Schnelles Internet Breitbandausbau des Rhein-Sieg-Kreises startet später

Rhein-Sieg-Kreis · Die ländlichen Orte im Rhein-Sieg-Kreis warten weiter auf schnelles Internet. Ursprünglich sollte der Breitbandausbau bereits 2018 abgeschlossen sein. Doch die Arbeiten haben noch nicht begonnen. Dafür erhalten auch 185 Schulen eine Glasfaseranbindung.

Schnelles Internet: Breitbandausbau des Rhein-Sieg-Kreises startet später
Foto: GA Grafik

Über das Internet kommunizieren, Fotos senden oder sogar Videos schauen ist in vielen Orten im Rhein-Sieg-Kreis dank Breitbandanschluss eine Selbstverständlichkeit – längst aber nicht in allen. Für Christian Ortwig aus Much-Bövingen ist noch immer nahezu jeder Mausklick im Netz eine Geduldsprobe. „Es ist nicht zum Aushalten. Das wird Ihnen hier jeder sagen“, sagt er. Ortwig lebt in einem Ortsteil, in dem der Breitbandausbau aufgrund seiner geringen Bevölkerungsdichte bislang für Unternehmen unrentabel war – in einem sogenannten weißen Fleck.

Laut den Angaben seines Internetanbieters kann er aktuell Daten mit einer Geschwindigkeit von 3,5 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) herunterladen. Laut dem NRW-Breitbandatlas verfügte Mitte 2017 nur jeder dritte Haushalt in Much (rund 35 Prozent) über eine Anschlussqualität von mindestens 16 Mbit/s, rund 26 Prozent über mindestens 30 Mbit/s. Noch schlechter sind nur noch die Einwohner in Ruppichteroth angebunden. Gerade einmal 34 Prozent der Haushalte surfen dort mit mindestens 16 Mbit/s, rund 20 Prozent mit 30 Mbit/s oder mehr.

Ein Wert, der nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr zeitgemäß ist. Bereits 2013 schrieben sich CDU und SPD das Ziel in den Koalitionsvertrag, die Netzgeschwindigkeit bis 2018 flächendeckend mit mindestens 50 Mbit/s auszubauen. Die öffentliche Hand sollte nachhelfen, wo die Privatwirtschaft untätig blieb. 2016 sprang der Kreis ein und kündigte an, die weißen Flecken – vornehmlich im östlichen Rhein-Sieg-Kreis – von der Landkarte tilgen zu wollen. Dank einer 90-prozentigen Förderung durch Bund und Land sollte der Ausbau eigentlich 2017 beginnen und Ende 2018 abgeschlossen sein. Auch Ortwig war vor seinem Umzug nach Much 2017 zuversichtlich, dass er bald von der Maßnahme profitiere.

Schnelles Internet entscheidend für Unternehmen

Mittlerweile ist klar: Der Kreis wird sein ursprüngliches Ziel nicht erreichen. „Wir werden nach jetzigem Stand 2018 mit dem Ausbau beginnen können“, sagt Siri Grischke, Breitbandbeauftragte der Wirtschaftsförderung des Kreises, auf GA-Anfrage. Voraussichtlicher Abschluss der Arbeiten: 2020. Der Grund für die Verzögerung: Nachdem der Kreis im vergangenen Jahr planmäßig die verschiedenen Lose für den Breitbandausbau EU-weit ausgeschrieben und bereits Verhandlungen mit Bietern durchgeführt hatte, änderte sich die Förderrichtlinie für die Internetversorgung für Schulen. Der Kreis bekam so die Gelegenheit, Schulen mit einer höheren Datengeschwindigkeit als bisher ans Netz zu bringen. Doch dieser Ausbau verlangte eine gesonderte Ausschreibung und kostete daher zusätzliche Zeit.

Laut Grischke wird der Kreis so nicht nur rund 25 000 Haushalte und 2300 Unternehmen mit mindestens 50 Mbit/s (im Download) ans Netz bringen, sondern auch 185 Schulstandorte mit direkter Glasfaseranbindung. Nach Abschluss des Ausbaus sollen zwischen 95 und 100 Prozent aller Haushalte im Kreis 50 Mbit/s oder mehr zur Verfügung haben.

