Großalarm in Siegburg Einsatzkräfte schildern Ablauf des Brandes im Siegwerk

Update | Siegburg · Rund 300 Feuerwehr- und Rettungskräfte mussten am Samstagvormittag zu einem Brand beim Druckfarbenhersteller Siegwerk ausrücken. Über Siegburg waren zwischenzeitlich dunkle Rauchwolken gezogen, die Warnapp NINA rief dazu auf, Türen und Fenster geschlossen zu halten.

So lief der Einsatz beim Brand im Siegwerk
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So lief der Einsatz beim Brand im Siegwerk

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Es war einer der schwersten Störfälle der vergangenen Jahrzehnte, der im und rund um das Siegwerk am Samstag für Aufregung und einen Großeinsatz von Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei und Technischem Hilfswerk gesorgt hatte. Aus bislang ungeklärter Ursache habe sich am Samstagmorgen beim Umfüllen ein Produkt entzündet und Teile einer Produktionshalle in Brand gesetzt.

Mit Warnsirenen und über die Warnapp NINA war die Bevölkerung bis zum Nachmittag in Teilen von Siegburg aufgerufen worden, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Insgesamt zwei Feuerwehrleute seien beim Großeinsatz verletzt worden, davon einer mit Brandverletzungen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, teilte das Siegwerk am Samstagnachmittag mit.

Bis zum Nachmittag war die Lage unübersichtlich: Bürger, Medienvertreter und selbst viele Einsatzkräfte wussten über Stunden nicht, was genau in Brand geraten war. Von Siegwerk und Werksfeuerwehr gab es zunächst zum Teil widersprüchliche Informationen. Einige Fragen blieben bis zum Abend offen. Die Feuerwehr des Rhein-Sieg-Kreises, die mit einem Großaufgebot vor Ort war, verwies vor Ort auf die kommunikative Zuständigkeit des Werkes.

Gegen neun Uhr schlug Brandmeldeanlage Alarm

Gegen neun Uhr, so berichten Einsatzkräfte, habe die Brandmeldeanlage eines Produktionsgebäudes Alarm geschlagen. Das Werk selbst schreibt, der Brand sei gegen 9.15 Uhr entstanden. „Die sofort alarmierte Werkfeuerwehr ist umgehend alarmiert worden und war unmittelbar nach dem Ereignis vor Ort,“ berichtete am Markus Kümpel, Leiter der Werkfeuerwehr im Siegwerk, bei einem Pressegespräch um 12 Uhr.

Über mehrere Alarmstufenerhöhungen seien zunächst die Feuerwehr Siegburg und später Einsatzkräfte aus dem gesamten Kreisgebiet zum Werk gerufen worden. Einsatzkräfte, die kurz nach dem Brandausbruch vor Ort waren, sowie Augenzeugen und Anwohner berichteten von einem stechenden Geruch nach Lösungsmitteln, Knallgeräuschen und pechschwarzen Rauchwolken, die nach neun Uhr im Werk an der Alfred-Keller-Straße aufgestiegen und durch die Pilgrim- und die Wolsdorfer Straße gezogen seien.

Um 9.49 Uhr heulten in Siegburg die auf- und abschwellenden Warnsirenen zeitgleich mit dem Alarm der Warnapp NINA, der in der höchsten Stufe vor einer „extremen Gefahr“ für die Bevölkerung warnte. Am Mittag konnte Markus Kümpel von der Werkfeuerwehr Entwarnung geben und eine Gefährdung der Bevölkerung ausschließen: „Es sind mehrere Messfahrzeuge der Feuerwehr im Einsatz. Derzeit sind alle Messungen der Feuerwehr auf Gefahrstoffe negativ. Es sind auch keine Schadstoffe in den Mühlengraben gelangt. Wir haben den Ein- und Auslauf des Werks zum Mühlengraben abgeschiebert und vorsorglich Ölsperren und eine Sperre gegen Schwebstoffe eingerichtet.“

Fenster und Türen sollten geschlossen gehalten werden

Wenig später, gegen 13.15 Uhr, rief die Stadt Siegburg in einem Sondernewsletter erneut dazu auf, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Gegen 14.40 Uhr wurde die amtliche Warnung der Bevölkerung in der Warnapp und durch einen langen Dauerton der Sirenen aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt war der Löscheinsatz noch in vollem Gange und das Feuer in der Gewalt, so Einsatzkräfte vor Ort. Was genau gebrannt hatte, teilte die Unternehmenskommunikation um 15 Uhr, also rund sechs Stunden nach dem Brandausbruch, auf Nachfrage zum Umfang des Brandes mit, „es war hauptsächlich die Halle selbst. Das Dach ist beschädigt. Insofern sind gottseidank keine schadhaften Emissionen ausgetreten“, auch seien keine Produkte ausgetreten. Letztere Information korrigierte das Unternehmen am späten Nachmittag: Bei dem Brand in dem Backsteingebäude seien auch Chemikalien in Brand geraten und Produkte freigesetzt worden.

