Geothermie in der Region "Verkanntes Potenzial"

SANKT AUGUSTIN · Tief unter unseren Füßen brodelt es gewaltig. Denn unter der vergleichsweise dünnen und festen Erdkruste fließen Unmengen an Magma, geschmolzenem Gestein. Diese Hitze machen sich Menschen zunutze: Geothermie heißt die Technik, bei der kaltes Wasser in die Tiefe gedrückt wird, sich dort von selbst erhitzt und zurück an die Oberfläche geleitet wird. Mit daraus erzeugtem Dampf werden Turbinen zur Stromerzeugung angetrieben, und es wird Fernwärme erzeugt.

 Mit Industriediamanten besetzt ist der Bohrkopf für eine Geothermie-Bohrung.

Mit Industriediamanten besetzt ist der Bohrkopf für eine Geothermie-Bohrung.

Foto: dpa

Und das nicht nur auf der Vulkaninsel Island. Auch in Norditalien, Frankreich, der Schweiz und sogar in Deutschland erforscht man die Nutzung der schier unerschöpflichen Energiereserve. Dabei müsse man gar nicht weit in die Ferne schweifen, sagt der Sankt Augustiner Architekt Heinrich Geerling. Im Umweltbildungszentrum Pleistalwerk hatte Geerling am Samstag fünf Interessierte zu einem Experten-Workshop empfangen, der sich mit den Geothermiepotenzial der Region Siebengebirge befasst.

"Bereits 1972 gab es in Niederpleis eine Bohrung. Aufgrund dieser Bohrung sollte hier ursprünglich ein Thermalbad entstehen. Die Idee ist aber in den 1980er Jahren gestorben," resümierte Geerling. Wichtig für die Nutzung von Geothermie seien Verwerfungen und Bruchkanten im Untergrund, die mit porösem Gestein für warmes Wasser durchlässig seien. Allein fünf solcher Bruchkanten hatte ein Geologe im von Vulkanen durchzogenen Siebengebirge und am linksrheinischen Rodder- und Godesberg ermittelt. Eine dieser Verwerfungen reiche vom Siebengebirge über das Pleistal bis zum Michaels- und den beiden Wolsbergen in Siegburg, so die Annahme der Geologen. "Damals hat man bei der Bohrung in Niederpleis diese Verwerfung getroffen. Man fand auch gutes, warmes Wasser. Aber die Schüttraten waren damals zu gering," erklärt Heinrich Gerling: "Heute sind wir aber 30 bis 40 Jahre Bohr- und Bergbautechnik weiter. Man würde ganz anders, weiter und tiefer bohren."

Das "verkannte Potenzial" der Geothermie für die Region stuft der Geerling, der seit Jahren an dem Thema forscht, als groß ein. Denn "die Region ist durch Bruchkanten ziemlich perforiert. Das sieht man an den diversen Basaltdurchbrüchen. Der Basalt ist porös, klüftig und in Säulenform und wäre für eine Geothermienutzung gut geeignet." Doch Geerling kennt auch die Schattenseiten: Das Bohren kann nicht nur warmes Wasser, sondern auch Spannungen freisetzen. Spannungen, die durch die Bewegungen der Erdkruste entstehen, sagt Geerling: "Deutschland bewegt sich mit 2,5 Zentimetern im Jahr nordostwärts. Das heißt, dass unser Ort zu Römerzeiten vor 2000 Jahren 50 Meter weiter weg gelegen war."

Werden solche Spannungen tief unter der Erde gelöst, könnte man dies, je nach Stärke, als leichtes Beben spüren. Doch Geerling relativiert: "Die Spannungen sind jetzt schon da, bauen sich sogar noch weiter auf. Und wir sprechen von Aktivitäten um den Wert drei auf der Richterskala. Davon gibt es jedes Jahr weltweit etwa 49.000 natürliche Ereignisse." Ohnehin, sagt Geerling, wäre es verfrüht, so weit zu denken: "Wir haben hier die schöne Situation, dass sich hier die Geologie mit den städtebaulichen Voraussetzungen überlagert."

Um Gewissheit zu haben, sei eine Erforschung des Untergrunds, wie sie derzeit anderenorts in Deutschland durchgeführt wird, zwischen dem Siebengebirge und Siegburg notwendig. Entsprechende Fördermittel dafür gebe es, betont Geerling, doch fehle es an professionellen Mitstreitern, um "die geologischen Grundlagen zu ermitteln und diesen spannenden, seismischen Raum wissenschaftlich zu durchackern."

Geothermie im Kreis
Eine Übersicht zu geothermischem Potenzial in der Region bietet der Rhein-Sieg-Kreis auf der Internetseite www.energieregion-rhein-sieg.de an. Über den Menüpunkt "Erneuerbare Energien" gelangt man zum Thema Geothermie. Dort sind digitale Karten abrufbar.

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