Nach Corona-Lockdown So haben Lehrer die Öffnung der Grundschulen in der Region erlebt

Rhein-Sieg-Kreis/Siebengebirge · Absperrbänder, Masken, Hinweisschilder: Am Montag ging für die Grundschüler in der Region zum ersten Mal wieder der gemeinsame Unterricht im Klassenverband los. Die Normalität ist aber noch nicht wieder erreicht.

 Absperrbänder regeln auf dem Schulhof der Siegburger Grundschule Nord, dass die einzelnen Klassen unter sich bleiben.

Absperrbänder regeln auf dem Schulhof der Siegburger Grundschule Nord, dass die einzelnen Klassen unter sich bleiben.

Foto: Nadine Quadt

Ein Schritt in die Normalität sollte es werden, versprach Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer. Am Montag besuchten die Grundschüler im Rhein-Sieg-Kreis und im Siebengebirgsraum erstmals wieder ihre Schule zum geregelten Unterricht im Klassenverband – fast wie vor Corona und nach wochenlangem Homeschooling unter Aufsicht der Eltern und einem rollierenden Verfahren ab Mitte Mai. „Die Kinder sind sehr glücklich. Endlich können sie wieder ihre Freunde treffen und mit ihnen lernen“, sagt Rita Schonauer, Leiterin der Longenburgschule in Niederdollendorf.

Seit mehr als 30 Jahren ist Schonauer Lehrerin, seit fast 20 Jahren Leiterin der Gemeinschaftsgrundschule an der Friedenstraße. Aber auch für sie waren die vergangenen Monate eine Ausnahmesituation. Das betätigt auch Rita Bachmann-Richarz, Leiterin der Theodor-Weinz-Schule in Aegidienberg. Auch hier beginnt der Endspurt des Schuljahres als Neustart – in zwei Wochen beginnen die Sommerferien.

„Wir waren oft am Limit, hatten nie den Kopf frei, mussten improvisieren, oft ad hoc reagieren“, so Schonauer. Bei ihr fielen drei Kolleginnen aus, weil sie aus gesundheitlichen Gründen zur Risikogruppe zählen. An der Aegidienberger Grundschule sind es vier. „Ich war heute selbst am Bus, habe Aufsicht geführt während des Aussteigens und hatte auch den Parkplatz im Blick“, erzählt Rita Bachmann-Richarz. Sowohl die Schulbusse als auch die Kinder, die zu Fuß kamen oder von Eltern gebracht wurden, erreichten die Schule zeitversetzt, wie es mit den Eltern geplant war.

Im Bus mussten Masken getragen werden, auch auf dem Weg zum Platz im Klassenzimmer. Die Klassenzimmer durften die Kinder nur mit frisch gewaschenen Händen betreten – auch nach der Pause. „Aber wir hatten bereits vor Corona in jedem Klassenzimmer ein Waschbecken“, so die Aegidienberger Schulleiterin. Nur ein Kind darf jeweils auf die Toilette.

Ähnlich läuft es in Niederdollendorf ab. „Wir haben keinen Gong mehr und eine ganz strikte Pausenordnung, sodass es keine Durchmischung von Klassen gibt“, berichtet Rita Schonauer. Aber das haben die Kinder in den vergangenen Wochen bereits trainiert.

Schonauer: „Neu ist, dass sie nun wieder in der Klasse nebeneinander sitzen. Es ist wichtig, den Kindern deutlich zu machen, dass dies eine Sondersituation ist, warum sie nebeneinander sitzen.“ An der Longenburgschule gibt es nur noch eine Pause, für jede Klasse ist pro Tag außerdem eine kurze Bewegungseinheit in der Turnhalle vorgesehen.

Bachmann-Richarz: „Für uns ist die Pause, die versetzt in Klassen durchgeführt wird, nicht so ein großes Problem, wir haben hier rund ums Gebäude sehr viel Platz und haben in den letzten Wochen auch Pausenspiele mit Abstand eingeübt.“

Vier Stunden besuchen ihre Kinder die Schule, haben Mathe, Deutsch, Sachkunde. Religion fällt aus, weil die Kinder in ihren Lerngruppen bleiben müssen, ebenso gibt es keine Fördergruppenarbeit. „Wir machen Frontalunterricht, fünf Stunden die älteren, vier Stunden die Erst- und Zweitklässler“, so Schonauer.

