Verhandlung vor dem Bonner Landgericht Mann entführt Verlobte und geht in Berufung

Siegburg · Ein 38-Jähriger, der seine Verlobte genötigt und entführt hatte, ging am Bonner Landgericht in Berufung. Als der Richter andeutete, dass eine Verhandlung vor einer großen Strafkammer möglich wäre, zog der Mann seine Berufung zurück.

 Der 38-jährige Angeklagte zog seine Berufung vor dem Bonner Landgericht zurück. (Symbolfoto)

Der 38-jährige Angeklagte zog seine Berufung vor dem Bonner Landgericht zurück. (Symbolfoto)

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„Was ist falsch an dem erstinstanzlichen Urteil?“, fragt ein Bonner Berufungsrichter „seine“ Angeklagten regelmäßig zu Beginn des Verfahrens. Und an der Entscheidung, die nun vor seiner Kammer erneut aufgerollt werden sollte, könnte einiges falsch gewesen sein. Allerdings weniger die Dinge, die der Verteidiger des angeklagten 38-Jährigen gerne aufs Tapet gebracht hätte, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Vergehen überhaupt in der ersten Instanz vor dem Siegburger Amtsgericht gelandet waren.

Nach Ansicht des Berufungsrichters hätte die Tat nämlich durchaus vor einer großen Strafkammer am Landgericht oder sogar vor einem für Kapitalverbrechen zuständigen Schwurgericht verhandelt werden können. Der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft dem Mann machte, hatte es schließlich in sich: Mit Waffengewalt soll der 38-Jährige seine 21-jährige Noch-Verlobte und deren Schwester nach einem Treffen genötigt haben, in seinem Wagen sitzen zu bleiben, bevor er Gas gab und mit 100 Sachen durch eine 30er-Zone brauste.

Frau wollte arrangierte Ehe nicht eingehen

Und der folgende Unfall, bei dem der Wagen des Mannes einen Totalschaden erlitt, die Insassen aber zum Glück nur leicht verletzt wurden, könnte nach Ansicht des Berufungsrichters durchaus mit Suizidabsichten herbeigeführt worden sein. Eine Sichtweise, die in der ersten Instanz allerdings offenbar keine Rolle gespielt hatte; der Angeklagte wurde nur zu einer Geldstrafe von 3200 Euro wegen fahrlässiger Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Bedrohung und Nötigung verurteilt. Sogar seinen Führerschein durfte er behalten.

Die Ehe sollte offenbar arrangiert werden: Der angeklagte Schneider hatte seine Verlobte nämlich auf der Hochzeit eines Bekannten zum ersten Mal getroffen, auf Vermittlung der Mutter der Frau. Die Sympathie zwischen den Verlobten schien jedoch nicht ganz gleichmäßig verteilt, jedenfalls wollte die junge Frau sich wieder von dem Mann trennen. Sie traf sich mit dem Noch-Verlobten und ihrer Schwester am Abend des 24. Januar 2019 in Siegburg, um dem 38-Jährigen ihre Entscheidung mitzuteilen.

Berufung zurückgezogen

Der soll aber laut Anklage gar nicht daran gedacht haben, seine Verlobte aufzugeben. Stattdessen soll er eine Schusswaffe aus dem Handschuhfach gezogen und die beiden Frauen damit zum Verbleib in seinem Mercedes genötigt haben. Dann gab er Gas, beschleunigte auf rund hundert Stundenkilometer, verlor in einer Linkskurve der Lindenstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete schließlich an einem Baum. Ein gutes Jahr später, so hieß es in der Anklage weiter, soll er die Frau dann angerufen und erneut gedroht haben, er werde ihre Familie umbringen, wenn sie ihn nicht heirate.

Zunächst wollte der Anwalt des 38-Jährigen seine Berufung auf diese zweite Tat beschränken: Sein Mandant habe seiner früheren Verlobten nie gedroht. Nach dem klaren Hinweis des Berufungsrichters, dass man sich zwar als Angeklagter in einem Berufungsverfahren grundsätzlich nicht „verschlechtern“ dürfe, er aber nicht ausschließen könne, dass das Urteil des Amtsgerichts am Ende vollständig aufgehoben werden könnte, lenkten Angeklagter und Verteidigung zügig ein und zogen ihren Antrag auf Berufung wieder zurück. Im Fall einer Aufhebung wäre das Folgeverfahren nämlich mit einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich vor einer großen Strafkammer gelandet. Und dort hätte dem Angeklagten im Falle eines Schuldspruchs wegen Entführung statt der relativ geringen Geldstrafe eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren gedroht.

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