Randale im Zug Fahrgast wegen versuchten Totschlags vor Gericht

Siegburg · Vor dem Bonner Landgericht muss sich ein 31-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Er hatte einen Fahrgast und einen Mitarbeiter der Bahn angegriffen, weil er im falschen Zug saß.

Weil er im falschen Zug saß, wurde ein Fahrgast gewalttätig und muss sich nun vor Gericht verantworten. (Symbolfoto)

Weil er im falschen Zug saß, wurde ein Fahrgast gewalttätig und muss sich nun vor Gericht verantworten. (Symbolfoto)

Foto: Holger Arndt

Der Vorsitzende Richter des Bonner Schwurgerichts war sichtlich beeindruckt: „Es ehrt Sie, dass Sie das so objektiv schildern“, lobte Klaus Reinhoff den Zeugen. Der 38-jährige Softwareentwickler war zu der Verhandlung am Montagvormittag mit dem ICE aus Nürnberg angereist, und allein diese Tatsache war alles andere als selbstverständlich. Der Mann war nämlich am 3. Juni vergangenen Jahres bei einer Fahrt auf ebendieser Bahnstrecke von einem Mitreisenden derart schwer verletzt worden, dass es zu einem Herzstillstand kam.

Der mutmaßliche Täter muss sich nun vor dem Bonner Landgericht wegen zweifachen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Wenn die Kammer den 31-jährigen als Täter identifiziert, erwartet den Beschuldigten die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Antragsschrift davon aus, dass der Mann unter einer paranoid-halluzinatorischen Psychose leidet und damit im juristischen Sinne schuldunfähig ist.

Es ist natürlich ärgerlich, wenn man plötzlich feststellt, dass man versehentlich in den falschen Zug gestiegen ist. Und genau das ist dem Beschuldigten offenbar am 3. Juni vergangenen Jahres passiert. Anstatt in den Zug in Richtung Wien stieg der Mann am Frankfurter Hauptbahnhof in den ICE 728 mit Fahrtziel Essen ein. Anstatt den Fehler aber bei sich selber zu suchen, verwickelte er eine Zugbegleiterin in einen Streit, der von vielen anderen Fahrgästen des Wagens mit der Nummer 29 verfolgt wurde. Gleich mehrere Passagiere bereiteten sich nach ihrer späteren Zeugenaussage darauf vor, der Frau zu Hilfe kommen zu müssen. Das war aber zunächst nicht notwendig, da er zwar aggressiv, aber wie eine Zeugin es ausdrückte „nicht körperlich“ gewesen sei.

Gewalt beim Halt in Siegburg

Erst, als der 31-jährige bei dem planmäßigen Halt am Siegburger Bahnhof zum Verlassen des Zuges aufgefordert wurde, kam es zu Gewalt. Ein Bahnbediensteter, der nicht selber mitgefahren war, wurde das erste Opfer: Laut Zeugenaussagen ging der Mann zweimal zu Boden und wurde von dem Beschuldigten mehrfach heftigst getreten. Er erlitt eine Kopfplatzwunde, eine Thorax- und Knieprellung sowie eine akute Belastungsreaktion. Noch schlimmer traf es aber den eingangs erwähnten Fahrgast: Er erlitt einen Herzstillstand nach akutem Kammerflimmern und überlebte den Angriff wohl nur dank einer zufällig anwesenden Kinderärztin, die sofort eine professionelle Wiederbelebung einleitete.

An den Vorfall selber hat der Mann allerdings keinerlei Erinnerung: Er schilderte dem Gericht, wie er die Auseinandersetzung im Zug zunächst nur durch eine Glasscheibe beobachtet hatte. Erst am Haltepunkt Siegburg habe er dann den bewusstlosen Bahnmitarbeiter auf dem Bahnsteig liegen sehen. Dass er daraufhin die Verriegelung der Zugtüre gelöst habe, sei das Letzte, an das er sich erinnern könne, sagte der Zeuge. Die Frage des Richters, ob er „denn so ein Held“ sei, verneinte der Mann bescheiden. Und auch die Schuld an dem Herzstillstand mochte er nicht einfach auf den Angriff schieben: In der Bonner Uniklinik habe man ihm einen Defibrillator implantiert, da die Ursache des Kammerflimmerns und des daraus resultierenden Herzstillstands unklar gewesen sei. Er war äußerlich bis auf eine Platzwunde am Hinterkopf unverletzt geblieben.

Die Möglichkeit, dass das Opfer unter einer Vorerkrankung litt, relativierte dann aber eine Rechtsmedizinerin, die das Gericht als Gutachterin bestellt hatte. Es sei durchaus plausibel, dass das Flimmern durch einen festen Schlag auf den Brustkorb verursacht worden sei. Der Beschuldigte hatte durch eine Verteidigererklärung angegeben, dass er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern könne. Wenn es aber so gewesen sei, tue ihm sein Ausraster leid. Das Gericht will bereits in der kommenden Woche ein Urteil verkünden.

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