Ihre Kolleginnen, die wegen Corona ausfallen, haben für die anderen Lehrer Vorbereitungen von zu Hause aus gemacht, sie unterstützt, berichten beide Schulleiterinnen. „Wir haben Top-Kollegen, die tolle Ideen hatten, wie sie ihre Schüler erreichen und mit Material versorgen.“

„Manche Eltern waren froh, dass der Schulbetrieb endlich wieder richtig losgeht“, so Rita Bachmann-Richarz. Es gebe auch Eltern, denen die vier Stunden pro Tag zu wenig seien, andererseits auch die, die aus Sorge um die Gesundheit vor den Ferien nicht mehr zum geregelten Unterricht zurückwollten.

An der Longenburgschule erhielten alle Lehrer eine Dienst-Mail und ein Dienst-Handy, sodass der Kontakt zu den Eltern sehr direkt war in den vergangenen Wochen. In Aegidienberg war der Mail-Kontakt mit den Eltern schon vorher normal. Schonauer: „Mir ist bei uns auch kein Fall bekannt, dass die Eltern den Regelbetrieb ablehnten.“ In beiden Schulen gibt es Kinder, die wegen eigener Erkrankung oder dem Risiko eines Elternteils vom Unterricht befreit sind.

„Ich hoffe, dass die zwei Wochen gutgehen, ich wünsche mir, dass alle Kinder und Lehrer gesund bleiben“, sagt Rita Schonauer. Sie bedauert, dass die kommenden I-Dötzchen, anders als in den Jahren zuvor, ihre Schule noch nicht kennenlernen durften. Und sie wünscht sich wieder ein Schuljahr mit mehr Normalität, mehr Planbarkeit für Lehrer, Eltern und die OGS. So sieht es auch Rita Bachmann-Richarz. „Wir hoffen, dass wir alle gesund in die Ferien gehen.“ Dass die Corona-Jahrgänge es später einmal schwerer haben würden, glaubt sie nicht. „Da sollte nicht zu viel Panik bei den Eltern bestehen. Ich gehörte selbst direkt nach meinem Schulbeginn 1966/67 zu einem Kurzschuljahrgang.“

So lief der erste Schultag im Rhein-Sieg-Kreis ab

Nach Schulschluss atmete Jacqeline Nolte am Montag erleichtert durch. „Es war wirklich entspannt“, sagte die Schulleiterin der Siegburger Gemeinschaftsgrundschule Stallberg nach dem ersten Schultag, der fast wieder ablief wie vor dem Corona-Lockdown. Gut vorbereitet seien sie in die letzten beiden Schulwochen vor den Sommerferien gestartet. „Die Stimmung war gut“, so Nolte. Nach Wochen der Schulschließung und zunächst nur tageweisem Schulbesuch in kleinen Gruppen sind auch die Grundschulen im Rhein-Sieg-Kreis zum Regelbetrieb übergegangen.

Normalität ist aber noch nicht erreicht. Davon zeugen schon Absperrbänder und Hinweisschilder auf Schulhöfen und in Gebäuden. „Wir haben die Eltern gebeten, ihre Kinder mit Masken zur Schule zu schicken“, berichtete Nolte. Im Klassenraum könnten sie diese abnehmen, auf dem Weg in die Klassen oder zur Toliette müssen sie getragen werden. „Manche haben sie aber auch im Klassenraum getragen“, sagte die Schulleiterin. Nur wenige Kinder seien ohne Mund-Nase-Schutz erschienen. Für sie gab es eine Schulmaske.

„Viele unserer Kinder haben sich gefreut, ihre Klassenkameraden alle wiederzusehen“, berichtete Petra Böhnert-Hacker, kommissarische Schulleiterin der Grundschule Sankt Martin in Sankt Augustin-Mülldorf. Aber einige seien auch verunsichert gewesen, weil sich die Regeln der vergangenen Wochen schon wieder geändert haben. „Viele Kinder waren auf Abstand getrimmt und standen zum Schulbeginn ganz brav in der Schlange.“

Das müssen sie nun nicht mehr, weil die 15 Klassen zeitversetzt beginnen und in die Pausen gehen. Da den Klassen unterschiedliche Bereiche und Eingänge auf dem Schulhof zugewiesen sind, müssen die Kinder in Mülldorf auch keinen Mund-Nase-Schutz tragen. Im Gebäude gilt nach wie vor: Maske tragen und Abstand halten.

