Kein Verdachtsfall in Siegburg Coronavirus beschäftigt weiter den Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Der mögliche Verdachtsfall auf das Coronavirus in Siegburg hat sich nicht bestätigt. Die Menschen im Rhein-Sieg-Kreis beschäftigt das Thema trotzdem weiterhin. Die Linken haben eine Sondersitzung des Kreisgesundheitsausschusses beantragt.

Nachfragen sinnlos: Der Aushang einer Apotheke in Siegburg weist darauf hin, dass keine Desinfektionsmittel mehr zu bekommen sind.

Nachfragen sinnlos: Der Aushang einer Apotheke in Siegburg weist darauf hin, dass keine Desinfektionsmittel mehr zu bekommen sind.

Foto: Hannah Schmitt

Ungeachtet der Entwarnung aus dem Kreishaus geht die Suche der Bürger nach Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln weiter. In einigen Geschäften der Region sind gar Hamsterkäufe zu beobachten. In einem Supermarkt in Siegburg-Nord waren Nudeln und frischer Ingwer restlos ausverkauft, in etlichen Discountermärkten wie in Buisdorf oder in Sankt Augustin an der Einsteinstraße waren schon am Morgen die Regale mit Reis, Teigwaren, Dosenravioli und eingelegtem Obst und Gemüse leer.

Der erste mögliche Verdachtsfall auf eine Infektion mit dem Coronavirus konnte nicht bestätigt werden. Das teilte der Rhein-Sieg-Kreis am Donnerstagmittag mit. „Im Verlauf der Untersuchungen im Krankenhaus zeigte sich, dass die vom Robert Koch-Institut vorgelegten Kriterien für einen Verdachtsfall nicht vorhanden sind. Aus diesem Grund konnte die Patientin das Krankenhaus wohlbehalten verlassen“, so eine Sprecherin des Kreises.

Am Mittwoch war eine Patientin als möglicher Verdachtsfall in ein Krankenhaus im Rhein-Sieg-Kreis eingeliefert worden. Sie hatte sich bei einer Praxis in der Siegburger Innenstadt gemeldet. In der betroffenen Praxis herrschte am Donnerstagmorgen Gelassenheit. Eine Stellungnahme zu dem Vorfall wollte man indes nicht abgeben.

Ein begründeter Verdachtsfall liegt dann vor, wenn bei einer Person grippeähnliche Symptome vorliegen und die Person sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem vom Robert Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet aufgehalten hat oder sie innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt zu einem bestätigten Coronavirus-Erkrankten hatte. Das ist offensichtlich hier nicht der Fall. Auffällig war indes, dass es fast 24 Stunden dauerte, bis das Gesundheitsamt Entwarnung geben konnte. Normalerweise ist ein erstes Ergebnis der Tests schon nach wenigen Stunden zu erhalten.

Ein Test dauert 3,5 Stunden

Der Essener Virologe Professor Ulf Dittmer schätzt, dass in NRW mittlerweile zehn bis 15 Labore testen können, ob ein Patient mit dem Coronavirus infiziert ist. „Inzwischen sind das alle Unikliniken, aber auch schon private Laboranbieter“, sagte Dittmer. In NRW gibt es sechs Unikliniken. Ein Test benötige mit Auswertung 3,5 Stunden.

Hausärzte warnen unterdessen vor voreiligen Reaktionen von Patienten. Aus einer Arztpraxis in Sankt Augustin hieß es, dass sich grippeähnliche Fälle nach Karneval immer häuften. „Bei Erkältungsanzeichen empfehlen wir, zu Hause zu bleiben. Der Arzt schreibt eine Krankmeldung auch nach telefonischem Kontakt aus, die ein gesunder Nachbar oder Partner in der Praxis abholen kann“, hieß es. Aufmerksam sollten Betroffene vor allem dann sein, wenn sich eine starke Bronchitis mit hohem Fieber und Husten bemerkbar mache. Solange es aber keine sicheren Anzeichen für eine schwere Erkrankung gebe, empfehle der Hausarzt eine „selbstverordnete Pseudoquarantäne“.

Dieses Schutzset gibt es für das rettungsdienstliche Personal. Inhalt: Schutzkittel (4x), FFP3-Maske (4x), Handschuhe (4 Paar), Kopfhaube (4x), Schutzbrille (4x), Extravorhaltung.

Dieses Schutzset gibt es für das rettungsdienstliche Personal. Inhalt: Schutzkittel (4x), FFP3-Maske (4x), Handschuhe (4 Paar), Kopfhaube (4x), Schutzbrille (4x), Extravorhaltung.