Wie der General-Anzeiger von Einsatzkräften erfuhr, habe es sich dabei um lösungsmittelhaltige Stoffe der Farbstoffproduktion gehandelt. Vorsorglich seien nicht nur Spezialfahrzeuge mit großen Mengen Schaummittel nach Siegburg geordert worden, sondern auch sowie vier Großtankwagen, die sogenannten „Tuffi-Tanker“. Gegen 15 Uhr traf auch ein mit Sonderlöschmitteln ausgestattetes Spezialfahrzeug der Feuerwehr des Köln Bonn Airports am Unglücksort ein. Dieser war im Verlaufe des Tages zum Teil weithin abgeriegelt worden: Nach der Erstalarmierung hatte die Polizei die Straßen um das Werk sowie die Fußwege am Michaelsberg unverzüglich gesperrt, bestätigte Polizeisprecher Stefan Birk auf Nachfrage: „Wir haben schnell erkannt, dass wir mit unseren eigenen Einsatzmitteln nicht ausreichend aufgestellt sind, weswegen wir Unterstützung der Polizei Köln erbeten haben.“

Hubschrauber war im Einsatz

Neben Einsatzkräften der Polizei Köln und der Bundespolizei am Flughafen Köln-Bonn kam auch ein Polizeihubschrauber zum Einsatz, der Livebilder in die Einsatzzentrale sendete, um das Geschehen und die Rauchausbreitung zu beobachten. Kurzzeitig seien auch Zufahrten zum Einzel- und Fachhandel an der Wilhelm-Oswald-Straße aufgrund des Brandrauchs gesperrt worden. „Wir mussten auch Straßen sperren, um den Feuerwehrfahrzeugen, die aus dem gesamten Rhein-Sieg-Kreis angerückt sind, Bereitstellungsräume einzurichten und eine zügige Anfahrt zu ermöglichen“, ergänzte Werkfeuerwehrleiter Markus Kümpel.

Während das Siegwerk bis zum Nachmittag von 200 Einsatzkräften vor Ort sprach, korrigierte das Werk die Zahl am Abend auf 330 Einsatzkräfte nach oben. Neben Feuerwehren aus dem gesamten Kreisgebiet waren Polizei, Bundespolizei, Malteser, Deutsches Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk, die Bezirksregierung Köln sowie Mitarbeiter des Siegwerks, die im Notdienst zum Werk alarmiert worden waren, im Einsatz. Zur Schadenshöhe und zur genauen Brandursache konnte Werkssprecherin Dr. Bettina Horenburg am Samstag noch keine Angaben machen: „Wir hoffen, dass der Schaden nicht so groß ist, da nur ein Teil des Gebäudes betroffen und das Feuer nicht auf andere Gebäudeteile übergetreten ist.“

Einsatzkräfte berichten von größeren Schäden, auslaufenden Chemikalien und stechendem Geruch. Auf Fotos der Feuerwehren in den Sozialen Medien sieht man, wie zwischen Stahlbehältern, Kunststofftanks und blauen Fässern eine blaue Substanz auf dem Boden verteilt ist. Ob es sich um Löschmittel, Bindemittel oder Chemikalien handelt, ist nicht bekannt. Die Fotos zeigen auch, wie in der Fahrzeughalle der Werkfeuerwehr mit Stellwänden und Tischen ein provisorisches Lagezentrum aufgebaut wurde. Das wichtigste sei, dass es den beiden verletzten Feuerwehrmännern gut gehe und sonst niemand zu Schaden gekommen sei, so die Sprecherin. Ein Feuerwehrmann habe beim Rückzug leichte Brandverletzungen erlitten, ein weiterer Feuerwehrmann habe später über Hörprobleme geklagt. Beide Einsatzkräfte kamen vorsorglich ins Krankenhaus. Inwieweit der Betrieb des Werks in den kommenden Tagen und Wochen beeinträchtigt werde, war am Samstag unklar, so die Sprecherin: „Wir hoffen, dass auch unsere Lieferfähigkeit nicht groß beeinträchtigt ist.“

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