„Bei uns ist der Regelbetrieb sehr gut angelaufen“, berichtete auch Elke Marquis, Schulleiterin der Max-und-Moritz-Grundschule in Sankt Augustin-Menden. Die Schule habe das Glück, über zwei Standorte zu verfügen. Man habe jeweils verschiedene Eingänge ausgewiesen und Notausgänge zu Eingängen gemacht. Auch in Menden ist der Schulhof unterteilt, die Klassen nutzen ihn rotierend. Ob die Kinder eine Schutzmaske tragen, ist den Eltern überlassen.

„Die Klassen bleiben in festen Gruppen zusammen. Auch die Toiletten sind fest zugeordnet“, sagte Marquis. Zudem sei in den Gebäuden eine Einbahnregelung eingerichtet. Da müsse man sich nicht begegnen. „Die Kinder halten sich ganz toll an die Regeln“, lobte die Schulleiterin ihre Schützlinge. Insgesamt habe der Start des Regelbetriebs im Großen und Ganzen besser geklappt als erwartet.

Viele Gedanken hatte sich auch Jörn Diercks, Schulleiter der Hans-Christian-Andersen-Schule in Sankt Augustin, im Vorfeld gemacht. Vor allem darüber, wie Durchmischungen der Klassen und größere Ansammlungen vermieden werden können. „Durch den gewohnten Offenen Anfang und vier verschiedene, fest zugewiesene Ein- und Ausgänge hatten wir heute Morgen ein entspanntes Ankommen der Kinder und konnten längere Begegnungen vermeiden“, sagte er. Die Kinder hätten das gut angenommen und versucht, Abstände einzuhalten. „Wir haben von den letzten Wochen profitiert, die Kinder sind sensibilisiert und haben die Hygieneregeln verinnerlicht“, so Diercks.

„Vom Lautstärkepegel her kann man sagen, dass sich die Kinder pudelwohl gefühlt haben“, schilderte der Schulleiter die Atmosphäre. Es sei entspannt gewesen, die Schule sei wieder lebendig. „Bisher haben unsere Vorkehrungen nach unserer Einschätzung gegriffen, und wir sind mit dem Start sehr zufrieden.“ Zufrieden ist auch Sankt Augustins Dezernent Ali Dogan: „Mir sind bislang keine Konflikte zugetragen worden.“ Von den Lehrern und den Schulleitungen sei das eine „enorme Kraftanstrengung gewesen, trotz kurzfristiger Ankündigung alles Erforderliche für den Schulbetrieb sicherzustellen“.

Auch die Offenen Ganztagsschulen (OGS) sind nach Wochen der Notbetreuung wieder in den Regelbetrieb zurückgekehrt. „Unsere Gruppen sind nicht voll“, sagte Birgit Elbe-Lange vom Deutschen Kinderschutzbund, der in Siegburg an vier Grundschulen Nachmittagsbetreuung anbietet. „Viele Eltern behalten ihre Kinder auch in den letzten beiden Schulwochen nach dem Unterricht zu Hause“, so die pädagogische Leiterin.

Die Mädchen und Jungen würden in der OGS wie vormittags in der Schule klassenweise von einem Betreuer betreut. Dank einer räumlichen und zeitlichen Aufteilung der Schulhöfe blieben die Kinder auch im Freien unter sich. „Für die Kinder sind das normale Schulleben und der Kontakt zueinander gut“, ist Elbe-Lange überzeugt. Ohne ganz strenge Abstandsregeln in ihren Gruppen könnten sie nun entspannter und freier miteinander spielen.

Für ihre Schüler sei der erste reguläre Schultag seit Wochen aber auch eine große Herausforderung gewesen, besonders für die Kleinen, stellte Jacqueline Nolte fest. „Vielen Erstklässlern fällt es schwer, längere Zeit am Ball zu bleiben und ausdauernd zu lernen“, sagte die Siegburger Schulleiterin. Viele längst beherrschte Abläufe und Strukturen müssten neu gelernt oder die Kinder daran erinnert werden. „Das ist auch für das Kollegium eine große Herausforderung“, so Nolte. In virtuellen Lehrer- und Stufenkonferenzen habe man sich aber darauf vorbereitet: „Wir holen die Kinder dort ab, wo sie gerade sind.“

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