Siegburg der 60er Jahre Ausflug mit Musiker Kurt-Werner "Viedi" Viedebantt

SIEGBURG · Siegburg, um 1960. Zwei Jugendliche drücken sich auf der Kaiserstraße herum. "Hast du schon mal Bier getrunken?", fragt der eine den anderen. Der verneint. "Dann komm mal mit."

 Die Gruppe "Blue Bash Set" 1970 vor dem Siegburger Rathaus. Hinten, mit Sonnenbrille und hellem Jackett: "Viedi" Viedebantt. Repro: GA

Die Gruppe "Blue Bash Set" 1970 vor dem Siegburger Rathaus. Hinten, mit Sonnenbrille und hellem Jackett: "Viedi" Viedebantt. Repro: GA

Die beiden steuern eine dunkle Kneipe in einer dunklen Passage an, das Probierstübchen. Und sie bestellen feierlich ein Bier und ein Korn. Von beidem wird ihnen erst einmal schlecht. Aber ein Abenteuer ist es schon, der erste Ausflug in die Kneipe.

Der eine junge Mann von damals ist Kurt-Werner "Viedi" Viedebantt, heute unter anderem als Musiker und Sänger der Gruppe "Cändymän" bekannt. Der andere ist Dieter "Dille" Ludwig, ein 2010 verstorbener Maler. Viedebantt erinnert sich gerne an seine Jugend in der Kreisstadt. Was davon geblieben ist? Er zögert nicht lange. "Siegburg war schön, man hatte ein unbeschwertes Leben."

Seine Eltern betreiben an der Ecke Luisenstraße/Ernststraße eine Tankstelle. Täglich kommt das stadtbekannte "Lottchen" zum Tratsch vorbei, und vor der Türe hält der Rhabarberschlitten, die Kleinbahn nach Zündorf. Man spielt als Kind auf Trümmergrundstücken, und das Taschengeld wird in Kinokarten investiert. Man geht ins "Union", ins "Apollo" oder ins "Metropol".

Die Tanzschule ist obligatorisch. Im Hotel "Zum Stern" gibt es eine Dependance der Tanzschule von Hasselt. Als Jugendlicher lernt man dort nicht nur Standardtänze, sondern auch Benimmregeln. Viedi und Dille, beide von den Eltern angemeldet, fallen unangenehm auf.

"Da gab es einen Tanzlehrer, der immer so affektiert war", erzählt Viedebantt. "Als wir ihn einmal nachmachten, flogen wir raus und bekamen das Geld zurück." Das zahlten die Freunde nicht an die Eltern zurück, sondern hauten es schräg gegenüber bei "Hagens Korn" am Markt auf den Kopf.

Dann die Beatwelle. 1963 eroberte sie Deutschland und beeinflusste die Jugendkultur nachhaltig. Viedebantt ist zu dieser Zeit schon Musiker. Er hat mit Akkordeon und Klavier angefangen, wird schließlich aber Jazzposaunist. Die Beatszene, die sich damals auch in der Region bildet, bleibt ihm fremd.

"Ich war zwar auch unangepasst und trug die Haare lang, aber die Beatles interessierten mich nicht." Vielmehr hat er sich der schwarzen Musik verschrieben. Seine Vorbilder kommen aus den USA, von dort bringt ihm ein Bekannter Platten mit: von Ray Charles, von Otis Redding, von Wilson Picket.

"Das war nicht so gestelzt, das war Musik mit Lust und Leidenschaft." In Köln taucht Viedebantt in die Jazzszene ein, spielt mal hier, mal da. In Brüssel, London und Amsterdam hat er Mitte der 60er Jahre Einsätze als Studiomusiker.

Doch zieht es ihn immer wieder nach Siegburg. Sehen und gesehen werden: Gerne streift er durch die Stadt, aber nicht mehr nur zu Fuß. Er kauft sich einen dicken BMW und umkreist den Markt. Zwischendurch parkt er den Wagen gut sichtbar vor dem Café Fassbender oder vor der Eisdiele.

"Es ging um Frauen, man wollte natürlich Aufmerksamkeit. Die bekam man auch - aber nur bei denen, auf die man es nicht abgesehen hatte." Abends zieht es ihn in die Kneipen der Stadt: "Moustache", "Dudelsack", "Pferdestall" - damals gefragte Adressen.

Viedebantt lernt in Buisdorf den Beruf des Schriftsetzers, bleibt aber Musiker. Zwischen 1965 und 1971 singt er bei "Blue Bash Set", einer Soulgruppe mit Heinz Michels, Heinz-Walter "HeiWa" Mertens, Dieter Peuss und Norbert Vogel, später auch Bernd Jakobs, Hartmut Cardeneo und Norbert Klein.

Mit der Single "Don't Reach Out For The Sun" kommt die Gruppe 1967 sogar in die "Großen 8" von Radio Luxemburg. Die Band tritt auch in Siegburg auf, beispielsweise im "Maxim" an der Breite Straße. Ein Konzert um 1970 vor dem Rathaus am Nogenter Platz ist "Viedi" noch präsent: "Dort sollten wir nach den 'Subjects' auftreten. Doch deren Auftritt wurde länger und länger, während wir nicht zum Zuge kamen. Am Ende kam es zu Rangeleien unter den Fangruppen."

Der Siegburger machte später Karriere in der Verlagsbranche, blieb aber der Musik treu und nahm auch eigene Stücke in professionellen Studios auf. Inzwischen hat er mehr als 40 Titel bei der Gema angemeldet. Auch mit 70 denkt er nicht ans Aufhören. Ein Leben ohne Soul, Blues und Rock'n'Roll? Undenkbar.

"Cändymän" heißt seine aktuelle Gruppe, mit der er unter anderem Joe-Cocker-Stücke spielt. Und manchmal besingt er auch "sein" Siegburg. Den Kneipen "Moustache" und "Marktkrug" hat er musikalische Liebeserklärungen gewidmet. Und sein "Stadtfessleed" (Stadtfestlied) kommt nicht etwa als Jubelhymne daher. Sondern als knatschverdötschter Tango.

Das GA-Zeitzeugengespräch am 21. Mai

Um die Siegburger Jugendszene der 60er und 70er Jahre geht es am Mittwoch, 21. Mai, beim Zeitzeugengespräch des General-Anzeigers im Stadtmuseum am Markt. Dort sprechen Siegburger darüber, wie sie ihre Jugend damals in der Stadt verbracht haben.

Auch Kurt-Werner Viedebantt ist dabei. Im Anschluss an die Talkrunde erinnert die Band "Neat Bix" um Harald Becker mit Beat-Klassikern musikalisch an die 60er. Das Zeitzeugengespräch beginnt um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr), der Eintritt ist frei. Aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung gebeten: siegburg@ga.de oder 0 22 41/1 20 1 200.

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