Für Ortwig ist der neue Plan des Kreises ein schwacher Trost, bedeutet es doch im schlimmsten Fall noch fast drei, mit Sicherheit aber noch zwei Jahre langsames Internet. Der 37-Jährige arbeitet in der IT-Branche. Er ist Geschäftsführer eines Unternehmens, das unter anderem Webdesign und Online-Marketing für Firmen anbietet. Eigentlich könnte er seine Tätigkeit von überall ausüben, solange er über einen schnellen Internetanschluss verfügt. Aber statt von seinem Wohnhaus in Much zu arbeiten, pendelt Ortwig mehrmals in der Woche zu seinem Büro nach Troisdorf, unter anderem dann, wenn er größere Datenmengen abrufen oder senden muss. „Wir haben hier Unternehmen, die wichtig sind für die Gemeinde. Für sie ist es entscheidend, dass sie Daten ebenso schnell herunterladen können wie die Konkurrenz“, so Ortwig.

500 Anwohner äußerten Unmut

Nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im privaten Bereich habe die schlechte Infrastruktur Folgen. „Ohne ausreichend schnelles Internet steht man heutzutage außerhalb der Gesellschaft“, so Ortwig. Das befördere nur die Klischees über ländliche Regionen, in denen bereits immer weniger Menschen leben wollen. Ortwig zählt nicht dazu: „Ich liebe die Ruhe hier und die frische Luft. Das finden sie in den Städten eben nicht.“ Statt vom Land zu fliehen, will er helfen, die Probleme zu lösen. So rief er die Initiative „Schnelles DSL für Much“ ins Leben und startete zunächst über Facebook eine Umfrage.

Rund 500 Anwohner haben bereits ihren Unmut über zu langsames Internet in der Gemeinde geäußert. Knapp 200 haben eine Online-Petition unterschrieben. Ortwigs Ziel: Den Druck auf die Politik erhöhen. Seitdem erhält er viel Zuspruch von anderen Muchern. Auch Bürgermeister Norbert Büscher wurde auf die Initiative aufmerksam. Er habe Ortwig versichert, dass die Gemeinde den Ausbau durch den Kreis als existenziell betrachte und genau verfolge.

Doch werden längst nicht alle Orte von der Maßnahme des Kreises profitieren. Haushalte konnten nämlich nur in den geförderten Ausbau aufgenommen werden, wenn sie nicht bereits durch ein Unternehmen mit mindestens 30 Mbit/s versorgt sind, oder eine Firma nicht bereits einen entsprechenden Ausbau bis 2019 angemeldet hat.

Anbieterversprechen weichen von realen Werten ab

Doch hier lauert ein Problem: Vielfach weichen Anbieterversprechen von den realen Werten ab. Wie die Bundesnetzagentur untersuchte, stehen fast drei von zehn Nutzern nicht einmal die Hälfte der vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate zur Verfügung. Der Praxistest zeigt: Auch Ortwig surft statt mit 3,5 Mbit/s wie von seinem Anbieter angegeben, effektiv mit maximal 2,5 Mbit/s.

Während also künftig einige Haushalte und Unternehmen mit Bandbreiten von 50 oder sogar 100 Mbit/s versorgt werden und dabei die Wahl zwischen den preisgünstigsten Internetanbietern haben, laufen andere Gefahr, abgehängt zu werden. In diesen Orten sind Nutzer meist vertraglich über viele Jahre an ein einziges Unternehmen gebunden und zahlen höhere Gebühren, sind aber eventuell nicht einmal mit der geforderten Mindestgeschwindigkeit am Netz.

Für den Kreis ist das nächste Ziel bereits klar: „Der Glasfaserausbau darf nicht an den Verteilerkästen enden, sondern muss bis in die Gebäude fortgesetzt werden“, wie Hermann Tengler, Leiter der Wirtschaftsförderung des Kreises, fordert. Seiner Ansicht nach ist diese Maßnahme für den Wirtschaftsstandort und das Überleben der Dörfer ein notwendiger nächster Schritt. Auch im Koalitionsvertrag der möglichen neuen Bundesregierung findet sich dieses Ziel wieder: Bis 2025 wollen CDU und SPD flächendeckend Gigabit-Glasfaseranschlüsse garantieren. Wie das allerdings erreicht werden soll, ist bislang noch unklar.

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