Gewerbeflächenpolitik der Region Bonn streckt die Fühler in den Kreis aus

RHEIN-SIEG-KREIS · Drei Monate ist es her, dass Landrat Sebastian Schuster und Bonns Noch-Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch eine gemeinsame Gewerbeflächenpolitik zwischen Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis verkündeten. Inzwischen hat die Bundesstadt ihre Fühler ins Umland ausgestreckt.

 Am Troisdorfer Junkersring ist ein florierendes Gewerbegebiet entstanden.

Am Troisdorfer Junkersring ist ein florierendes Gewerbegebiet entstanden.

Foto: Arndt

Sie will - so hat es der Rat beschlossen - in Gesprächen mit den Nachbarkommunen Sankt Augustin, Troisdorf, Königswinter, Alfter, Bornheim, Meckenheim und Wachtberg sowie Rheinbach sondieren, wo sie sich an Ausweisung und Umsetzung von Gewerbegebieten beteiligen kann. Bonn selbst hat kaum noch Flächen direkt verfügbar.

Ein vom Kreis in Auftrag gegebenes Gutachten des Planungsbüros Dr. Jansen kam zu dem Schluss, dass die Region bis 2035 zusätzlich 420 Hektar an Gewerbeflächen braucht. 60 Hektar davon sind Bonner Bedarf. Die entsprechenden Flächen sollen für den Landesentwicklungsplan angemeldet werden.

Allerdings hat sich herausgestellt, dass das Land die zugrundeliegende Berechnungsmethode nicht akzeptiert - auch wenn die Gutachter laut Kreis drei gängige Methoden angewandt haben. Jetzt müssen sie noch einmal nachrechnen. "Dabei wird herauskommen, dass der Bedarf sogar noch größer ist", so Kreis-Wirtschaftsförderer Hermann Tengler. "Das würde dann auch den Kommunen entgegen kommen." Denn nach deren Rückmeldung hätten die 420 Hektar nicht ausgereicht.

Das größere Potenzial wird aber weiter im linksrheinischen Kreisgebiet gesehen. Dieses hat neben der Topographie und guter Verkehrsanbindung vor allem eines zu bieten: Platz. "Mit zehn Hektar zusammenhängender Gewerbefläche könnten wir auf der östlichen Seite des Rheins nicht dienen, westlich schon", sagte Dominik Geyer, Gutachter beim Planungsbüro Dr. Jansen, im Sankt Augustiner Planungsausschuss.

Beispiel Rheinbach: In ihrem Flächennutzungsplan hat die Stadt jetzt schon 54 Hektar an Gewerbeflächen vorgesehen, für die es jetzt konkrete Planungen braucht. "Wir wollen die Gebiete thematisch weiterentwickeln", sagt Margit Thünker-Jansen, Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung.

So sollen sich im Hochschulviertel technologisch geprägte Unternehmen ansiedeln, während im "Wolbersacker" - nahe der Stadtgrenze zu Meckenheim - dann in Zukunft größere zusammenhängende Flächen angeboten werden können. Dort, wo die Bonner mit den Kreis-Kommunen ins Geschäft kommen, sollen Kosten, Lasten und Erträge bilateral aufgeteilt werden.

Auch Alfter steht schon in den Startlöchern. Das Gewerbegebiet "Alfter-Nord" - zwischen dem florierenden Gebiet "Bornheim-Süd" und der Bonner Stadtgrenze gelegen - umfasst 40 Hektar; aber erst ein kleiner Teil ist beplant. "Bonn hat sich bei uns gemeldet und Interesse bekundet. Ich habe dieses Interesse gerne erwidert", sagt Bürgermeister Rolf Schumacher. Mit Bornheim gebe es bereits eine erfolgreiche Kooperation, warum nicht auch mit Bonn? "Wir verstehen uns nicht als Konkurrenten, sondern als Partner."

Die rechtsrheinischen Städte haben sich in den vergangenen Jahren bereits dynamisch entwickelt. "Aktuell haben wir noch 33 Hektar an Gewerbeflächen", sagt Troisdorfs Stadtsprecherin Bettina Plugge. Zusammen mit Flächen, auf die die Stadt keinen Zugriff hat, sind es 57 Hektar.

Viel mehr kann Troisdorf für die Zukunft aber nicht ausweisen: Gerade noch 3,5 Hektar an zusätzlichen Gewerbeflächen sind für den nächsten Flächennutzungsplan vorgesehen. Die Bonner, so Plugge, hätten sich nach ihrem Ratsbeschluss bei der Stadt Troisdorf bislang noch nicht gemeldet.

"Man ist sowieso ständig im Gespräch", sagt Rainer Gleß, Technischer Beigeordneter der Stadt Sankt Augustin. Er sieht in dem Gewerbeflächenkonzept eine große Chance, warnt aber vor Fehlentwicklungen: "Wir müssen höllisch aufpassen, dass die ländlichen Kommunen von den Kernkommunen nicht abgehängt werden. Dann würden auch die Kernkommunen zu den Verlierern zählen." Bei der Untersuchung, wie viel Flächenpotenzial welche Kommune habe, müssten auch lokale und regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.

Kommenden Dienstag, 29. September, befassen sich die Planungsausschüsse von Bonn und dem Kreis gemeinsam mit dem Gewerbeflächenkonzept.

"Nicht mit der Planierraupe"

Kreis zu möglichen Konflikten

Droht dem Rhein-Sieg-Kreis ein Verteilungskampf, wenn es um die Ausweisung zusätzlicher Gewerbegebiete geht? Der Sankt Augustiner Beigeordnete Rainer Gleß warnt vor einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft". Demnach könnten Kommunen, die viel Gewerbegebiete haben oder noch ausweisen können, die strukturschwachen kleineren abhängen. So zum Beispiel im östlichen Kreisgebiet.

"Letztlich wird die Entwicklung von den Markt-Anforderungen abhängen", so Kreis-Wirtschaftsförderer Hermann Tengler. "Wir müssen aber die kleinen ländlichen Kommunen im Blick haben. Gibt es dort keine Arbeitsplätze, ziehen die Menschen weg, und es droht eine Abwärtsspirale."

Kreis-Planungsdezernent Michael Jaeger will den Fokus nicht nur aufs Linksrheinische legen. "Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass dort das gelobte Land liegt", sagte er. Auch im Rechtsrheinischen gebe es noch Potenzial für Gewerbegebiete. Die Gutachter würden alle möglichen Flächen einbringen, sofern die Hürden für eine Entwicklung - etwa durch Landwirtschaft oder Naturschutz - nicht zu hoch sind.

"Wir sollten auch Gebiete ins Auge fassen, wo die Aussicht besteht, dass solche Restriktionen in einem Bebauungsplanverfahren überwunden werden können." Es gehe darum, intelligente Lösungen zu finden. "Wir fahren schon nicht mit der Planierraupe durch die Landschaft", so Jaeger.

Manchmal stehen aber auch Landesvorgaben neuen Gewerbegebieten entgegen. Beispiel Königswinter-Eudenbach: Wenn dort 2017 das Materialdepot der Bundeswehr schließt, soll die Fläche frei bleiben. Dabei, so Tengler, eigne sich der Standort bestens für Gewerbe.

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