"Hope's Angel" aus Sankt Augustin Verein begleitet Eltern von Sternenkindern

Sankt Augustin · Seit 2015 betreut der Verein Hope's Angel aus Sankt Augustin Eltern bei Fehlgeburt, Stiller Geburt und Neugeborenentod. Ins Leben gerufen hat ihn Sterbe- und Trauerbegleiterin Birgit Rutz.

Trauer um Sternenkinder: Laut Statistiken gibt es im Deutschland pro Jahr rund 3000 Todgeburten. Etwa 2700 Neugeborene sterben bereits im ersten Lebensjahr.

Trauer um Sternenkinder: Laut Statistiken gibt es im Deutschland pro Jahr rund 3000 Todgeburten. Etwa 2700 Neugeborene sterben bereits im ersten Lebensjahr.

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Dutzende Schmetterlinge schmücken das Zimmer. In zarten Tönen hat eine Künstlerin sie liebevoll an die Wand im Gruppenraum des Vereins Hope's Angel in Sankt Augustin gemalt. Unter nahezu jedem steht ein Name, über 70 sind es inzwischen. Einer für jedes Kind, das der Verein in den vergangenen Jahren begleitet hat. Und damit auch für die Mütter und Väter, die dieses Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verloren haben. Seit 2015 betreut der Verein Hope's Angel Eltern bei Fehlgeburt, Stiller Geburt und Neugeborenentod. Ins Leben gerufen hat ihn Sterbe- und Trauerbegleiterin Birgit Rutz. Im April ist er aus Siegburg in neue Räume im Kamillenweg 22 in Sankt Augustin gezogen. „Weil wir so viel Bedarf haben und so viel zusätzlich anbieten möchten“, sagt Rutz.

Einen Platz an einem der Schmetterlinge hat auch der Name des Sohns von Heike und Sascha, die wie die anderen Eltern ihren vollen Namen nicht nennen möchten, gefunden. Er starb in der 38. Schwangerschaftswoche, nachdem seine Mutter plötzlich Atem- und Kreislaufprobleme bekam. Auslöser war eine seltene Krankheit, bei der das Stillhormon den Herzmuskel angreift. Im Krankenhaus habe er erfahren, dass sein Sohn tot sei und seine Frau noch um ihr Leben kämpfe, erzählt Sascha. Eine Fotografin, die in der Klinik Sternenkinder fotografiert, habe dann den Kontakt zu Rutz vermittelt. „Ich stand alleine da, konnte mich nicht mehr konzentrieren und hatte vor lauter Sorge keine Ahnung, was nun zu tun ist“, sagt Sascha. Rutz habe ihm den Papierkram abgenommen und alles in die Wege geleitet, was zu erledigen war. „Ohne sie wären wir aufgeschmissen gewesen.“

Rutz begleitete die Familie von Beginn an, ermöglichte, dass auch Heike sich von ihrem Sohn verabschieden konnte – was für sie unglaublich wichtig war. Denn sie lag zu der Zeit noch im Koma, wachte erst einige Tage später auf. „Wir hätten sonst das Gefühl gehabt, ihm nicht die Liebe zu schenken, die er verdient hat“, sagt Sascha.

Solche akuten Begleitungen gehören zum Alltag von Rutz. Darüber hinaus hilft der Verein bei Bestattungen, bietet Trauergruppen unter fachlicher Anleitung an, begleitet Eltern in einer Folgeschwangerschaft und auch die Geschwisterkinder. „Es gibt so viele Tage, da steht das Telefon nicht still“, so Rutz. Denn auch wenn Fehlgeburten, Stille Geburt und Neugeborenentod in der Öffentlichkeit nicht so präsent seien, kämen sie häufig vor. Statistiken erfassten rund 100.000 Fehlgeburten pro Jahr in Deutschland. „Wir gehen in Fachkreisen aber von mindestens der doppelten Menge aus“, sagt Rutz. Totgeburten gebe es rund 3000 im Jahr, und im ersten Lebensjahr würden etwa 2700 Neugeborene sterben.

Verein finanziert sich über Spenden

Rutz hat selbst fünf ihrer sieben Kinder verloren. Eine Fehlgeburt erlitt sie, als sie mit ihrem Mann in Kalifornien lebte. Sie suchte einen Platz, um sich zu verabschieden – und fand die Organisation „Garden of Innocence“. Dort sei sie als Vizepräsidentin hängengeblieben, und als sie zurück nach Deutschland kam, wollte sie etwas davon mitnehmen. So entstand Hope's Angel. Finanziert wird der Verein über Spenden, den Eltern sollen keine Kosten entstehen. Denn Trauerbegleitung wird laut Rutz nicht von Krankenkassen oder anderen allgemeinen Stellen getragen. Die Mitarbeiter engagieren sich ehrenamtlich. Sie betreuen Gruppen oder nähen Kleidung für die Sternenkinder, die sie an die Eltern verschenken. Kleine Taschen gefüllt mit Trosttee, einer Kerze, Armbändern, Broschüren und Vergissmeinnicht-Samen geben sie ebenfalls aus.

Mehr als 1000 hat der Verein dieses Jahr bereits verschickt. An diese Geste erinnert sich auch Verena gut. Auch sie verlor ihren Sohn in der Schwangerschaft, er kam in der 32. Woche still zur Welt. Sie war sich allerdings vor der Geburt sicher, ihn nicht sehen zu wollen. Eine Hebamme wandte sich deshalb an Rutz. „Eltern sagen das in dem Moment, weil sie überfordert sind, und nicht, weil sie das Kind nicht lieb haben“, so die Trauerbegleiterin. „Die Eltern müssen Zeit mit ihren Kindern verbringen, damit sie verstehen, was passiert, und damit sie von Herzen verstehen, dass sie Eltern sind.“ Dabei gebe es auch schöne Momente, wenn die Mütter und Väter etwa Ähnlichkeiten mit dem Kind feststellen würden.

"Ich möchte noch viel über unseren Sohn reden"

Heute ist Verena dankbar, diese Momente mit ihrem Sohn gehabt und auch Fotos von ihm und von der Beerdigung, die Birgit Rutz sehr persönlich gestaltet habe, zu haben. „Es ist mir auch so wichtig, dass Familie und Freunde ihn gesehen haben“, sagt sie. Rutz und der Verein hätten ihr viel geholfen. „Es geht für viele das Leben weiter“, so Verena. „Ich möchte noch viel über unseren Sohn reden. Hier ist der Rahmen, in dem man das kann.“

Bei Hope's Angel ist laut Rutz gerade die achte Trauergruppe aufgemacht worden. Die Paare treffen sich dort einmal im Monat. „Die Eltern, deren Kinder nie gelebt haben, müssen die Kinder erst einmal in die Familie holen“, sagt Rutz. „Die Außenwelt suggeriert ja eher, das war noch nichts. Werde einfach wieder schwanger, dann ist es gut. Aber das ist nicht so.“ Solch ein Verlust sei etwas, das die Eltern für immer aushalten und in ihr Leben integrieren müssten. Birgit Rutz: „Da versuchen wir zu helfen.“

Info:Weitere Infos gibt es im Internet unter www.hopesangel.com

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