Über 1000 Infizierte Rhein-Sieg-Kreis verzeichnet Höchststand aktueller Coronafälle

Rhein-Sieg-Kreis · Landrat Sebastian Schuster steht hinter den neuen, strengeren Corona-Maßnahmen, wünscht sich aber auch eine langfristige Strategie. Den größten Ausbruch in einer Einrichtung im Kreis gibt es derzeit in einem Bornheimer Wohnstift.

 Das Wohnstift Beethoven in Bornheim verzeichnet zurzeit die meisten Infektionsausbrüche in der Region.

Das Wohnstift Beethoven in Bornheim verzeichnet zurzeit die meisten Infektionsausbrüche in der Region.

Foto: Axel Vogel

Das Coronavirus verbreitet sich rasend schnell. 1002 Menschen gelten im Rhein-Sieg-Kreis zurzeit als Corona-positiv, 3261 befinden sich in häuslicher Absonderung. Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 116,5 (Stand Freitag 13.30 Uhr). Das ist allerdings der Wert, der offiziell vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG) übermittelt wird, um eine einheitliche Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, die letztlich für die Corona-Maßnahmen verbindlich ist. Nach internen Berechnungen des Kreisgesundheitsamts liegt der Inzidenzwert aber sogar schon bei 136. Der Wert war am Freitagmorgen zunächst versehentlich veröffentlicht worden, wird nach einem Papier, das an die Bürgermeister und Krisenstäbe im Kreis geht, indes bestätigt.

  • Wohnstift Beethoven Bornheim: Insgesamt verteilt sich das Ausbruchsgeschehen in der Region sehr unterschiedlich (siehe Kasten). In Bornheim verzeichnet das Kreisgesundheitsamt indes das stärkste Ausbruchgeschehen in einer Einrichtung. Der Hotspot liegt dem Kreis zufolge im Wohnstift Beethoven, das selbst auf seiner Webseite nichts dazu mitteilt. 24 Bewohner und 16 Mitarbeiter sind mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, 300 Personen stehen unter Quarantäne. Da sich auch das Infektionsgeschehen in Bornheim insgesamt erhöht hat, geht das Kreisgesundheitsamt von einem „sehr wahrscheinlichen Zusammenhang“ aus, wie es der Leiter der Fachstelle Covid, Ralf Thomas, bei der Pressekonferenz am Freitag in Siegburg sagte.
  • Die Neufassung der Corona-Schutzverordnung NRW erhielt der Kreis am späten Freitagvormittag – mit 19 neuen Paragraphen und etwa 75 Prozent Änderungen im Maßnahmenkatalog, wie Thomas schätzt. Diese gelte es über das Wochenende zu übertragen. Immerhin sei jetzt endlich klar definiert, was als Mund-Nasen-Maske gelte: Eine Alltagsmaske ist demnach „eine textile Mund-Nasen-Bedeckung (einschließlich Schals, Tüchern und so weiter) oder eine gleich wirksame Abdeckung von Mund und Nase aus anderen Stoffen“ – Kunststoffvisiere sind damit nicht mehr ausreichend.

Die Schutzverordnung ist demnach ausgeweitet auf Kirchen und Religionsgemeinschaften, und auch Betriebe, Unternehmen, Behörden und andere Arbeitgeber haben die Regelungen dieser Verordnung zu beachten. Klar ist nun auch, dass Menschen ohne Maske beispielsweise aus Supermärkten ausgeschlossen werden können: „Personen, die eine Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske nicht beachten, sind von der Nutzung der betroffenen Angebote, Einrichtungen und Dienstleistungen durch die für das Angebot, die Einrichtung oder Dienstleistung verantwortlichen Personen auszuschließen.“ Man warte nun noch auf die redaktionellen Erläuterungen des Landesgesundheitsministeriums, um alle Vorgaben entsprechend umsetzen zu können.

  • Kritik an Streeck: Landrat Sebastian Schuster bekräftigte am Freitag seine Unterstützung für die strengen Maßnahmen, die Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten auf den Weg gebracht hat. Die Kritik des Bonner Virologen Hendrik Streeck an den ab Montag geltenden Kontaktverboten und damit verbundenen Schließungen vieler öffentlicher Einrichtungen, teilt Schuster indes nicht.

„Der Ursprung von 75 Prozent aller Infektionen kann nicht nachvollzogen werden. Insofern lässt sich nicht sagen, ob bestimmte Einrichtungen nicht wirklich Quelle eines Ausbruchsgeschehens sind“, sagte Schuster. Auch Thomas betont: „Wenn Einrichtungen nicht maßgeblich als erfasste Quelle auftauchen, heißt das nicht, dass sie automatisch raus sind als Gefahrenquelle. Denn es lässt sich nicht eindeutig klären, ob sich fünf Freunde nicht vielleicht in einer Kneipe gegenseitig infiziert haben.“ Die Zahlen ließen aber darauf schließen, dass die Mehrheit der Infektionsgeschehen im privaten Umfeld anzusiedeln sei. Und das müssten nicht unbedingt die eigenen vier Wände sein, sondern können eben auch bei einem Treffen im Fitnessstudio oder im Restaurant passiert sein.

Recht gibt der Landrat dem Bonner Virologen indes in seiner Forderung nach einer langfristigen Strategie. „Wir können nicht jedes Mal, wenn die Infektionszahlen hochgehen, einen Lockdown anordnen“, betonte Schuster.

  • Neuausrichtung des Gesundheitsamts: Gut beherrschbar sei die Kontaktpersonennachverfolgung bei einer Inzidenz von unter 50 pro 100.000 Einwohnern gewesen, sagte Thomas. „Jeder Infizierte zieht einen Rattenschwanz an Kontaktpersonen nach sich, die wir ermitteln, informieren und beraten müssen. Diesen Aufwand können wir jetzt nicht mehr leisten“, so der Fachstellenleiter. Wichtig sei es, die Kontaktpersonen so schnell wie möglich zu informieren.

Das sollen jetzt nicht nur die Infizierten selbst übernehmen. Sofern diese telefonisch nicht erreichbar sind, werden ihre Daten über das Erfassungstool des Kreisgesundheitsamts direkt an die örtlichen Ordnungsämter weitergeleitet. In der Ordnungsverfügung steht nun nicht mehr nur ein Appell an die Betroffenen, sondern sie stehen ausdrücklich in der Verantwortung, selbst tätig zu werden, um ein weiteres Ausbreiten des Virus effektiv und schnell einzudämmen. Sozialdezernent Dieter Schmitz spricht von einer Automatisierung in den Abläufen, die nötig sei, um in dieser Phase der Pandemie effektiv und arbeitsfähig zu bleiben.

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