Foto: Rhein-Sieg-Kreis

Sondersitzung des Kreisgesundheitsausschusses

Eine Sondersitzung des Kreisgesundheitsausschusses haben die Fraktion der Linken Rhein-Sieg und die Kreistagsgruppe aus Piraten sowie Freie und unabhängige Wählergemeinschaften (FUW) beantragt. Grund sind die Berichte, wonach Klinikärzte aus der Region berichteten, dass Krankenhäuser im Kreisgebiet für die Aufnahme von Patienten der neuen Lungenkrankheit nicht gerüstet seien. Eine Stellungnahme beispielsweise der Helios Klinik in Siegburg war am Donnerstag trotz mehrfacher Anfrage nicht zu bekommen.

„Gleichzeitig kommt es zu ersten bestätigten Erkrankungen an der neuen, durch das Corionavirus ausgelösten Lungenkrankheit in NRW, zum Teil in direkter Nachbarschaft zum Rhein-Sieg-Kreis“, so Frank Kemper (Linke). „Eine Sondersitzung des Ausschusses ist deshalb kurzfristig geboten. Der Ausschuss und die Menschen haben einen Anspruch auf umfassende Information. Gegebenenfalls kann gegen sich hier aufzeigende Fehlentwicklungen gegengesteuert werden.“

Die Antragsteller fragen unter anderem nach den Vorbereitungen des Rhein-Sieg-Kreises in Bezug auf eine mögliche Pandemie und eine Pandemieplanung. Sie wollen wissen, ob beispielsweise Vorräte an Atemschutzmasken angelegt wurden, wie die Versorgungssituation im Kreisgebiet mit Medikamenten aussieht und welche Engpässe bekannt sind beziehungsweise erwartet werden.

Pandemieplanung im Land NRW

Ein Prüfbericht über die Gesundheitsdienstleistungen und Hygieneüberwachung des Rhein-Sieg-Kreises der Pandemieplanung stellt kein gutes Zeugnis aus. Im Gegenteil. Da gebe es noch „Optimierungspotenzial“, heißt es in dem vertraulichen Papier.

Die Pandemieplanung im Land NRW muss in Gänze auf den Prüfstand gestellt werden, bestätigte Christiane Tenbensel vom Landesvorstand die Linke NRW auf Anfrage. Die examinierte Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin aus Dortmund verweist auf eine Arbeitsgruppe unter der Ägide des Landesgesundheitsministers, die nach der pandemischen Influenza (H1N1) 2009/10 einberufen wurde, um das Vorgehen in den Kommunen bei solchen Fällen zu verbessern.

Ein Blick in die 136-seitige Dokumentation eines im Juni 2010 durchgeführten Workshops zeigt, dass dieser lediglich der „Entwurf“ eines Plans ist, den „jede Kommune je nach Erfordernissen und kommunalen Gegebenheiten mit den für sie wichtigen Institutionen/Partnern selbst planen und gestalten“ könne.

Das ist aus Sicht der Pflegewissenschaftlerin nicht ausreichend: „Es gibt keinen Plan in der Schublade, nach dem genau erkenntlich ist, welche Schritte im Fall eines Falles aktiviert werden.“ Im Prinzip müsste ein Facharzt in der Leitstelle der Rettungsdienste bereitstehen, der jeden eingehenden Fall einer möglichen Coronavirus-Infektion prüft, bevor die ganze Maschinerie mit Schutzanzügen anlaufe. Eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses begrüßt der CDU-Kreistagsvorsitzende Torsten Bieber. „Der Landrat bekommt alle finanziellen Mittel, die er für die Bewältigung der Situation braucht“, sagte er. „Es ist gut, wenn er berichtet und klarmacht, wie es weitergeht.“

Nachfrage nach Schutzmasken ungebrochen

Dass Krankenhäuser offenbar nicht ausreichend mit Schutzmasken ausgestattet sind und es sogar die Dienstanweisung gibt, diese gegebenenfalls mehrfach zu benutzen, findet Bieber „befremdlich“. Es sei nun aber wichtig, „nicht in Hysterie zu verfallen. Bei aller Sorge, die in der Bevölkerung herrscht, sollte man jetzt klar differenzieren, wie die Situation tatsächlich ist.“ Er begrüße den Appell des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn an die Länder, ihre Pandemiepläne hochzufahren. Dennoch verwunderten ihn die massiven Hamsterkäufe. „Im Supermarkt bei mir um die Ecke gab es keine Nudeln mehr.“

Ungebrochen ist auch die Nachfrage nach Schutzmasken und Desinfektionsmitteln. Apotheken in Siegburg und anderen Orten haben Aushänge gemacht, weil die Nachfragen immens sind. Ein Abrissunternehmer aus der Region meldete der Redaktion, er müsse die Arbeit einstellen, weil er für seine Mitarbeiter nicht einmal mehr die einfachen Schutzmasken gegen Staub bekomme. Diese würden im Internet für teilweise mehr als 400 Euro angeboten.

Am Mittwochabend gab es diese Anbieter noch auf Amazon, seit Donnerstag sind sie verschwunden. Laut wired.com hat Amazon die Händler dieser Wucherangebote abgemahnt und von der Seite entfernt.

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