Traditionsgaststätte in Siegburg Das "Fass" sucht einen Nachfolger

Siegburg · Das "Fass" ist eines der großen Traditionshäuser Siegburgs und für viele in der Stadt ein Stück Heimat. Nun wird ein Nachfolger gesucht. Der Charakter der mehr als 124 Jahre alten Gaststätte soll nach dem Willen des Betreibers Bernd Ilbertz erhalten bleiben.

Wer über die Kaiserstraße die Siegburger Innenstadt verlässt, sieht es schon von Weitem: das hohe, markante und geschichtsträchtige Gebäude an der Ecke Weierstraße. Erbaut 1893 an der damaligen Provinzialstraße Köln-Altenkirchen, war es immer das Gasthaus „Zum Fass“. Und das soll es auch bleiben, auch wenn Eigentümer Bernd Ilbertz so langsam ans Aufhören denkt. Der 69-Jährige sucht einen Pächter, der den Betrieb weiterführt. Das ist gar nicht so einfach, denn der Charakter der Traditionsgaststätte soll nach dem Willen des Chefs erhalten bleiben. In das Haus, das seit 90 Jahren im Besitz seiner Familie ist und in dem er selbst aufwuchs, hat er viel Herzblut investiert.

Ein Besuch im „Fass“: Es ist später Nachmittag. Das Personal kommt, um flink Vorbereitungen für den Abend zu treffen. Auch Bernd Ilbertz ist da. Einmal die Woche schaut er vorbei und spricht mit den Mitarbeitern, die den Laden schmeißen. Michael Steffes und Daniel Mehlhorn sind die Köche, Heike Falk ist Serviceleiterin. Ilbertz zapft ein frisches Kölsch. Dass man ihn hinter der Theke sieht, ist allerdings die Ausnahme. Er war nie Wirt, sondern Bänker. Seit vielen Jahren lebt er im Taunus. Vor 14 Jahren erbte er das Haus. Dessen Mittelpunkt ist die Gaststätte, die heute aus zwei Räumen mit insgesamt 75 Plätzen besteht. Ilbertz unterzog das Lokal einer aufwendigen Renovierung. Das heißt: Es war eher eine Restaurierung. Dunkles Holz, alte Möbel, historische Siegburg-Bilder, ein antiquiertes Schild mit der Aufschrift „Radfahrerhilfsstation“: Ein großer Teil der Ausstattung ist nicht nur auf „alt“ getrimmt, sondern wirklich alt und hatte schon früher seinen Platz in der Veedelskneipe.

„Ich möchte, dass das 'Fass' als klassisches Gasthaus erhalten bleibt – als Treffpunkt für die ganze Stadt“, sagt er. Gastronomisch verortet er das Lokal zwischen Brauhaus und Kaiserhof. Man könne sich im „Fass“ einfach auf ein Bier zusammensetzen, und doch soll gehobene Küche geboten werden. Mit diesem Konzept sieht Ilbertz eine Marktlücke, zwischen der Systemgastronomie einerseits und den Lokalen mit italienischer, spanischer oder kroatischer Küche andererseits. Im Stillen habe er schon seit einiger Zeit versucht, Nachfolger zu finden und langfristig zu binden. Doch sei er noch nicht fündig geworden. „Es fehlt die Fantasie, vielleicht auch die Liebe, das Lokal in dieser bewährten Art fortzuführen.“ Dass die Arbeit intensiv sei, manchmal ein Knochenjob, sei ihm bewusst. Aber: „Der Nachfolger findet ein gemachtes Bett vor.“ Zeitdruck verspüre er nicht, sagt Ilbertz. Der Betrieb laufe normal weiter. Doch will er nicht ewig suchen, auch weil er nicht mehr das Lokal aus der Ferne leiten will. Findet sich kein Pächter, will er das ganze Objekt verkaufen. Dazu gehören auch sieben Wohneinheiten.

Sitz der Alliiertenund Wunder von Bern

Zeitsprung: 124 Jahre zurück. Siegburg ist Ende des 19. Jahrhunderts eine aufstrebende Stadt, nicht zuletzt durch das Königliche Feuerwerkslaboratorium. Es herrscht Bauboom, vor allem nördlich der Innenstadt, auf dem Driesch. Das „Fass“ ist 1893 eines der ersten modernen Gebäude, die dort entstehen. Der Schulrektor Ferdinand Becker ließ es errichten, um Durchreisende auf der Provinzialstraße zu bewirten.

Ilbertz' Großeltern Karl und Mathilde Bleifeld kauften das Haus 1927 und betrieben die Kneipe weiter, in der sich auch ein Stück deutscher Geschichte widerspiegelt: Während der NS-Zeit wurde der Saal für Wehrmachtsoffiziere konfisziert; nach Kriegsende errichteten dort die Amerikaner ihre Kommandantur, wo sich die Siegburger neue Pässe ausstellen ließen. 1954 war das „Fass“ eine der wenigen Gaststätten in der Stadt, die einen Fernseher hatten: Dort erlebten viele Siegburger das WM-Finale von Bern, in dem Deutschland Weltmeister wurde. Ilbertz war als Kind dabei: „Es war knallvoll. Die Leute rannten zwischendurch immer wieder zur Theke, wo das Radio lief. Die Übertragung war damals dort schneller als im Fernsehen.“

Bis Mitte der 50er Jahre betrieben seine Großeltern das „Fass“, danach wechselten die Pächter. Als Ilbertz 2003 die Regie übernahm, wollte er ein verloren geglaubtes Heimatgefühl wiederherstellen. Auch durch regelmäßige Veranstaltungen wie Jazz-Sessions an jedem ersten Mittwoch im Monat, an Karneval und durch Straßenfeste. Eines sorgte für besondere Aufmerksamkeit: 2015 rückte die Feuerwehr mit historischem Gerät an und „löschte“ das Haus. Ein symbolischer Akt: Im „Fass“ hat es in 124 Jahren noch nie gebrannt.

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