Flüchtlingsunterkünfte in Sankt Augustin Vereine sorgen sich wegen gesperrter Hallen

SANKT AUGUSTIN · Immer mehr Flüchtlingseinrichtungen müssen in Turn- und Sporthallen entstehen. Die Clubs zeigen Verständnis für Flüchtlingsunterkünfte, fürchten aber einen Stimmungsumschwung bei den Mitgliedern. Die müssen auf Spiel- und Trainingszeiten verzichten.

 In der Halle am Schützenweg in Niederpleis spielten die Sportler früher Tischtennis. Mittlerweile leben dort Flüchtlinge.

In der Halle am Schützenweg in Niederpleis spielten die Sportler früher Tischtennis. Mittlerweile leben dort Flüchtlinge.

Foto: Tus Niederpleis

Für Herbert Homge steht eins fest: "Wenn in Mülldorf ständig Bomben fielen, würde ich auch aus Niederpleis fliehen." Homge ist Vorsitzender des TuS Niederpleis - und macht sich Sorgen um seinen Verein. Vor den Sommerferien mussten Homge und Co. die Halle räumen, seitdem nutzt die Stadt die Halle am Schützenweg in Niederpleis als vorübergehende Flüchtlingsunterkunft. Der Verein muss also ausweichen. "Wir sind jetzt quer über das ganze Stadtgebiet verteilt. So bröckelt langsam der Zusammenhalt", sagt Homge.

Aktuell hat die Stadt drei Turnhallen gesperrt: eben in Niederpleis sowie in Mülldorf in der Schiffstraße und nun auch im Schulzentrum Menden. Bürgermeister Klaus Schumacher sagte nach der Schließung in Menden: "Wir wissen, dass dies Einschnitte im Schul- und Vereinssport bedeutet. Wir werden alles daransetzen, die Sporthallen so schnell wie möglich wieder für den Sport zur Verfügung zu stellen. Einen Zeitplan vermag ich ehrlicherweise aber im Moment nicht aufzustellen. Dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten."

Ganz konkret hat beispielsweise der FC Kosova Sankt Augustin ein Problem: Der Verein trainiert in Menden auf dem angrenzenden Aschenplatz, zieht sich aber in der Turnhalle um. Das geht nun nicht mehr. Das teilte Ursula Steinmetz vom Fachbereich Kultur und Sport in einem Schreiben mit: "Es gibt jetzt nur die Möglichkeit, dass sie eventuell das Training ohne Kabinen absolvieren und die Spiele auf einem anderen Platz austragen oder komplett auf einen anderen Platz, eventuell sogar in eine andere Stadt ausweichen." Das missfällt dem Verein. Abteilungsleiter Arton Delijaj sagt: "Wir begrüßen es, dass die Flüchtlinge kommen, aber wir haben über einen längeren Zeitraum keine Heimat. Eventuell verlieren wir Spieler, die nicht mehr bei uns trainieren möchten, weil sie nicht duschen können."

Ähnlich äußert sich Homge: "Wenn ich keine Hallenzeiten und damit keinen Sport mehr anbieten kann, stellt sich irgendwann die Frage der Beitragsrückerstattung an die Mitglieder." Schon jetzt seien 25 bis 30 Mitglieder ausgetreten, weil sie die Halle in Niederpleis nicht mehr nutzen könnten. Einige von ihnen, so Homge, wollten ihre Kinder nicht durchs Stadtgebiet transportieren. "Das hat also auch finanzielle Konsequenzen für uns", sagt der Vorsitzende.

Der ASV Sankt Augustin ist laut seiner Vorsitzenden Gabriele Wiskemann zunächst einmal weniger stark als andere Vereine betroffen, weil er ohnehin viele Räume in der ganzen Stadt nutze. Aber Wiskemann sagt: "Die Vereine streiten sich untereinander, sind verfeindet und hauen sich gegenseitig in die Pfanne. Sie schwärzen sich gegenseitig bei der Stadt an. Aber das muss man ja fast schon machen, um Hallenzeiten zu bekommen."

Der Stadtsportverband will nun in den nächsten zwei Wochen die betroffenen Vereine zu einer Infoveranstaltung einladen. Das kündigte der stellvertretende Vorsitzende Gisbert Schäfer gegenüber dem GA an. Schließlich brenne das Thema den Leuten auf den Nägeln. Etwa 60 Vereine sind dem Stadtsportverband angeschlossen. "Natürlich ist das für die Mitglieder eine traurige Situation, aber sie müssen angesichts der Umstände Verständnis aufbringen."

Ein Verständnis, das die befragten Vereine auch zeigen. Allerdings sorgen sie sich um die Stimmung in der Stadt. "Die Mitglieder werden langsam ungehalten", sagt Herbert Homge vom TuS Niederpleis. Und Gabriele Wiskemann vom ASV sagt: "Wir haben viel Verständnis für die Flüchtlinge, aber die Stadt muss andere Möglichkeiten schaffen. So geht die ganze Vereinsstruktur kaputt. Und teilweise kippt die Stimmung."

Der Kreissportbund sieht die Entwicklung auch mit Sorgen, aber der Vorsitzende Wolfgang Müller betont: "Wir werden jetzt kein Fass aufmachen, dass der Sport Vorrang hat. Unsere Vereine leisten viel in der Integrationsarbeit, aber es könnte noch mehr sein, wenn sie die Hallen dafür hätten." Der ASV kennt das Problem: Der Verein schreibt in einer Mitteilung, dass er seine Aufgabe auch darin sieht, Flüchtlinge in das Gesellschaftsleben zu integrieren und eine Eingliederung so einfach wie möglich zu gestalten. Allerdings seien die Kapazitäten aufgrund fehlender Platz- und Hallenzeiten begrenzt, um noch aktiver zu sein. Wolfgang Müller sagt: "Wir wünschen uns, dass die Unterbringung in den Hallen nur vorübergehend ist, die Menschen sollen in würdigere Räumlichkeiten kommen. Wir als Sport wollen helfen, die Leute zu integrieren."

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