Ausstellung im Stadtmuseum Siegburg Die Frage nach dem Leben und der Existenz

Siegburg · Thomas Egelkamp wollte seine Arbeiten schon vor zwei Jahren im Stadtmuseum Siegburg ausstellen. Doch dann kam Corona. Im vergangenen Jahr ist der Professor der Alanus Hochschule gestorben. Seine Schüler präsentieren nun eine beeindruckende Werkschau des Künstlers.

Das Stadtmuseum Siegburg zeigt Malerei und Objekte des Künstlers Thomas Egelkamp.

Das Stadtmuseum Siegburg zeigt Malerei und Objekte des Künstlers Thomas Egelkamp.

Foto: Dylan Cem Akalin

Steine übten auf Thomas Egelkamp eine besondere Faszination aus. Sie tauchen in seinen Arbeiten jedenfalls immer wieder auf. Mal leuchten sie aus Wirbeln, dann tauchen sie wie geschützte Körper aus einem diffusen Geflecht aus undurchdringlichem Gewebe auf. Oder aber sie bilden ein Feld aus unterschiedlich großen Exemplaren, die kurz über dem Boden zu schweben scheinen. Das Stadtmuseum Siegburg zeigt Malerei und Objekte des Künstlers Thomas Egelkamp, der im vergangenen Jahr im Alter von 58 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben ist. Egelkamp war Professor für Kunstvermittlung und Kunst im öffentlichen Raum an der Alanus Hochschule.

Eigentlich sollte die Werkschau schon vor zwei Jahren im Stadtmuseum gezeigt werden, aber da kam Corona dazwischen. Egelkamp habe an der Idee noch mitgearbeitet und bis zuletzt noch Arbeiten fertiggestellt, erklärt Stefanie Kemp, stellvertretende Direktorin des Stadtmuseums. Aber konzipiert worden sei die Schau vom Künstlerkollektiv Freeters um Johanna Hendel, Michael Sistig und Amely Spötzl, alles Schüler von Egelkamp, sowie Egelkamps Nichte Leona Egelkamp.

Im ersten Raum fallen die vielen kleinen Steine auf, die auf kleinen Sockeln sitzen und wirken, als hätten sie die Schwerkraft überwunden. „Das sind alles Fundstücke des Künstlers aus dem Kottenforst“, sagt Kemp. „Geworfen“ leuchtet als geschwungene Neonleuchtschrift in den Raum hinein – ein klarer Hinweis des Künstlers auf die Philosophie Martin Heideggers. Dieser hatte mit dem Begriff der Geworfenheit die Unausweichlichkeit der Existenz beschrieben, das In-der-Welt-sein als Faktizität, die Geburt als ungefragter Akt des Lebens.

Spiel mit den Symbolen

Eine Schar von Steinen scheint der Schwerkraft zu trotzen.

Eine Schar von Steinen scheint der Schwerkraft zu trotzen.

Foto: Dylan Cem Akalin

Zu dieser Grundidee passt ein großdimensionales Wandobjekt aus Draht: In einem Netz aus verwickelten Drähten baumeln menschliche Föten und gerade erst geborene Säuglinge, allesamt miteinander verbunden, allesamt aus demselben Material, nämlich dem schweren Draht, geschaffen. Eine beklemmende Arbeit des Künstlers, an der er in seiner letzten Lebensphase noch gearbeitet hat. Davor liegt auf dem Boden ein Fels, schwer und dennoch transparent, weil er auch aus Drahtgeflechten konstruiert ist. Ein Hinweis auf das Unbezwingbare der eigentlichen Vorlage und ein Spiel mit den Symbolen von Steinen und Felsen: Stehen sie nicht für Weisheit, für die höchste Form der Wahrheit und die Sehnsucht des Menschen nach Unvergänglichem? Warum wurden und werden Skulpturen, Denkmäler sonst aus Steinen gemeißelt, wenn nicht, um ein Zeichen der Dauerhaftigkeit zu setzen?

Die Motive setzen sich in vielen Werken fort. Fast alle Arbeiten tragen keine Titel, fast alle Arbeiten auf Leinwand, Holz oder Papier sind in Mischtechnik entstanden. In einer umgibt eine fötusartige Form den Stein. Symbol für das Geborgene. Neben dem Geworfenen bilden für Egelkamp noch die Worte „getragen“ und „geborgen“, ebenfalls in Neonleuchtschrift ausgestellt, die Eckpunkte für das Sein. Zwölf quadratische Arbeiten aus Acryl und Grafit auf Holz geben den Blick frei in den Mutterleib. Der Betrachter kann zwar ein gewisses Wohlbehagen der Föten erahnen, doch die düstere Darstellung hinterlässt ein eher bedrückendes Gefühl. Es ist einerseits wie ein Gegenentwurf zu Friedrich von Schillers bekannter Freiheitsidee („Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und würd er in Ketten geboren…“), andererseits steht die Bilderserie auch für ein unbestimmtes inneres Unbehagen von werdenden Eltern: Wie sie denn wissen können, ob sie das Kind mögen werden, und sie wissen nicht, wie es sie selbst ändern wird.

Brücke zwischen Kunst und Gesellschaft

In einem Nachruf der Alanus Hochschule hieß es, Egelkamp habe zwischen Kunst, Gesellschaft und Wirtschaft vielfältige Brücken geschlagen. „Er sah darin einen wichtigen Teil seines Lebenswerks.“ Kemp bestätigt, dass der Künstler stets stark in Netzwerken gedacht habe. Nicht nur ein interdisziplinärer Austausch sei ihm wichtig gewesen, sondern gerade der zu seinen Studierenden und zu anderen Künstlern.

Mit einem großformatigen Bild hat sich Egelkamp vom Leben verabschiedet. Es drückt Hoffnung aus. Es erinnert an das Monochrom Blau eines Yves Klein, aus dem ferne Sterne funkeln. Ein Blick in die Unendlichkeit, ins Ungewisse. Einige Sterne ließ Egelkamp nach seinem Tod vom Künstlerkollektiv einarbeiten. Es zeigt die Sternenkonstellation wie er sie bei seinem Tod am Himmel sah.

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