Rheinbach Schwerstbehinderter soll in Haft

RHEINBACH/BONN · 31-Jähriger, dem nur Marihuana gegen seine Schmerzen hilft, ist wegen Drogenschmuggels verurteilt worden. Der Verteidiger nennt das Urteil eine "Katastrophe" für seinen Mandanten.

Der seit einem Unfall schwerstbehinderte 31-Jährige, dem nur Marihuana gegen seine Dauerschmerzen helfe, soll für zweieinhalb Jahre hinter Gitter, weil er am 9. Oktober 2012 in Peppenhoven mit zwölf Kilogramm Marihuana im Auto erwischt wurde.

Der Angeklagte gab sofort alles zu und erklärte: Er habe sich auf diese Kurierfahrt nur eingelassen, weil der Dealer ihm dafür 450 Gramm des so dringend benötigten "Schmerzmittels" billiger überlassen wollte. Denn ihn erdrückten schon die Schulden, die er angesammelt hatte für den Erwerb des illegalen und teuren Marihuanas.

Was wie eine abenteuerliche Geschichte klinge, sei für viele Schmerzpatienten in Deutschland traurige Realität, erklärte er. Unabhängig davon, ob sie unter Krebs, Multipler Sklerose, Aids oder anderen Erkrankungen litten. Der einzige Stoff, der ihnen gegen die unerträglichen Schmerzen helfe, sei Marihuana.

Und das habe auch er herausgefunden, nachdem er 2001 Opfer eines Verkehrsunfalls wurde, den er fast nicht überlebte. Seitdem ist er zu 100 Prozent schwerbehindert, kann nie mehr arbeiten, sein Körper ist irreparabel so zerstört, dass er sich nur mit Gehhilfe bewegen kann und auf ein Spezialbett und speziell konstruierte Sessel angewiesen ist. Und auf Marihuana, um die Schmerzen zu ertragen. Das opiumhaltige Medikament, das er zunächst erhielt, half nicht, wie er sagt.

Und so trieb es ihn in die Illegalität, bevor er nun im März endlich von der Opiumstelle des Arzneimittelinstituts die offizielle Genehmigung für den Konsum von Marihuana erhielt, das er in einer speziellen Apotheke beziehen kann und darf.

Doch diese Genehmigung hatte er am Tattag noch nicht. Dafür aber schon so viele Kredite und Schulden, dass er sich, wie er nun erklärte, auf die Drogenfahrt einließ. Wie viel Marihuana ihm von dem Dealer ins Auto gelegt wurde, habe er jedoch nicht geahnt. Doch genau diese Menge ist es nun, die ihm vor der 3. Großen Strafkammer zum Verhängnis wird. Denn wie Kammervorsitzender Klaus Reinhoff ihm vorhält, sei diese Menge für 12.000 Konsumeinheiten gut. Und bei allem Verständnis für die Situation des Angeklagten: "Hier ist die Grenze des Mitleids erreicht."

Die schwangere Frau des Angeklagten bricht in Tränen aus und anschließend auf dem Flur völlig zusammen. Was das Gericht dem 31-Jährigen ebenfalls ankreidet: Er habe vor Jahren schon von der Justiz einen Schuss vor den Bug in Form einer Verwarnung erhalten, weil er auf dem Balkon Marihuana angebaut habe. Das aber, so erklärte der Mann, der heute Geburtstag hat, sei nur für den Eigenbedarf gewesen.

Durch diese rechtliche Situation gerate er immer tiefer in die Schuldenfalle: Denn auch für das Marihuana, das er nun legal beziehe, müsse er selbst zahlen, 100 Euro täglich. Die Unfallversicherung, die verurteilt wurde, lebenslang für seine Behandlung zu zahlen, weigere sich, für diese "Außenseiterbehandlung" aufzukommen.

Verteidiger Bern Arnold will Revision einlegen, er hält den 31-Jährigen ohnehin für nicht haftfähig. Zwei Wochen saß der Angeklagte in U-Haft - ohne Marihuana gegen die Schmerzen. "Es war die Hölle", sagt er über diese Zeit.

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