den heutigen Arbeitstag von Disponent Kurt Gebhardt bekommen, der bei der ARS alle Touren koordiniert. Jetzt muss fein säuberlich jedes Detail vermerkt werden. Ist an dem großen Müllwagen mit der Nummer 87 alles in Ordnung? Roberto Ponente stellt sich vor den Laster, Thorsten Müller betätigt nacheinander Licht, Blinker und diverse Arbeitsleuchten. "Da haben wir's, der Blinker rechts geht nicht", ruft Ponente und schwingt sich wieder auf den Sitz neben seinen Kollegen. "Da müssen wir direkt noch mal in die Werkstatt."

Müller seufzt und steuert das riesige Fahrzeug direkt in die ans Dispositionsgebäude angrenzende Werkstatthalle, wo alles getestet und gegebenenfalls repariert werden kann. Und siehe da: Plötzlich funktioniert der Blinker einwandfrei. Es kann also losgehen. Rückwärtsgang rein, raus aus der Werkstatt. Müller fährt, Ponente dirigiert den Kollegen aus der engen Halle - und plötzlich kracht es. Doch Müller verzieht hinter dem Lenkrad keine Miene - Werkstattleiter Dirk Vleer hat sich nur einen Scherz erlaubt und einmal kräftig auf die Außenseite des robusten Lkw gehauen. "Spaß muss sein", sagt Müller trocken.

Jetzt aber: Anders als die sogenannten "Springer" der insgesamt rund 120 Müllwerker haben Ponente und Müller eine feste Route. Die führt sie nun über die B 56 und ein kleines Stück der A560 nach Sankt Augustin. Es geht am alten Tacke-Gebäude vorbei durchs Zentrum Richtung Hangelar. In einem Wohngebiet beginnt die eigentliche Arbeit der Müllwerker. Heute ist das Altpapier dran - rund 30 Tonnen davon werden die Müllwerker heute im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis einsammeln.

In einer blauen Mappe sind auf grünen Zetteln alle Stationen der Route vermerkt - so wissen die Arbeiter genau, wo wie viele Tonnen stehen müssten. Sind es zu viele, müssen die überflüssigen stehenbleiben. Sind es zu wenige, wird auch das vermerkt und an die Zentrale gemeldet. "Manchmal vergessen die Leute natürlich, ihre Mülltonne rauszustellen und rufen dann später an", sagt Thorsten Müller. Wenn sie es zeitlich schaffen, fahren die Müllwerker dann noch mal bei den Vergesslichen vorbei und holen den Müll ab.

Oft muss das aber gar nicht sein: Als Müller und Ponente gerade weiterfahren wollen, kommt, offenbar aufgeschreckt durch das Brummen des Müllautos, plötzlich ein Mann angeflitzt, barfuß, bekleidet nur mit einem blauen Bademantel. Er rudert, noch sichtlich verschlafen, mit den Armen, zeigt auf einen großen Karton voller aller Zeitungen und Prospekte und ruft den Müllmännern zu: "Nehmt ihr das noch mit, bitte?" "Klar doch", sagt Roberto Ponente mit einem Augenzwinkern, nimmt dem Mann den Karton ab und entleert den Inhalt in den Laderaum des Lasters, in den insgesamt rund zehn Tonnen Müll passen.

Ponente arbeitet seit knapp zwei Jahren für die RSAG-Tochtergesellschaft, Müller ist seit mehr als zehn Jahren dabei. Die beiden kennen sich schon aus der Schulzeit und sind ein perfekt eingespieltes Team. Vom Fahrersitz aus kann Müller über eine Kamera genau beobachten, wie sein Kollege hinter dem Wagen vom Trittbrett springt, jeweils zwei grüne Mülltonnen heranzieht und sie auf die Laderampe wuchtet. Nur wenn die Tonnen richtig einrasten, setzt sich die automatische Schüttung in Bewegung, hievt die Tonnen in die Luft und kippt sie, so dass der Inhalt in den Wagen fallen kann.

Was bei Roberto Ponente kinderleicht aussieht, ist Schwerstarbeit: Manche Tonnen sind so vollgestopft, dass man sie kaum ziehen kann. Dann kann es, wie an diesem Morgen um kurz vor halb acht, passieren, dass die Presse im Laster die Masse an Müll nicht schnell genug verarbeiten kann: Plötzlich spuckt der Müllwagen in einem Schwall Pappverpackungen aus dem Supermarkt, zusammengeknüllte Zettel und bunte Prospekte auf die Straße - und Ponente muss den Müll von Hand wieder aufsammeln und in den Wagen werfen.

Er nimmt es mit Humor: "Der Job ist halt nicht für jeden was", sagt er grinsend. Wenn es schneit oder in Strömen regnet, kann der Tag für die Müllwerker lang werden. Und wenn Autos so geparkt sind, dass der Müllwagen kaum daran vorbekommt, wenn hinter dem Wagen wütende Autofahrer hupen, denen es nicht schnell genug geht, kann er auch nervenaufreibend sein. Als die Müllwerker den Laster an einem Reihenhaus vorbeisteuern, winkt ihnen ein kleiner Junge, der neben seinem Vater vor der Haustür steht, mit großen Augen fröhlich zu. Thorsten Müller, winkt zurück und lächelt. "Insgesamt ist es ein toller Job", sagt er.

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