GA-Zeitzeugengespräch "Am Anfang war die Musik"

SIEGBURG · Beim GA-Zeitzeugengespräch lassen Siegburger die Jugendszene der 60er und 70er Jahre wieder aufleben.

Da wurden Erinnerungen wach: Viele der gut 150 Gäste im Stadtmuseum hatten die 60er und 70er in Siegburg selbst erlebt.

Da wurden Erinnerungen wach: Viele der gut 150 Gäste im Stadtmuseum hatten die 60er und 70er in Siegburg selbst erlebt.

Foto: Andreas Dyck

Als die Beatles-Hymne "I saw her standing there", gespielt von der Siegburger Band "The Neat Bix", durchs Forum des Stadtmuseums schallt, ist eine Besucherin offenbar ganz weit weg. Summend, sich hin und her wiegend, die Augen geschlossen, scheint die Frau mit dem bereits ergrauten Haar sich in eine andere Zeit zu träumen.

Eine Zeit, die schon viele Jahrzehnte her ist, die aber am Mittwochabend in Siegburg beim zweiten GA-Zeitzeugengespräch noch einmal auflebte.

So wie der sich wegträumenden Besucherin ging es vielen der mehr als 150 Gäste, die ins Stadtmuseum gekommen waren, um unter dem Motto "So hab' ich's gesehen" in Erinnerungen an die Jugendszene der 60er und 70er Jahre in Siegburg zu schwelgen. Dafür, dass diese Erinnerungen lebendig wurden, sorgte ganz zu Beginn bereits Norbert Klein aus Troisdorf, der die lokale Bandszene der 1960er genau kennt.

Seine Aufzählung der Nummer-1-Hits in Deutschland der Jahre 1963 und 1967 reichte, um beim Publikum zahlreiche Lacher hervorzurufen: Waren 1963 noch illustre Titel wie "Schuld war nur der Bossa Nova" und "Ich will 'nen Cowboy als Mann" angesagt, finden sich in der Liste vier Jahre später die Rolling Stones, die Beatles - aber kein einziger deutschsprachiger Titel. "In dieser Zeit vollzog sich eine Revolution", sagte Klein.

[kein Linktext vorhanden]Eine Revolution, die sich nicht nur, aber als erstes musikalisch vollzog, so Klein: "Am Anfang war die Musik." Darüber sprachen Gernot Sträßer, Kurt-Werner "Viedi" Viedebantt, Gerd Reusch und Harald Becker, der später noch mit seiner Band "The Neat Bix" auftrat, mit GA-Redaktionsleiter Dominik Pieper und Mitarbeiter Paul Kieras, selbst im Siegburg der 60er und 70er aufgewachsen. Wobei das Gespräch eher einem gemütlichen Kneipenabend glich als einer Talkrunde.

GA-Zeitzeugengespräch am 21. Mai 2014
73 Bilder

GA-Zeitzeugengespräch am 21. Mai 2014

73 Bilder

Denn die "Zeitzeugen" brauchten nicht viel Anleitung, um ihre Jugend wieder vor Augen zu haben. Zu präsent war ihnen noch der allgegenwärtige Drill in Elternhaus und Schule: "Da warf der Lehrer schon mal mit einem dicken Schlüsselbund, oder wir bekamen mit dem Rohrstock eins auf die Finger", berichtete Viedebantt, um gleich hinzuzufügen: "Zum Glück war ich nicht allzu oft da."

Dem "miefigen, konservativen, strengen" (Gernot Sträßer) Elternhaus und der ebensolchen Schule wollten die Jugendlichen von damals entfliehen - und das gelang ihnen am besten über die damals aufkommende Beatmusik. Jeden Mittwochabend hing Sträßer, der heute die Big Band des Gymnasiums Alleestraße leitet, vor dem Radio und lauschte Chris Howland, der im damaligen NWDR englischsprachige Musik zum Besten gab.

Was sich für die meisten Eltern und Lehrer wie "Geschrei" anhörte, öffnete für Sträßer und seine Freunde die Tür zu einem neuen, einem freieren, selbstbestimmten Leben. Sie trugen lange Haare und Parka, trafen sich später in legendären Siegburger Kneipen wie "Ente" und "Moustache", gründeten Bands wie die "Screamers" und die "Panzerknacker" und spielten die Songs nach, die im Radio liefen. "Ich habe die Melodien rausgehört und aufgeschrieben, ein Freund von mir die Texte", berichtete Sträßer.

Das rief im Publikum einen weiteren Bekannten der damaligen Siegburger Jugendszene auf den Plan: Johannes Ufer war extra aus Siegen in seine Heimatstadt gekommen. Er war nicht nur Trompeter in der Anfangsformation der Panzerknacker und hatte drei Original-Notenhefte mitgebracht.

Als Pastorensohn und Initiator der Jugendarbeit im CVJM stand er ganz besonders zwischen den Stühlen: "Diese Konflikte wurden bei uns zu Hause ausgetragen", berichtete Ufer. Vom CVJM, Anlaufstelle für Generationen von Siegburger Jugendlichen, wusste Gerd Reusch, der dort lange die "Offene Tür" (OT) leitete, einiges zu berichten. Und auf die Frage, wer alles mit bei der Ferienfreizeit auf Texel war, meldeten sich fast alle Gäste im Museumsforum. Noch eine Erinnerung, die sie miteinander teilen.

Zur 950-Jahr-Feier Siegburgs bietet der General-Anzeiger weitere Veranstaltungen an: Am 7. September findet der Wandertag rund um die Wahnbachtalsperre statt. Am 8. Oktober geht es beim dritten Zeitzeugengespräch um historische Bahnlinien, und ab 2. Dezember ist eine Ausstellung mit Siegburg-Bildern von GA-Fotograf Holger Arndt im Kreishaus zu sehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort