Sommersammlung der Caritas Die Brotdosen vieler Kinder bleiben derzeit im Rhein-Sieg-Kreis leer

Rhein-Sieg-Kreis · In den vergangenen Monaten sind die Preise für Energie und Lebensmittel so stark gestiegen wie seit vielen Jahren. Das stellt viele Menschen vor existenzielle Probleme. Der Caritasverband Rhein-Sieg schlägt nun Alarm.

 Bei vielen Menschen ist inzwischen schon Mitte des Monats Ebbe im Portemonnaie.

Bei vielen Menschen ist inzwischen schon Mitte des Monats Ebbe im Portemonnaie.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Für Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, ist die Lage derzeit oft prekär. „Manche essen tageweise nichts, um das Geld für Lebensmittel zu sparen“, sagt Katrin Hagen, allgemeine Sozialberaterin beim Caritasverband Rhein-Sieg. Der Grund dafür sind die seit Monaten rasant steigenden Preise von Lebensmitteln, Strom, Gas und Benzin. Wenn dann auch noch Stromnachzahlungen anstehen, so Hagen, die Waschmaschine kaputt geht und diese Menschen Darlehen bedienen müssen, die sie für solche Fälle über das jeweilige Jobcenter aufnehmen, wird es immer schwieriger.

Gemeinsam mit Claudia Gabriel aus der Fachberatung Gemeindecaritas, Regina Flackskamp, Engagementförderin der Pfarreiengemeinschaft Troisdorf und Barbara Köllmann, der Caritasbeauftragten im Seelsorgebereich Sankt Augustin, hat sie eingeladen, um für die derzeit laufende Sommersammlung der Caritas zu werben. Das Geld, das dort eingenommen wird, kommt nahezu ausschließlich Menschen zugute, deren Einkommen derzeit nicht bis zum Ende des Monats reicht.

Sommersammlung seit Anfang Juni

„Bei vielen ist bereits in der Monatsmitte Ebbe in der Kasse“, sagt Hagen. Sie moniert, dass die Regelsätze der Grundsicherung, die derzeit bei 449 Euro pro Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen liegen, mittlerweile nicht mehr ausreichen. Der Caritasverband Rhein-Sieg versucht seit vielen Jahren, diesen Menschen zu helfen. Seit Anfang Juni läuft in acht Kommunen des Kreises die Caritas-Sommersammlung. Mit dem Geld, das dabei zusammenkommt, will der Verband helfen, die Not dieser Menschen zumindest ein wenig zu lindern.

„Du für den Nächsten“ lautet das christliche Motto, unter dem seit dem 4. Juni Caritas und Diakonie Spenden im Erzbistum sammeln. „Während der Coronazeit haben wir Flyer mit Überweisungsträgern in die Briefkästen geworfen“, erinnert sich Waltraud Brüggemann, die den Caritasverein in Hennef-Warth leitet. Seit 2003 sammelt sie dort mit zahlreichen Mitstreitern Geld für in Not geratenen Menschen. „Am Anfang haben wir auch im Winter gesammelt, aber jetzt gibt es nur noch die traditionellen Sommersammlungen“, fügt Brüggemann hinzu. Innerhalb von drei Wochen würden dabei im Schnitt 7000 Euro gespendet.

95 Prozent der gesammelten Gelder bleiben übrigens laut Caritasverband in den Gemeinden. „Im Sommer sind die Menschen auch mal im Garten und man kann sie einfach ansprechen. Auf dem Dorf ist es ohnehin etwas leichter, weil man sich untereinander kennt“, sagt Christa Engel, die für den Caritasverband in den Hennefer Ortschaften Rott und Westerhausen sammelt. Auch wenn das gesammelte Geld notleidenden Menschen zugute kommt, wissen die Sammlerinnen, dass die Unterstützung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Zuschüsse für akute Notlagen

„Wir können in akuten Notlagen Zuschüsse gewähren, damit die Menschen bis zum Monatsende kommen, aber das löst ja nur kurzfristig die Probleme. Das alles ist extrem bedrückend, auch für uns, aber wir können die Regelsätze nicht erhöhen. Das ist Aufgabe des Sozialstaates“, sagt Katrin Hagen. Sie hat beobachtet, dass Menschen immer schneller in Not geraten. „2021 waren es noch ein bis zwei Menschen, die mich anriefen und nicht mehr weiter wussten. In diesem Jahr waren es bis jetzt bereits jetzt ein Dutzend.“

Für Hagen ist klar, dass die aktuelle Situation durch die hohe Inflationsrate und die damit verbundene Preissteigerungsrate für Lebensmittel immer mehr Menschen in die Armut stürzen wird. „Viele, die bisher so gerade über die Runden kamen, werden demnächst betroffen sein“, prognostiziert sie. Für Hagen und ihre Mitstreiterinnen ist wichtig, dass diese Menschen, die bisher keine Erfahrungen mit der Not haben, frühzeitig mit dem Caritasverband Kontakt aufnehmen. Dann lasse sich oft verhindern, dass sich Miet- oder Energieschulden anhäufen, und beispielsweise vermeiden, dass der Strom abgestellt werde.

Lotsenpunkte als leicht zugängliches Angebot

In vielen Städten des Kreises hat der Caritasverband Rhein-Sieg gemeinsam mit den örtlichen Kirchengemeinden Lotsenpunkte eingerichtet. Sie sollen gerade für Menschen, die zum ersten Mal in Kontakt mit der Not kommen, ein leicht zugängliches Angebot sein. „Auch mir fällt auf, dass immer mehr Menschen zu uns kommen, denen es bisher noch halbwegs gut ging“, sagt Regina Flackskamp vom Troisdorfer Lotsenpunkt.

Die zunehmende Armut bemerkt Barbara Köllmann vom Sankt Augustiner Lotsenpunkt ebenso. „Viele Menschen holen sich bereits am Anfang des Monats Lebensmittelgutscheine. Das war früher anders und wurde nur im Notfall in Anspruch genommen.“ Besonders schlimm findet Fachberaterin Claudia Gabriel, dass bei vielen Menschen das Geld nicht einmal mehr für das Nötigste reiche und darunter vor allem die Kinder leiden.

„Da reicht das Geld noch nicht einmal für einen Schulranzen und auch die Butterbrotdosen bleiben leer.“ Sie fordert die „Zeitenwende“, um das zu verhindern, „damit Kinder nicht mehr in Armut leben müssen“.

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