Spurensuche in Sankt Augustin Verschwunden, verlassen, verwildert

Sankt Augustin · Dass es regnet, stört den Läufer, der Runde um Runde joggt, ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Sportplatz, auf dem er läuft, längst keiner mehr ist: Als am 16. Juni 2006 das Sportzentrum im Sankt Augustiner Zentrum-West eröffnet wurde, bedeutete dies das Aus für den ehemaligen Sportplatz des Rhein-Sieg-Gymnasiums.

Doch geschehen ist dort seither wenig: Eine Baustraße durchquert den Platz, die Tartanbahn ist aufgerissen. Längst haben Sträucher den Platz zurückerobert, Bäume ihre Wurzeln zwischen Torraum und Weitsprungfeld geschlagen. Freizeitsportler stört das Umfeld aus Müll und Wildwuchs, die heute als Kulisse für einen Mad-Max-Film herhalten könnte, offenbar wenig.

Es sind solche verlassenen Orte, die mitten unter uns sind und die wir trotz junger, kurzer Stadtgeschichte fast schon wieder vergessen haben. Orte wie das Klosterbad. Wer erinnert sich noch? Das Mitte der 1990er Jahre stillgelegte Hallenbad hatte einst sogar ein Café, eine Sauna und Sonnenbänke.

Noch Anfang der 2000er Jahre gastierten dort verschiedene Pächter mit Saunabetrieben, medizinischer Fußpflege und Solarien. Im 2002 abgesegneten Sportentwicklungskonzept hatte die Stadt noch die Hoffnung, ein privater Investor könnte das Klosterbad aus seinem Dornröschenschlaf wecken und mit Zugang zum Freibad "in Richtung einer Wellness-Konzeption" ausbauen. Die Träume wurden nie Realität, das Klosterbad schläft seither weiter und ist, wie man im Rathaus mitteilt, "auch nicht mehr sehr ansehnlich."

Ansehen würde man auch dem asphaltierten Basketballplatz an der Alten Heerstraße seine Geschichte nicht. Wo heute neben der Grundschule Am Pleiser Wald auf knapp 2400 Quadratmetern Jugendliche Fußball oder Basketball spielen und die Reste der Bemalung als Verkehrserziehungsplatz zu erkennen sind, stand einst ein Asphaltwerk, ein Werk der Deutag.

Noch heute sind die Fundamentreste des Verwaltungsgebäudes erkennbar. Am Grünstreifen am Fahrradweg entlang der Alten Heerstraße zur Bahnstraße erobert die Natur derzeit die Waage, auf der einst Lkw vor und nach ihrer Beladung gewogen wurden. Dort, wo heute der Niederpleiser Stadtpark ist, wurde seit Mitte der 1950er Jahre bis zur Grundwasserlinie ausgekiest. Der leicht lehmhaltige, feste und wasserdurchlässige Kies soll sich besonders für den Wegebau geeignet haben.

An der Alten Heerstraße wurde er mit Asphalt zu Straßenbelägen vermischt. Wann das Werk geschlossen wurde, weiß heute niemand mehr so genau. Irgendwann zwischen 1976 und 1981 war das Deutag-Mischwerk nach Meindorf umgezogen. Das Gelände in Niederpleis, in dessen Nachbarschaft auch ein Betonwerk stand, wurde planiert, als im Juni 1980 der Rat dem Bau der Grundschule Am Pleiser Wald zustimmte.

Ein Teil des ehemaligen Grundstücks ist bis heute ungenutzt. Zuletzt kam das Grundstück 2008 ins Gespräch, als man überlegte, den 2006 am Sportplatz des Rhein-Sieg-Gymnasiums abgebauten Skatepark hier neu zu errichten. Aus Lärmschutzgründen zog man das Grundstück an der Zufahrt zum Freibad für den Skatepark vor. Auch ein Grund dürfte die Vorgeschichte des Platzes gewesen sein: Unter ihm schlummern Altlasten, deren Ausmaß niemand so genau kennt.

Ganz genau kennt man hingegen die Geschichte des Pleistalwerks, auch als "Zeche Plato" bekannt. Die ehemalige Ziegelei wurde 1841 von Albert von Mühlmann gegründet. Feuerfeste Ziegelsteine, Tonröhren für Be- und Entwässerung sowie Dachziegel waren Produkte "Made in Birlinghoven".

Nach vielen Aufs und Abs, Bränden, Erweiterungen und wechselnden Firmen hatte das Werk im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg seinen letzten Höhepunkt. 1971 wurde der Betrieb eingestellt: Die Tonvorkommen der Region waren erschöpft, zudem setzten sich beim Leitungsbau Kunststoffrohre durch. Aktuell plant ein Verein ein Umweltbildungszentrum auf dem Gelände, auf dem immer wieder - verbotenerweise - Abenteuerlustige, Wagemutige und Hobbyfotografen zu sehen sind. Das Zutrittsverbot hat einen guten Grund: Teile der Gebäude sind marode und stark einsturzgefährdet.

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