Interview mit Hartmut Domay von Oikocredit "Das Kapital sind die Menschen"

SIEGBURG · Die Organisation Oikocredit vergibt nach genossenschaftlichem Prinzip Mikrokredite in Entwicklungsländern. Seit der Gründung 1975 ist Oikocredit zu einem der weltweit führenden Entwicklungsfinanzierer geworden. Zum 40-jährigen Bestehen informiert die Regionalgruppe Siegburg am Donnerstag, 21. Mai, über Konzept und Praxis des ethischen Investments. Mit Hartmut Domay von der Regionalgruppe sprach Anna Maria Beekes.

 Beispiel für erfolgreiches ethisches Investment: Die Frauengruppe "Maa Tages Wasi Malula Mandal" in Indien, die mit Hilfe eines Mikrokredits ein landwirtschaftliches Unternehmen aufgebaut hat.

Beispiel für erfolgreiches ethisches Investment: Die Frauengruppe "Maa Tages Wasi Malula Mandal" in Indien, die mit Hilfe eines Mikrokredits ein landwirtschaftliches Unternehmen aufgebaut hat.

Foto: Oikocredit

Was bedeutet ethisches Investment?
Hartmut Domay: Indem man Menschen finanziell stärkt, erweitert man ihre Handlungsmöglichkeiten und verbessert so letztlich ihre Lebensbedingungen - Hilfe zur Selbsthilfe lautet das Stichwort. Oikocredit hat schon vor 40 Jahren auf diese seinerzeit wegweisende alternative Geldanlageform der Mikrokredite gesetzt. Spenden ist gut und schön, aber über diesen Weg kann man Menschen wirklich die Möglichkeit geben, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Über Organisationen wie uns bekommen sie, die bei regulären Banken meist keine Chance auf einen Kredit haben, die Möglichkeit, sich selbst etwas aufzubauen.

Wie läuft das in der Praxis?
Domay: Oikocredit ist international tätig und hat seinen Sitz in den Niederlanden. In Deutschland gibt es mehrere Förderkreise, der Westdeutsche Förderkreis sitzt in Bonn. Vor zwei Jahren haben wir die einzelnen Regionalgruppen, so auch hier im Rhein-Sieg-Kreis, gegründet. Wir kümmern uns um Infostände, werben für die Organisation. Investieren können Privatpersonen, aber auch Institutionen. Allein über den Westdeutschen Förderkreis legen derzeit rund 6000 Anleger 103,5 Millionen Euro bei Oikocredit an. Vor Ort in den Entwicklungsländern werden kleine Gruppen gebildet. Wir arbeiten eng mit den dortigen Institutionen zusammen, um die Empfänger der Mikrokredite möglichst direkt zu erreichen. Wir bilden die Menschen aus und weiter, begleiten sie beim Aufbau ihres Unternehmens und bei Rückzahlung des Kredits.

Und das funktioniert wirklich?
Domay: Ja, das wird regelmäßig überprüfen - über Fragebögen wird immer wieder evaluiert, was wir vor Ort tatsächlich bewirken konnten, ob die Menschen etwa dauerhaft Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen haben. Es gibt viele Erfolgsgeschichten. Etwa die der Marktfrauen im Dorf Cocovico in der Elfenbeinküste, die ihre Waren bei jedem Wetter am Straßenrand verkaufen mussten. Durch die finanziellen Hilfen konnten sie sich zu einer kleinen Genossenschaft zusammenschließen und eine Markthalle bauen. Überhaupt sind es überwiegend Frauen, die wir unterstützen und die dadurch plötzlich selbst in die Lage kommen, zu wirtschaften.

Und was habe ich als Anleger davon, ethisch zu investieren?
Domay: Das ist für alle Seiten eine Win-win-Situation. Ich spende nicht einfach, sondern sehe, wie und wofür mein Geld arbeitet. Wir können seit vielen Jahren eine Dividende von zwei Prozent bieten, was zurzeit sogar lukrativer ist als die Anlage bei einer Bank. Unsere Rückzahlungsquote beträgt mehr als 90 Prozent. Die Empfänger haben die Möglichkeit, einen Anschlusskredit zu bekommen, sich nach und nach ein richtiges Unternehmen aufzubauen. Ich sage immer: Das Kapital, die Sicherheit, sind die Menschen.

Welche Rolle spielt Fairtrade in diesem Konstrukt?
Domay: Viele unserer Projekte sind eng mit dem Fairen Handel vernetzt. So werden viele Fairtrade-Produkte mit Hilfe von Oikocredit hergestellt. Wir arbeiten wiederum eng mit den Eine-Welt-Märkten zusammen, die diese Produkte vertreiben. Bei unserer Veranstaltung gibt's übrigens auch einen Geburtstagskuchen - natürlich komplett aus fair gehandelten Waren.

Zur Person

Hartmut Domay (65) ist evangelischer Pfarrer im Ruhestand. Er engagiert sich seit Jahrzehnten in der Entwicklungsarbeit und war mehrmals in Indonesien, wo ihn die dortigen Kreditgenossenschaften faszinierten. Seit den 1980er Jahren wirkt er bei Oikocredit mit. Er betreut die Regionalgruppe Siegburg, die für Hennef, Siegburg, Troisdorf, Much, Königswinter, Bad Honnef, Asbach und Unkel zuständig ist.

Die Veranstaltung zum 40. Geburtstag von Oikocredit beginnt am 21. Mai um 19 Uhr im "Zeitraum" der Diakonie in Siegburg, Ringstraße 2. Referentin Gisela Menden von der Bonner Geschäftsstelle des Westdeutschen Förderkreises erläutert das Konzept von Oikocredit und berichtet Beispielhaftes aus Indien.

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