Siegburger Literaturwochen Dichterin der Heimatlosigkeit

SIEGBURG · Paula Quast setzte der Lyrikerin Mascha Kaléko ein künstlerisches Denkmal in der Siegburger Stadtbibliothek.

 Ein literarisch-musikalisches Porträt der Dichterin Mascha Kaléko zeichneten Paula Quast (links) und Krischa Weber in der Siegburger Stadtbibliothek.

Ein literarisch-musikalisches Porträt der Dichterin Mascha Kaléko zeichneten Paula Quast (links) und Krischa Weber in der Siegburger Stadtbibliothek.

Foto: Andreas Dyck

Sie galt als eine der berühmtesten Dichterinnen Deutschlands. Doch nach dem Krieg geriet Mascha Kaléko zunehmend in Vergessenheit. Geprägt durch Berlin, die Stadt ihrer Kindheit und Jugend, gab Kaléko in ihren Werken den trivialen Momenten des Alltags den für sie typischen melancholisch-humorvollen Anstrich. Dennoch blieb die Dichterin zeitlebens heimatlos. Ein eindrucksvolles lyrisch-musikalisches Porträt zeichneten die Schauspielerin Paula Quast und die Cellistin Krischa Weber nun in der Siegburger Stadtbibliothek.

Paula Quast betritt die Bühne mit einem welken Ahornblatt in der Hand. Begleitet von tiefen, dumpfen Klängen des Cellos schätzt Quast die kleinen, unscheinbaren Gesten. Wenn sie wenig später aus Mascha Kalékos Gedicht "Bericht aus einer Kindheit" rezitiert, die Ahornbäume dort ihren herben Oktoberduft zum Abschied in den Park senden, dann hat die Schauspielerin der großen Dichterin eine Hommage entrichtet, die ganz nach ihrem Geschmack sein dürfte.

"Sie sprechen von mir nur leise. Ich bleibe der Fremde im Dorf", schrieb Kaléko in einem ihrer Gedichte. Geboren im Jahr 1907 in Galizien im heutigen Polen floh ihre Familie bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Deutschland. In Berlin erlebte das junge Mädchen ihre schönste Zeit, auf die viele ihrer Gedichte mit Wehmut und Sehnsucht zurückblicken.

Dort begann Kaléko, ihre frühen Werke in Berliner Tageszeitungen zu veröffentlichen. Doch später musste die jüdischstämmige Dichterin mit Ehemann und Sohn fliehen, sie wählte die Vereinigten Staaten von Amerika als Exil. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Israel, wo sie jedoch nie heimisch wurde und sich nach dem Berlin ihrer Jugend sehnte.

"Das Motiv der Heimatlosigkeit war ihr in die Wiege gelegt worden", so Paula Quast. Doch stets verstand es Kaléko, die Traurigkeit ihrer Gedichte mit charmantem und scharfsinnigem Witz zu verbinden. Sie sehe die Welt mit einer lachenden Träne im Auge, hatte Heinrich Heine über sie gesagt. Wenn sie über Themen des Alltags schrieb, klang oft eine für sie typische Ambivalenz mit. So verfasste sie nüchtern, mit Blick auf die Träume der Jugend: "Beim Abgang sprach der Lehrer von den Nöten / Der Jugend und vom ethischen Niveau - Es hieß, wir sollten jetzt ins Leben treten. / Ich aber leider trat nur ins Büro."

Paula Quast braucht nicht viel, um die Bedeutung der deutschsprachigen Dichterin zu demonstrieren, die mit ihrem Gedichtband 1933 "Das lyrische Stenogrammheft" mit 136 000 Exemplaren die zweithöchste Auflage nach Goethe erzielte.

Ein Tisch, eine Kerze und der das Publikum suchende Blick der Schauspielerin ziehen ihre Zuhörer in den Bann. Frei vorgetragen in anschwellendem Crescendo klingen die Worte der Lyrikerin nach, die in ihren Gedichten ihre Heimat fand, und den Alltag ihrer Zeit mit bissig leisen Versen versah. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: "Ein Schädling, ein Ketzer, ein Soundso im Tempel des heiligen Status quo."

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